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Die soziale Frage mit der ökologischen verbinden

Die Linke macht sich auf Bundesebene für den Ausstieg aus Kohle- und Atomkraft stark. Und Caren Lay ist im Spitzenteam zur Bundestagswahl das politische Gesicht zur Energiewende: Ökologisch und bezahlbar auch für Geringverdiener soll diese sein.

Von Melanie Longerich | 28.08.2013
    Lay: "Der Streit um Nochten 2, der geht um die Fläche in diese Richtung." Grosser: "Ja."

    Ein Aussichtshäuschen am Rande des Tagebaus Nochten – ganz im Osten von Sachsen. Mitte August. Die stellvertretende Bundesvorsitzende der Linken, die Bundestagsabgeordnete Caren Lay, ist in ihrem Wahlkreis Bautzen unterwegs auf Sommertour. Abwechselnd blickt die blonde Frau im roten Blazer auf den Lageplan in ihrer Hand - und in die Mondlandschaft, die sich bis zum Horizont erstreckt. Um sie herum: Mitarbeiter von Vattenfall.

    Grosser: "Da können wir uns ja mal direkt hinwenden."
    Lay: "Ich hab‘s ja hier direkt vor Augen, ich hab‘s ihnen ja jetzt schon hingehalten."

    Uwe Grosser, Bergbau-Chef des Energiekonzerns in der Lausitz, müht sich redlich, die 40-Jährige zu einer großen Schautafel samt Plan des Tagebaus zu lotsen. Doch Caren Lay schaut unbeirrt weiter auf ihren eigenen:

    Grosser: "Genau."
    Lay: "Wir stehen jetzt, wenn ich es richtig sehe, hier irgendwo, ja?"
    Grosser: "Jaja, genau."
    Lay: "Ja, wir stehen genau hier, wo der Bergbau im Grunde gerade aktiv ist."

    Der Bergbauchef lächelt höflich, nickt. Er muss für die Braunkohle werben. Die Erweiterung des Tagebaus Nochten soll Ende des Jahres vom Sächsischen Landtag beschlossen werden. Ein umstrittenes Projekt. In Zeiten der Energiewende mehren sich auch in der Lausitz – dem ehemaligen Energiebezirk der DDR - die Stimmen, die hinterfragen, ob die Zukunft der Region wirklich noch in der Braunkohle liegen kann. Die Linke macht sich auf Bundesebene für den Ausstieg aus Kohle- und Atomkraft stark. Und Caren Lay ist im Spitzenteam zur Bundestagswahl das politische Gesicht zur Energiewende: Ökologisch und bezahlbar auch für Geringverdiener soll diese sein.

    Lay: "Sie machen doch im eigenen Unternehmen auch nen Energiemix, oder?"
    Grosser: "Ist richtig, dass neben der Braunkohle auch andere Energieformen notwendig sind. Aber das Einzige, wo richtig Geld verdient werden kann, um eine Region auch nach vorne zu bringen, ist die Braunkohle, alles andere müssen sie draufzahlen. Und das ist das Spannungsfeld, was die Politik in den nächsten Jahren aushalten muss."

    Caren Lay kennt in ihrem Wahlkreis die Positionen von Kohlegegnern und Kohlebefürwortern. Beide finden sich auch in ihrer Partei wieder. Sie zeigt zur Förderbrücke F60, die schon zu DDR-Zeiten Schutt und Sand abtransportierte. Darunter liegt das Kohleflöz:

    "Da sehen sie schon, was in unserer Organisation, welche unterschiedlichen Perspektiven da zusammenkommen. Also der Chef der F60 ist da ebenso organisiert wie einer, der sagt, mein Dorf soll abgebaggert werden. Diesen Prozess müssen wir natürlich auch irgendwie begleiten, und da Kompromisse finden."

