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Die Sorgen der Sorben

Die Sorben sind eine Minderheit in Brandenburg und in Sachsen. Verschiedene Institutionen versuchen mit ihrer Arbeit, die kulturelle Identität und die Sprache zu bewahren - doch ihnen mangelt es an Zuschüssen.

Von Claudia Altmann | 29.07.2012
    Helles Sonnenlicht scheint durch die großen Fenster der Kindertagesstätte in der Bautzener Frederic-Joliot-Curie-Straße. Am Gebäude der Tagesstätte steht nicht nur der deutsche Name, sondern in lateinischen Lettern auch auf Sorbisch "Pjerachowy kraj" - "Knirpsenland".

    Die Knirpse schieben Spielzeugautos durch den Raum, lassen Gummisaurier über ihren Köpfen schweben oder sitzen um einen Tisch und malen mit Pinsel und Tusche. Nele und Nadine sind in ein Memoryspiel vertieft gemeinsam mit ihrer Erzieherin Stefanie Schramm. Sie ist hier die einzige Sorbin. Die 17 Kinder in ihrer Gruppe kommen alle aus deutschen Familien.

    Auch Axel Jäkel bringt seine Tochter hierher, weil er möchte,

    "... dass die Emma relativ spielend mehrsprachig aufwachsen soll und da Sorbisch hier verankert ist, war das naheliegend. Mein Opa mütterlicherseits stammt aus einer sorbischen Familie. Ansonsten sind wir eigentlich Vertriebene aus Schlesien."

    Madeleine Bork bringt zwei ihrer drei Kinder in die Witaj-Gruppe. Witaj heißt Willkommen. Der älteste Sohn war auch hier und geht inzwischen auf die sorbische Schule.

    "In der Witaj-Gruppe besonders schön ist das Zweisprachige. Denn man hat ja erkannt, dass Kinder, die frühzeitig zweisprachig aufwachsen, dass sich da ganz andere bildungstechnische Voraussetzungen ergeben. Also das Gehirn bildet sich ganz anders aus und das ist für später ja nur ein Vorteil."

    Dass es in ihrer Familie gar keinen Bezug zum Sorbischen gibt, stört sie nicht.

    "In den Nachbardörfern wurde Sorbisch gesprochen, aber in unserer Familie eigentlich überhaupt nicht. Da gibt es auch keine sorbische Verwandtschaft oder so etwas. Aber macht ja nichts. Man lebt ja hier in der Region. Und in der heutigen Zeit ist es immer wichtig, dass man sich später auch verständigen kann, dass man Verständnis hat für andere, für andere Sprachen, für andere Kulturen. Ob man das nun kennt von zu Hause oder nicht, aber ich denke, die Toleranz ist wichtig. Ja, und das Verständigen und wenn die das von klein auf können, ist das wirklich mit Vorteil zu sehen."

    Das kann Erzieherin Stefanie Schramm aus ihrer elfjährigen Erfahrung heraus nur bestätigen:

    "Also die ersten Redewendungen kommen so nach zwei Wochen. Aber so verstehen, na, ich sag mal nach drei, vier Monaten. Dann verstehen sie schon das meiste. Man muss immer wieder viel wiederholen, zeigen, mit Gestik, Mimik arbeiten. Das ist sehr wichtig beim Witaj-Projekt."

    Viele ihrer kleinen Pjerachy - ihrer Knirpse - sind weiter an die sorbische Schule gegangen. Das spricht für den Erfolg des Witaj-Projektes. Es wurde 1998 ins Leben gerufen, um die vom Aussterben bedrohte Sprache zu fördern. Es wendet sich nicht nur an kleine Sorben, sondern an alle Kinder der Region, erklärt Dr. Beate Brezan. Als Leiterin des Witaj-Sprachzentrums in Bautzen hat die Kulturwissenschaftlerin und Sorabistin den Überblick über das Projekt.

    "Es wurde begonnen in der Niederlausitz. In der Niederlausitz deshalb, weil dort der Sprachwechselprozess, das heißt, das Ablegen der sorbischen Sprache und das Annehmen der deutschen Sprache, wesentlich weiter fortgeschritten ist als in der Oberlausitz. Das heißt, dort war es schon zu dem Zeitpunkt eher Fünf nach Zwölf als vor Zwölf und deswegen hat man dort begonnen. Aber es wurde auch sehr stark gleichzeitig auch hier in der Oberlausitz gefördert."

