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"Die Situation ist ernst"

Der Bundesverband Deutscher Banken hat die geplante Entlastung der Institute von Risikopapieren durch Bad Banks begrüßt. Damit sei man gewappnet für den weiteren Verlauf des derzeitigen schweren Wirtschaftseinbruchs, sagte Verbandsgeschäftsführer Manfred Weber. Er gehe davon aus, dass die Kreditrisiken noch weiter stiegen.

Manfred Weber im Gespräch mit Christoph Heinemann | 03.07.2009
    Christoph Heinemann: Wo Gesetz zur Fortentwicklung der Finanzmarktstabilisierung draufsteht, stehen die sogenannten Bad Banks drinnen. Dieses Gesetz wird der Bundestag heute aller Voraussicht nach beschließen. Die Begeisterung der Gewerkschaften für die Giftbanken hält sich in Grenzen. Nachdem das Kabinett das Bad-Bank-Gesetz im Mai gebilligt hatte, sagte der DGB-Vorsitzende Michael Sommer:

    "Abgerechnet wird nach 20 Jahren und dann wird man sehen, ob der Staat auf den schlechten Risiken sitzen bleibt, oder was auch immer. Also von daher, dass das zum Nulltarif ist, das stimmt überhaupt nicht. Der Staat tritt in eine große Vorleistung. Unser Problem ist dabei, dass wir nicht wissen, wie genau die Gegenleistungen aussehen, wie die Sicherheiten aussehen und ob nicht hier zum Schluss nur über einen gestreckten Zeitraum eine Sozialisierung der Verluste und eine Privatisierung der Gewinne stattfindet. Deswegen wird man das Verfahren sich genau ansehen müssen."

    Heinemann: Am Telefon ist Manfred Weber, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Banken. Guten Morgen!

    Manfred Weber: Guten Morgen, Herr Heinemann.

    Heinemann: Herr Weber, teilen Sie Peer Steinbrücks Optimismus oder Michael Sommers Skepsis?

    Weber: Die Äußerungen des DGB-Vorsitzenden liegen ja nun schon ein Weilchen zurück. Richtig ist gewiss, dass man sich so etwas immer genau ansehen muss. Wenn man das mit diesem Gesetzentwurf, über den der Bundestag heute beschließen wird, macht, dann kommt man in der Tat zu dem Ergebnis, dass man hier einen, ich denke, vernünftigen Ausgleich gefunden hat zwischen der Aufgabe an sich - die Bankbilanzen zu entlasten, damit auch künftig die Kreditvergabe in Deutschland an die Wirtschaft gewährleistet ist, wir keine Kreditklemme bekommen - und umgekehrt Lasten nicht einfach beim Steuerzahler abzuladen, das kann natürlich auch nicht sein. Insofern bin ich hier der Meinung im Prinzip des Bundesfinanzministers.

    Heinemann: Herr Weber, können sich die verantwortlichen Nieten in Nadelstreifen jetzt ins Fäustchen lachen?

    Weber: Nein. Das ist erstens nicht die Einstellung, glaube ich, die im Bankgewerbe vorherrscht. Die Finanzmarktkrise ist viel zu ernst und die Fehler, die gemacht worden sind, sind viel zu groß und jeder Fehler ist ja ein Fehler zu viel. Wir müssen aber im Blick behalten, dass wir die Folgen dieser Krise möglichst im Rahmen halten müssen. Und ein ganz wichtiges Thema, das wir ja auch seit Wochen und Monaten diskutieren, ist eben, dass es in Deutschland nicht zu einer allgemeinen Kreditklemme, wie es heißt, kommen sollte. Das würde bedeuten, dass Kreditinstitute, Banken und Sparkassen, Landesbanken, nicht mehr in der Lage sind, Kredite zu geben, obwohl sie dies an und für sich gerne möchten und auch Kunden vorhanden sind, die von den Projekten, von ihrer Kreditwürdigkeit her durchaus sozusagen geeignet sind, einen solchen Kredit aufzunehmen und umzusetzen, das Geld zu investieren. Dann hätten wir noch einen tieferen Einbruch. Wir erleben ja eh die schärfste Rezession, die wir je in der Bundesrepublik hatten: minus 6 Prozent. In dieser Größenordnung liegen die aktuellen Voraussagen der Bundesregierung, der Bundesbank und vieler anderer Beobachter. Nur zur Erinnerung: die schärfste Rezession zuvor hatten wir mitten in der Ölpreiskrise 1975 mit einem Rückgang von minus 0,9 Prozent. Also die Situation ist ernst, da lacht man sich nicht ins Fäustchen. Wir müssen sehen, dass wir die Aufgaben, die Herausforderungen, die vor uns liegen, in den Griff bekommen.