    Kompromisse vor Ort: mit der Parteibasis, aber auch mit Vattenfall, dem größten Arbeitgeber der Region. Lay, die auch verbraucherpolitische Sprecherin ihrer Bundestagsfraktion ist, steht in der heißen Phase des Wahlkampfes vor einer Herausforderung: Einerseits darf sie den Dialog vor Ort mit dem Energieunternehmen nicht abbrechen lassen, andererseits fordert sie für ihre Partei, das "Strompreismonopol der Konzerne" zu brechen und mehr noch: die Energieversorger zu verstaatlichen.

    Rubich: "Unser Wahlergebnis haben wir halbiert, und deshalb bin ich dafür, dass das Wahlprogramm deutlicher unsere Sprache spricht. Es ist Klassenkampf. Und dann treten wir an."

    Rückblende. Berlin, Mitte März. Auf vier Regionalkonferenzen diskutieren die Genossen bundesweit einen ersten Entwurf des Wahlprogramms. Das Kalkül der Parteispitze: Wer mitreden darf, trägt auch Entscheidungen mit. Das Publikum in Berlin: Genossen aus den Ostverbänden - bunt gemischt: Gewerkschafter, Altkader, Studenten und Globalisierungskritiker. Caren Lay sitzt in der ersten Reihe und notiert mit, was der Rentner aus Marzahn seiner Parteispitze zu sagen hat: Während die Linke im Osten immer noch als Volkspartei gilt, in Brandenburg sogar in der Regierung sitzt, flog sie im Westen in den letzten zwei Jahren aus drei Landtagen raus: aus den Parlamenten von Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Bei der Bundestagswahl am 22. September geht es für die Linke nun um viel, nämlich um ihr gesamtdeutsches Profil. Vom guten Ergebnis der vergangenen Wahl – 2009 errang die Linke fast zwölf Prozent der Stimmen - hat man sich im Frühling schon lange verabschiedet. Die Parteibasis ist unzufrieden.

    "Wir haben in der Öffentlichkeit kein Profil im Gesundheitsbereich, wir haben kein Profil im Familienbereich, wir haben tolle Forderungen, aber wir sind kein Öffentlichkeitsfaktor."

    In Berlin sind die Nachwehen von Göttingen noch deutlich zu spüren. In Göttingen fand ein Jahr zuvor ein "Gewitterparteitag" statt. Denn dort verabschiedeten sich Gesine Lötzsch und Klaus Ernst von der Parteispitze. Und der Machtkampf um deren Nachfolge offenbarte den tiefen Bruch zwischen Gregor Gysi und Oskar Lafontaine, zwischen Ost und West, zwischen Realos und Fundis innerhalb der Linken. Um die politische Ausrichtung wird zwar seit der Fusion von WASG und PDS im Jahr 2007 gerungen; in Göttingen aber drohte der Partei sogar die Spaltung. Doch das will die Basis nicht, auf der Regionalkonferenz in Berlin wird das gesamtdeutsche Profil beschworen. Das neue Duo an der Spitze, die 35-jährige Katja Kipping aus Sachsen und der 59-jährige Schwabe Bernd Riexinger, lädt alle zur Diskussion über das Wahlprogramm ein. Caren Lay unterstützt sie dabei:

    "Nichts ist in Stein gemeißelt. Das, was jetzt als Vorschlag der Vorsitzenden auf dem Tisch liegt, das soll und darf diskutiert werden, das soll und darf kritisiert werden und vor allem soll und darf es ergänzt werden."

    Ergänzt um Nuancen, denn im Programm sind die wichtigsten Punkte vom Parteivorstand längst gesetzt: Den Hartz-IV-Regelsatz will die Linke auf 500 Euro erhöhen. Beim gesetzlichen Mindestlohn fordert sie zehn Euro pro Stunde und eine Mindestrente von 1050 Euro. Das Renteneintrittsalter soll zudem wieder auf 65 Jahre gesenkt und die Ost- an die Westrente angeglichen werden. Zudem will die Linke mittlere und niedrige Einkommen steuerlich entlasten und das Familiensplitting abschaffen. Finanzieren will sie die Mehrausgaben u. a. mit einer Millionärssteuer und einem Spitzensteuersatz von 53 Prozent. Umverteilen von oben nach unten. Das ist das Ziel der Linken.