    Mittlerweile gibt es 80 Gruppen mit 1100 Mädchen und Jungen. Die Witaj-Kindergärten sind ausgebucht. Das Interesse der Eltern ist so groß, dass es zum Teil Wartelisten gibt.

    "Wenn wir die Sprache erhalten wollen im Alltagsleben, dann ist das Witaj-Projekt tatsächlich notwendig. Natürlich ist es unsere Hoffnung, dass sie nicht nur die Sprache erlernen, sondern mit der Sprache wird ja auch sehr viel Kultur vermittelt und geschichtliches Wissen. Das gesamte kulturelle Erleben beginnt ja bereits im Kindergarten. Inwiefern das ihr späteres Leben prägen wird, das ist natürlich offen. Auf jeden Fall, wenn wir jetzt doch davon ausgehen würden, dass doch die Sprecherzahl abnimmt, dann würde dieser Prozess auf jeden Fall durch dieses Witaj-Projekt verlangsamt."

    Von den heute in Sachsen und in der brandenburgischen Niederlausitz lebenden etwa 60.000 Sorben spricht nur noch knapp die Hälfte ihre Muttersprache. Das slawische Volk war vor über 1400 Jahren aus dem Osten eingewandert und musste sich immer den jeweiligen Herrschern unterordnen. Der größten Gefahr waren sie in der Nazizeit ausgesetzt, als 1937 der öffentliche Gebrauch der Sprache und alle Vereine verboten wurden. Aber schon seit der Industrialisierung Anfang des 20. Jahrhunderts wurde das Sorbische durch den verstärkten Zuzug von Deutschen immer weiter zurückgedrängt. Nach 1945 siedelten sich in der Region zahlreiche deutschsprachige Flüchtlinge vor allem aus Schlesien an. Durch die landwirtschaftliche Kollektivierung wurden die traditionellen Familienbetriebe zerstört, in den LPGen wurde Deutsch gesprochen. Schließlich versetzten der Braunkohleabbau, die Zerstörung zahlreicher Dörfer und die Umsiedlung ihrer Bewohner dem sozialen Gefüge schwere Schläge.

    Sprache und Tradition zu erhalten: Darin sieht die Domowina ihre wichtigste Aufgabe. Die Dachorganisation von 17 Regionalverbänden und Vereinen ist die Interessenvertreterin der Minderheit. Sie zählt 7000 Mitglieder und repräsentiert damit zwölf Prozent der Sorben. Ihr Sitz ist in Bautzen. Drei der fünf Präsidiumsmitglieder sind um die 30 Jahre alt. Im vergangenen Jahr waren unter den Neuzugängen des Verbandes auch 30 Jugendliche. Für den Vorsitzenden David Statnik ist das ein Zeichen dafür, dass die Domowina im 100. Jahr ihres Bestehens auch von jungen Leuten akzeptiert wird. Der 29-Jährige selbst arbeitet für die Domowina ehrenamtlich neben seinem Beruf als Studio- und Tontechniker beim Sorbischen Nationalensemble.

    "Es ist natürlich so, dass Politik und auch das Ehrenamt immer eine Sache von Leuten ist, die gestanden im Leben sind. Das ist natürlich etwas, was in Deutschland generell ist, dass das Ehrenamt hier in der zweiten Hälfte des Lebens vonstattengeht. Ja, nun gibt es da aber einige Leute ebenso wie mich, die denken, das kann man auch in der ersten Hälfte schon schaffen und sollte man das auch machen. Und ich denke, das ist die beste Resonanz oder auch der beste Beweis dafür, dass das Ehrenamt hier nicht nur als Hobby verstanden wird, sondern auch als eine Nationalbewegung."

    Die sich seiner Meinung nach auch immer selbst die Frage stellen muss, ob sie in der jetzigen Aufstellung noch den Anforderungen der Zeit gerecht wird. In der DDR war die Domowina eine Körperschaft öffentlichen Rechts, nach der Wende wurde sie in einen eingetragenen Verein umgewandelt. Daneben wurde 1992 die Stiftung für das sorbische Volk gegründet, deren Aufgabe die Verteilung der Gelder und deren Kontrolle ist. Die Stiftung ist darüber hinaus Rechtsträger für den Verlag Domowina, das Sorbische Nationalensemble, das Sorbische Institut, das sich als außeruniversitäre Einrichtung der Sprachforschung und Kulturwissenschaft widmet. Und finanziert einen Teil des Deutsch-Sorbischen Volkstheaters sowie Museen, das Witaj-Sprachzentrum und die Verwaltungen von Domowina und der Stiftung selbst. Dafür geben Bund und die Länder Sachsen und Brandenburg jährlich 16,8 Millionen Euro. Das entspricht etwa dem Jahresbudget des Stadttheaters Cottbus. Diese Summe ist seit den 1990er-Jahren gleich geblieben. Es gibt keinerlei Anpassung an gestiegene Kosten, beklagt Stiftungsleiter Marko Suchy.