    Heinemann: Herr Weber, Sie sprachen gerade von großen Fehlern. Wie viele Giftpapiere gibt es noch? Was lagert da noch an toxischen Schätzen in den Tresoren?

    Weber: Ich verfüge hier nicht über Zahlen, aber das, was von der Aufsicht immer wieder verlautbart wird, die hier ja direkten Einblick in die Bücher der einzelnen Kreditinstitute hat, da geht es um ein Volumen von etwa 200 Milliarden, wobei ich gleich hinzufügen muss, das sind sozusagen Nennwerte dieser Papiere und die sind auch gar nicht alle toxisch. Das Problem ist hier ein bisschen diffiziler. Wir haben nach wie vor Märkte, die nicht richtig funktionieren, und insofern kann auch kein Marktpreis, kein Marktwert für bestimmte Papiere festgestellt werden. Das ist aber kein Urteil über die eigentliche Werthaltigkeit von solchen Papieren.

    Wenn ich das noch sagen darf, Herr Heinemann: Das Gesetz zielt ja noch ein Stück weiter. Auch das halte ich für sehr wichtig. Im Prinzip soll ja auch den Landesbanken ermöglicht werden, sich gesundzuschrumpfen, sich auf ihr Kerngeschäft zurückzubesinnen und damit auch Teile des Geschäftes auszulagern, das man künftig nicht mehr betreiben will. Ich halte das für einen wichtigen Schritt. Wenn wir diesmal die Möglichkeit der Konsolidierung im Landesbankensektor nicht nutzen, wäre es eine vergebene Chance.

    Heinemann: Martin Hellwig, Direktor des Max-Planck-Instituts zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern, äußerte gestern in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" die Sorgen, dass bei vielen Banken die toxischen Papiere nicht mit dem Ertragswert, sondern mit dem Marktwert in den Büchern stünden. Das heißt, in den Büchern stehen Äpfel und man rechnet mit Birnen. Das muss nicht gut gehen.

    Weber: Ich habe natürlich den Artikel des Kollegen Hellwig gelesen, ich kann seine Argumentation nicht nachvollziehen. Wir unterliegen internationalen Bilanzierungsstandards, danach muss zum fairen Wert bewertet werden, dem sogenannten fair value. Wenn kein Marktpreis vorhanden ist, weil die Märkte nicht funktionieren, ausgetrocknet sind, wie ich eben ausgeführt habe, ist hier auch vorgeschrieben, wie man vorzugehen hat. Also das ist ein Argument, dem ich so nicht folgen kann.

    Heinemann: Aber wer zahlt denn die Zeche am Schluss, wenn es da eine Differenz gibt?

    Weber: Wir müssen noch abwarten. Die einzelnen Banken werden jetzt sehr genau und verantwortungsvoll prüfen, inwieweit vor dem Hintergrund ihrer eigenen Engagements dieses Modell jetzt trägt und wir den angestrebten Zweck in der Tat erreichen. Das hoffe ich sehr. Umgekehrt ist die Politik - und dafür habe ich durchaus Verständnis; ich bin ja auch Bürger und Steuerzahler - hingegangen und hat eine Vielzahl von Sicherungen eingebaut, die dazu führen, dass der Steuerzahler letztendlich eben nicht über Gebühr belastet wird. Wie hoch der Schaden im Übrigen generell ist, weil ich vorhin diesen Betrag von rund 200 Milliarden Euro nannte, was das Volumen dieser strukturierten Papiere angeht, das wird man abwarten müssen. Ich bin fest davon überzeugt: Ein Teil dieser Papiere ist bereits werthaltig und wird vielleicht sogar wieder hochgeschrieben werden können in seinem Wert im Laufe der künftigen Marktentwicklung. Ich sehe nicht eine große Belastung endgültig auf den Steuerzahler zukommen.

    Das Ziel war ja ein anderes: Wir müssen es aus den Bankbilanzen rausbekommen, weil sonst das Eigenkapital der Bank immer mehr angefressen wird. Und Eigenkapital brauche ich nun mal, um Kredite vergeben zu können.

    Heinemann: Sie sagten gerade, das hoffe ich sehr. Also ist das Prinzip Hoffnung doch der Grundbaustein dieses Bad-Bank-Gesetzes?