    Caren Lay nutzt den Tag auf der Regionalkonferenz, um in einem kleinen Raum für ihr persönliches Anliegen zu werben:

    "Mir wäre es wichtig, wenn wir das Thema Ökologie – auch wenn es nicht unser Kernthema ist – prominent in unserem Wahlprogramm verankern. Anders als die Grünen wollen wir ja die soziale Frage mit der ökologischen miteinander verbinden. Wir machen in unserer Ökologiepolitik auch eine ganz klare Kritik an den Konzernen auf. Wer profitiert eigentlich von den hohen Strompreisen? Also insofern haben wir als Linke auch einen spezifischen Zugang zu ökologischen Fragen."

    Lay will jedem Haushalt 300 Kilowattstunden Strom kostenlos zur Verfügung stellen, zudem soll es eine Abwrackprämie für energieintensive Haushaltsgeräte geben. Bislang verbinden Wähler die Linke nicht mit Ökologie. Selbst viele Genossen halten das "für grünes Zeug", kritisiert sie. Doch "dieses grüne Zeug" soll der Linkspartei helfen, ihr Profil zu erweitern, um auch für bislang grüne Wähler interessant zu sein. Die gebürtige Rheinlandpfälzerin ist selbst das beste Beispiel dafür: Caren Lay ging schon als Schülerin gegen Atomkraft und für Frieden auf die Straße. Nach ihrem Studium in den USA und Berlin und ihrem Abschluss in Soziologie arbeitete sie kurz als Referentin in der sächsischen PDS-Fraktion, bevor sie Redenschreiberin im Verbraucherschutzministerium der Grünen Renate Künast wurde. 2004 zog es sie dann selbst in die Politik – aber nicht für die Grünen:

    "Für mich war es so, dass mir die Grünen in einigen Punkten zu angepasst waren, gerade bei den Entscheidungen für Kriegseinsätze. Aber es war schon auch so, dass die Agenda 2010 den entscheidenden Wendepunkt bedeutet hat. Wo ich es auch nicht verstehen konnte, wie eine Partei, die für sich beansprucht, eigentlich aus der 68er-Bewegung zu kommen, die soziale Frage plötzlich links liegen lässt."

    Caren Lay entschied sich für die PDS. Für die saß sie ab 2004 im sächsischen Landtag und wurde 2009 für die Linke erstmals in den Bundestag gewählt – mit 25,2 Prozent der Erststimmen. Caren Lay – eine Wossi, also Wessi und Ossi in einer Person. Ein Vorbild für die ganze Partei. Die Kipping-Vertraute steht für den pragmatischen Flügel. Eine rot-rot-grüne Koalition auf Bundesebene aber ist für sie eine eher langfristige Option. Sie findet es gut, dass die Linke wieder anfängt, über diese Konstellation nachzudenken. Als Oskar Lafontaine noch an der Parteispitze stand, war dieses Nachdenken über eine Regierungsbeteiligung nicht möglich. Im Bundestag hat Lay sich anfangs auch im rot-rot-grünen Gesprächskreis engagiert, im sogenannten R-Zwo-G. Weil Rot-Grün kein großes Interesse zeigt, dümpelt dieser Gesprächskreis derzeit vor sich hin, doch nach Lays Ansicht könnte man ihn in der neuen Legislaturperiode wieder reaktivieren. Im Wahlkampf aber muss die stellvertretende Vorsitzende zur politischen Konkurrenz Distanz wahren. Zumal sie zum achtköpfigen Team rund um Spitzenkandidat Gregor Gysi zählt.