    "Wir haben von 1992 mit 640 Stellen heute noch 285 Stellen. Aber wir versuchen immer noch den Zweck, den wir haben, immer noch bestmöglich zu erfüllen. An einigen Stellen gibt es schon Defizite. Im Witaj-Sprachzentrum. Ein klassisches Feld, wo wir Defizite haben oder in Zukunft deutlich erfahren werden, ist die Schulbuchproduktion. Durch die Diversifikation der Themen, die in der Schule heutzutage vermittelt werden und durch die unterschiedliche Sprachqualität der Kinder, die in die Schule kommen, ist eine viel, viel breitere Palette an Schulbüchern notwendig oder zumindest Material zur Vermittlung. Und da ist das Witaj-Sprachzentrum schon deutlich an den Grenzen der personellen Kapazität, der technischen Kapazität und der finanziellen Kapazität angelangt."

    Für Domowina-Chef David Statnik ist die Schmerzgrenze längst überschritten und er fragt sich daher,

    "… ob es uns obliegen sollte, freiwillig an Einsparungen zu denken. Denn das ist immer so eine Art der Selbstaufgabe und das ist auch immer eine sehr harte Arbeit und es ist auch eine sehr unliebe Arbeit, wenn der Sorbe dem Sorben selbst etwas wegnehmen muss. Da stellt sich nun für mich Frage, ob denn hier der geregelte Ungehorsam nicht angebracht ist. Im Konkreteren bin ich der Meinung, wir sollten uns an Sparmaßnahmen nicht weiter beteiligen, sondern sollten ganz offen gegenüber dem Bund und den Ländern sagen: Wir haben ein Finanzproblem."

    Und von diesem Problem sind alle Einrichtungen betroffen, von Streichungen, die Qualität, wenn nicht gar die Existenz der ganzen Sparte gefährden. Also keine Bücher und Zeitungen, kein Theater, keine Konzerte, keine eigene Sprachforschung mehr?

    "Wenn man diese Erkenntnis hat, dann kommt man sehr schnell zu der Überzeugung, dass sich doch jeglicher Weg lohnt, dafür zu kämpfen. Und ich denke, daraus entsteht dann dieser gewisse Drang des geordneten Ungehorsams. Wobei ich jetzt kein Anarchist bin in der Art, dass ich sage: Wir brennen jetzt alles hier ab oder zumindest die Häuser der Gegner. Nein, im Gegenteil. Ich denke, die Wichtigkeit ist, dass wir uns selbst erst einmal verdeutlichen, dass wir nicht alles hinnehmen sollten. Und da ist auch die Aufgabe der Domowina, da ist auch die Aufgabe der sorbischen Politik, der Mehrheitsbevölkerung zu verdeutlichen, dass sich hier auch die Finanzierung lohnt. Denn es ist ja nicht so, dass wir hier nur ein Volk produzieren oder nur ein Volk fördern. Wir fördern hier natürlich auch eine Region. Wir fördern hier vor allem auch ein europäisches Modell."

    In dieser angespannten Situation werden auch Stimmen laut, die das gesamte Konstrukt Domowina anzweifeln. Die Idee ist ein sorbisches Parlament, in dem die Kritiker ein demokratischeres Gremium sehen. In den Städten und Gemeinden sollen sorbische Minderheitenselbstvertretungen zeitgleich mit Bundestags- oder Kommunalwahlen gewählt werden. Diese bestimmen dann die Wahlfrauen und -männer, die dann das Parlament wählen. Sprecher der Initiative ist der Kulturwissenschaftler Dr. Martin Walde:

    "Dieses Parlament ist dann praktisch demokratisch legitimiert. Wäre dann auch von den kommunalen Politikern als gewähltes Gremium praktisch anerkannt. Heute ist die Domowina, man sagt zwar, sie ist Sprecherin der Sorben. Natürlich. Es gibt ja keine Alternative. Aber demokratisch gewählt ist sie nicht. Das ist unser ureigenstes Anliegen. Wir wollen die Kommunen mitnehmen, was heute einfach nicht gegeben ist."