    Weber: Nein, nein. Ich glaube, hier ist handwerklich schon ordentlich gearbeitet worden. Da haben ja auch nun etliche Fachleute aus Bundesfinanzministerium, aus Bundeswirtschaftsministerium, Justizministerium und Kanzleramt drangesessen. Ich muss sagen, ich hoffe es sehr, weil nun natürlich jede einzelne Bank genau prüfen muss vor dem Hintergrund dessen, was sie in den Büchern hat, wie sich dieses Modell für sie in der Praxis darstellt. Das kann man als Außenstehender, der man nicht Einblick hat in die Details dieser ganzen Engagements, so nicht beurteilen. Ich halte es für ein grundsätzlich geeignetes Instrument und begrüße daher sehr, dass die Bundesregierung dieses Thema aufgenommen hat und der Bundestag heute ja wohl so beschließen wird. Ich halte es für wichtig, damit wir gewappnet sind auf das, was im späteren Jahresverlauf und vielleicht mit Schwergewicht erst 2010 auf uns zukommt, denn bei diesem Wirtschaftseinbruch liegt hier noch einiges vor uns, ohne dass ich schwarzmalen will, überhaupt gar nicht, aber erfahrungsgemäß werden die Kreditrisiken in die Höhe gehen. Die Bonität der Kunden der Banken wird zurückgehen, das ist ganz normal in einer Rezession, und bei einer so scharfen Rezession muss man das halt auch in einem höheren Umfang erwarten.

    Heinemann: Gibt es denn eine Garantie dafür, dass die Verluste nicht sozialisiert und die Gewinne privatisiert werden?

    Weber: Die Vorkehrungen sind so. Es ist so, dass, wenn man es aus den Bankbilanzen herausnimmt, es zu einer staatlichen Stelle geht als Fonds.

    Heinemann: Gleichwohl belastet das doch die Banken, auch wenn es nicht in der Bilanz steht?

    Weber: Es belastet eben die Banken, damit der Steuerzahler nicht belastet wird, aber den Banken wird Luft verschafft. Man bekommt Zeit, um dieses Problem zu lösen, und deshalb müssen eben solche Papiere zu einer staatlichen Institution. Der Staat kann so etwas aushalten, er ist nicht bilanzierungspflichtig wie ein Kreditinstitut, das jedes Vierteljahr neue Quartalsberichte vorlegen muss und dergleichen. Dann aber sind die Vorkehrungen so, dass hier ja Risikoabschläge vorgenommen werden, und das, was an Verlust tatsächlich anfällt, nachher auch von der jeweiligen Bank auf der Zeitschiene abgegolten werden muss.

    Heinemann: Herr Weber, Angela Merkel, die Bundeskanzlerin, hat vor Abwehrreflexen bei den Banken gewarnt, wenn die G-20-Ziele, also die schärferen Kontrollen umgesetzt würden. Wie kann man solche Reflexe verhindern?

    Weber: Wir werden zwei Dinge im Auge behalten müssen. Die G-20, die Gruppe der 20, hat sich etwas wichtiges vorgenommen. Es soll künftig keinen Finanzmarkt mehr und keine Finanzmarktteilnehmer und keine Finanzmarktprodukte geben, die nicht angemessen beaufsichtigt sind. Das halte ich für sehr, sehr wichtig. Hier hat es in der Vergangenheit Versäumnisse gegeben. Das Beispiel der Hypothekenkredite in den USA ist hier ein wichtiges Beispiel, das war der Ursprung der Krise, und wir sehen, dass die Finanzmärkte inzwischen so vernetzt sind, dass dann letztlich alle auch irgendwie betroffen sind. Dieses Ziel muss jetzt auch konkret umgesetzt werden. Hier kommt dem sogenannten Financial Stability Board unter dem Vorsitz des italienischen Notenbankpräsidenten Mario Draghi eine wichtige Rolle zu.

    Und es gibt einen zweiten Punkt, der mich in der Tat auch ein bisschen mit Sorge erfüllt. Sie haben auch gesehen, dass es ein Fehler war, der auch zur Finanzmarktkrise beigetragen hat, dass sogenannte Bonifikationen im Kreditgewerbe zu kurzfristig organisiert waren.

    Heinemann: Was sind das?

    Weber: Ich bin durchaus ein Anhänger von Bonuszahlungen als Anreizsystem, aber das darf nicht kurzfristig geschehen nach dem Motto, im ersten Jahr ist hier ein schöner Gewinn erzielt worden und dann zahle ich einen großen Bonus und fördere diese Entwicklung, das Risiko bleibt aber noch in den Büchern der Bank und wird vielleicht erst nach zwei Jahren virulent. Hier muss mehr Nachhaltigkeit hinein, und wir müssen wegkommen von gewissen Übersteigerungen, die es in dem Entgeltsystem hier und da gegeben hat. Ich sehe mit Sorge, dass an manch anderem ausländischen Finanzplatz schon wieder, sagen wir, bestimmte Bestandteile der Entgelte in die Höhe gehen. Das ist nicht die richtige Herangehensweise, wenn das politisch kritisiert wird, dann kann ich das nur zu gut nachvollziehen.