    "Faktisch ist es ja so etwas wie Gysis bunte Truppe. Weil, es ist ja auch unstrittig, dass Gregor Gysi unser prominentester Politiker, unser bester Rhetoriker ist. Und das wird sich natürlich auch im Wahlkampf so niederschlagen. Er ist umgeben aber von vielen anderen Leuten, vielleicht auch von vielen Jüngeren, die ihre Kompetenzen auf diesem Fachgebiet mitbringen. Ich finde es eigentlich eine sehr schöne Lösung."

    Das Spitzenteam war ein Kompromiss; denn es ist ein offenes Geheimnis, dass Gysi sich im Vorfeld geweigert hatte, alleine mit Lafontaines Lebensgefährtin, und seiner eigenen Stellvertreterin, Sarah Wagenknecht, in den Wahlkampf zu ziehen. Weil Gysi seinem Widersacher Lafontaine diesen Triumph nicht gönnen wollte, hat der Fraktionschef noch junge Leute aus der zweiten Reihe um sich geschart, die sämtliche Flügel in der Partei abdecken. Dadurch erhofft sich die Linke einen moderneren Touch, was bitter nötig ist, denn wie andere Parteien auch hat sie Nachwuchssorgen: Das Durchschnittsalter der knapp 64.000 Mitglieder liegt bei 60 Jahren. Für die Jüngeren wie Caren Lay ist der Wechsel ins Rampenlicht gar nicht so einfach:

    "Es ist natürlich auch ein Druck. Das ist ja gar keine Frage, weil man natürlich auch mit der ganzen Person zur Wahl steht."

    "Damit der Mindestlohn wirklich kommt, damit es wirklich eine sanktionsfreie Mindestsicherung und eine Mindestrente von 1050 Euro gibt, damit die Rente wieder mit 65 beginnen kann, damit Wohnen und Strom bezahlbar bleiben, damit Millionäre und Konzerne couragiert zur Kasse gebeten werden, zum Beispiel für Kitas und Barrierefreiheit, für all das und noch viel mehr braucht es weiter eine starke Linke im Bundestag. Also ziehen wir in den Wahlkampf. 100 Prozent sozial! Danke."

    15. Juni, Parteitag in Dresden. Selbstbewusst und kämpferisch schwört die junge Vorsitzende Katja Kipping ihre Partei auf den Wahlkampf ein. "100 Prozent sozial" ist das Wahlprogramm überschrieben. In der folgenden Nacht wird es mit großer Mehrheit angenommen werden. Ein Erfolg für die Parteispitze, die sich mit ihrem Entwurf weitestgehend durchsetzen konnte. Auch ihr Plan ist aufgegangen: Harmonie pur. Selbst beim einzig heiklen Thema – der Stellung der Linken zum Euro. Im Vorfeld des Parteitags hatte Ex-Parteichef Lafontaine mit provokanten Thesen zum Euro quergeschossen, die europäische Gemeinschaftswährung als Fehlkonstruktion bezeichnet, die abgeschafft werden müsse. In Dresden aber schweigt der Saarländer, es herrscht Einigkeit – und im Programm bekennt sich die Linke nun zum Euro. Fraktionschef Gregor Gysi zeigt sich sichtlich zufrieden:

    "Und zwar liegt das daran, dass wir seitdem, wie ich finde, eine gute Entwicklung genommen haben. Unterschiedliche Teile unserer Partei haben endlich begriffen, dass sie aufeinander angewiesen sind."

    Auch Caren Lay wirkt in Dresden sehr entspannt. In Sachsen wurde sie zuvor auf den fünften Platz der Landesliste gewählt, ein sicherer Platz. Auf dem Bundesparteitag ist also Muse zum kuscheln. Denn auch in den Umfragen geht es aufwärts; aktuell scheint der Linken mit acht bis neun Prozent der Wählerstimmen der Wiedereinzug in den Bundestag sicher. Lay hat Zeit, alte Wegbegleiter vor der Parteitagshalle zu treffen. Rainer Harbarth zum Beispiel. Der 69-Jährige sitzt im Zittauer Stadtrat. Als Offizier bei der Nationalen Volksarmee war er schon in der SED.