    Die Domowina solle nicht abgeschafft, sondern einbezogen werden, so Walde. Das hätte mehrere positive Effekte.

    "Es gäbe dann bloß noch ein Parlament, das alle diese Aufgaben übernehmen würde. Dass auch diese politische Vertretung nach außen hin aber auch nach innen hätte auf Augenhöhe mit den deutschen politischen Gremien, das ein Vetorecht hätte. Es gäbe eine Transparenz und eine viel deutlichere, selbstbewusstere Vertretung sorbischer Volksvertreter."

    Axel Arlt, stellvertretender Chefredakteur der Tageszeitung Serbske Nowiny, beobachtet die Diskussion schon seit Jahren. Die Domowina habe durchaus als Interessenvertreterin ihre Berechtigung.

    "Zu überdenken ist aber unter der gegenwärtigen politischen Entwicklung, ob ein eingetragener Verein die Kräfte hat, als Sprecher für die Sorben zu fungieren oder ob es inzwischen vielleicht qualifiziertere Möglichkeiten gibt, sich aufzustellen."

    Warum die Idee in Gestalt eines sorbischen Parlamentes bisher keinen Erfolg hatte, führt er vor allem auf ein Problem zurück.

    "Es war von Anfang an der Hauptkritikpunkt an dem Körperschaftsmodell, dass die Frage, wie wähle ich dieses sorbische Parlament, dass das nicht zur Zufriedenstellung der Kritiker beantwortet werden konnte. Weil das Bekenntnis zum Sorbischen ist laut sächsischer Verfassung auch laut Brandenburger Verfassung frei. Wenn ich aber Wählerlisten anlege, ähnlich wie das in Ungarn stattfindet, dann muss ich mich festlegen, ob ich Sorbe bin oder nicht. Und da gibt es dann noch Bedenken, ob das die Verfassung verletzt."

    Da es darauf bisher keine endgültigen Antworten gegeben hat, setzt die Domowina auf die Ertüchtigung und Stärkung ihres Dachverbandes. Das wurde vom Bundesvorstand beschlossen. Für die Parlamentsverfechter ist aber damit die Debatte nicht beendet. David Statnik sieht in der Auseinandersetzung auch eine Herausforderung und stellt sich dieser eher selbstbewusst.

    "Wir sehen uns nicht im Konkurrenzkampf. Sondern es ist so, wie es in Deutschland auch zu Recht ist. In der Demokratie habe ich die Möglichkeit, die Meinung zu publizieren. Das heißt, wir müssen damit rechnen, dass es auch immer wieder Initiativen gibt, die nicht unserer Meinung sind. Das ist okay. Das macht am Ende die Würze der Demokratie aus. Und ist für uns auch Verpflichtung, uns Gedanken zu machen, wie wir diese Personen vertreten oder auch überzeugen können. Und das sind natürlich politische Bekundungen, die legitim sind. Aber ebenso ist unsere Meinung legitim. Wir versuchen dann natürlich, auch argumentativ uns der Sache zu stellen. Das tun wir auch und beharren aber auf dem Standpunkt, dass wir derzeit die Mehrheit der sorbischen Meinungen vertreten und dadurch auch die am legitimsten Vertreter der sorbischen Interessen sind."

    In dieser Rolle steht sie aber auch in der Pflicht, diese Interessen erfolgreich zu vertreten. Dazu soll laut Statnik auch die gegenwärtige Strukturdiskussion beitragen. Ziel sei es, die Doppelstruktur mit zweierlei Trägern abzuschaffen. Die Stiftung für das sorbische Volk solle sich wieder ausschließlich der Finanzmittelvergabe widmen.

    "Und die Trägerschaft, die wir auch als eine politische Verantwortung sehen, möchten wir gerne in die Domowina überführen, sodass wir die Domowina in ihrer Grundaufgabe, das heißt, die politische Vertretung und auch die Verpflichtung gegenüber dem sorbischen Volk damit auch stärken."

    Von dieser Umgestaltung hält die Leiterin des Domowina-Verlages, der organisatorisch bisher vom Dachverband unabhängig ist, nichts. Maria Matschie will gerade diese Unabhängigkeit weiterhin gewahrt sehen.

    "Es gibt immer wieder Situationen, wo natürlich auch der Verlag, speziell die Zeitung, kritisch gegenüber der sorbischen Öffentlichkeit auftreten muss. Und in diesem Zusammenhang gibt es immer wieder auch Auseinandersetzungen."

    Seit seiner Gründung 1958 hat das Editionshaus 3500 Publikationen veröffentlicht. Von der Belletristik, Kinderliteratur über Sach- und Wörterbücher, Zeitungen und Zeitschriften, Schulbücher bis hin zur wissenschaftlichen Literatur - in Niedersorbisch, Obersorbisch und zu einem kleinen Anteil auch in deutscher Sprache. Der Vertrieb läuft über die verlagseigene Buchhandlung, auf den sorbischen Dörfern in Nebenverkaufsstellen und übers Internet. Aber auch hier reichen die 2,6 Millionen Euro jährlicher Zuwendung durch die Stiftung und die halbe Million Euro jährlicher Eigenerlös nicht mehr aus. Der Verlag will verstärkt im digitalen Bereich tätig werden, kann aber das dazu nötige System nicht anschaffen. Auch das Projekt, eine eigene Jugendzeitschrift zu veröffentlichen, liegt auf Eis. Für Maria Maci und ihre Mitarbeiter wird es damit immer schwerer, der Schlüsselrolle bei der Bewahrung des 450 Jahre alten Schrifttums, von Kultur und Sprache gerecht zu werden. Zum Glück, sagt sie, bringe ihr kleines Völkchen sehr viele Künstler hervor. Wie Kito Lorenc, dessen zeitgenössische Lyrik den Zustand der Sorben ihrer Ansicht nach exemplarisch widerspiegelt. So in seinem Gedicht "Wjers Poamzy" - "Auf einen Gruß":

    Auf einen Gruß
    Übern Hügel der Kirchsteg untergepflügt.
    Die einst der Himmel gegrüßt, die steinige Feldflur, versagt ihm den alten Dank.
    Sie schweigt erschöpft.
    Gerodet die Schatten der Hecke,
    wo die Winde schliefen und Vögel gewohnt.
    Der eherne Mund verschlossen.
    Achtet des Worts nicht, für das keine Hand birgt.
    Am Wegrand erstickt der Bach.
    Regen schwemmt fort die Krume.
    Es verweht sie der Sturm.
    Arme Erde.
    Nest ohne Lieder.
    Ach, Gott befohlen.


    An Schriftstellernachwuchs mangele es nicht, sagt die Verlagsleiterin. Aber an den Fördermöglichkeiten. Das liegt daran,

    "... dass es keine sorbischen Stipendien gibt. Denn man muss sich ja üblicherweise mit einer Manuskriptprobe bewerben und die muss man übersetzen. Aber eine Übersetzung ist nicht ein Originalstück. Die Forderung sorbischer Künstler nach Stipendien durch die Stiftung für das sorbische Volk existiert schon lange. Sie konnte bis jetzt einfach wegen fehlender finanzieller Möglichkeiten nicht erfüllt werden."

    Dabei geht es nicht um Unsummen. Matschie denkt hier an 50.000 Euro, mit denen jährlich etwa zwei Schriftstellern, zwei Malern und zwei Komponisten Raum und Zeit für Kreativität gegeben werden könnte. Es wäre ein kleiner, aber wichtiger Beitrag zum Überleben des Sorbentums. Und das liegt nicht nur im Interesse der Sorben selbst. Die Lausitz grenzt an Polen und Tschechien. Dies verleiht den Sorben eine Besonderheit, von der auch Deutschland schließlich mehr profitieren sollte, sagt David Statnik.

    "Wir haben hier zufällig im deutschsprachigen Raum noch eine slawische Minderheit, die es mit der zweisprachigen Erziehung auch ermöglicht, mit diesen Nachbarländern auch zu kommunizieren. Das heißt, wir sind hier eigentlich die europäische Brücke. Und als solche sehen wir uns auch, als Partner der deutschen Mehrheitsbevölkerung. Und das ist, denke ich, auch förderungswürdig."

    Im Bautzener "Knirpsenland" wird dies von den Jüngsten schon gelebt. Und auch, wenn die Sorben in Deutschland eine Minderheit sind, eigentlich gehören sie einer Mehrheit an: Zwei Drittel der Menschen auf diesem Planeten wachsen mindestens zweisprachig auf.