    Lay: "So. Oh Gott, oh Gott was hast Du gesagt."
    Habarth: "Prinzipiell habe ich nur Gutes gesagt."
    Lay: "Die Kritik willst Du jetzt in meiner Anwesenheit loslassen."
    Habarth: "Nein, nein nein, ich habe gesagt, dass Du am Anfang immer einen sehr unnahbaren Eindruck machst - so ein bisschen wie: Kommt mir ja nicht zu nahe - aber wenn man mit Dir näher in Kontakt ist, dass man in Dir einen guten Kameraden und einen exakten Arbeiter findet. Punkt."
    Lay: "Dankeschön."

    Caren Lay kneift in der Sonne die Augen zusammen. Die Elbe glitzert. Als Westlinke, friedens- und Anti-Atomkraft-bewegte, in den Osten zu wechseln, wo viele Genossen schon Mitglieder der SED waren, sei nicht so einfach gewesen, erinnert sie sich: Deren Misstrauen und Ablehnung hätte sie anfangs fast körperlich gespürt.

    "Ich komm ja eher so aus diesen Bewegungen heraus, da hat es dann manchmal natürlich auch Reibungspunkte gegeben. Wie macht man Politik? Und die Westlinke war natürlich auch aufgrund ihrer oder unserer Marginalisierung, weil wir nicht so eine große Rolle gespielt haben, hatte man natürlich schnell auch einen etwas aggressiveren Politikstil."

    Diesen aggressiveren Politikstil der Westlinken erlebe man oft auch heute noch auf Parteitagen, sagt sie. Rainer Harbarth nickt. Und trotzdem:

    "Wir sind alles linke Suchende. Ich war ja schon mal in einem angeblichen Sozialismus oder Kommunismus oder wie auch immer. Der hat den Bürgern nicht gefallen, also muss irgendetwas falsch gewesen sein. Also kann ich doch nicht sagen, ich will dahin zurück. Sie war da noch nicht, sie hat vielleicht davon mal geträumt, hat sich aber die DDR auch nicht vorgestellt. Also eigentlich stehen wir auf dem gleichen Punkt und suchen."

    Suchende? Wonach? Lay und Harbarth schauen sich an:

    Lay: "Na, da bin ich ganz klassisch bei Rosa Luxemburg nach einer Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung, nach einer Gesellschaft der Freien und Gleichen."
    Harbarth: "Und da schwingen wir gleich."

    Caren Lay habe vieles bei der Ostlinken gelernt. Pragmatismus etwa. Deshalb habe sie sich als Bundestagsabgeordnete auch in einem Ost-Wahlkreis engagiert. Ihren politischen Stil hat das verändert:

    "Nämlich dahin gehend, dass außerparlamentarischer Protest das eine ist, dass wir aber gleichzeitig auch eine parlamentarische Verankerung brauchen und natürlich auch in der Pflicht sind, ganz konkrete Sachen zu sagen, wie wir es anders machen wollen. Nicht nur zu sagen, wo sind wir dagegen, sondern auch, wofür stehen wir auch."

    Protestpartei oder Regierungsverantwortung: Die Linke hat dieses Dilemma für sich noch nicht gelöst. Denn wenn sie in der Verantwortung steht – wie in Berlin bis 2011 in einer rot-roten Koalition oder in NRW bis 2012 als Dulder einer rot-grünen Minderheitsregierung – wandten sich ihre Wähler wieder ab. Weil die Partei viele ihrer Versprechen nicht einlösen konnte, etwa ein vergünstigtes Sozialticket für Bus und Bahn. Trotzdem sei für die Linke die Rückkehr zu einer Regionalpartei Ost keine Option, unterstreicht Caren Lay: Nur als gesamtdeutsche Linke wird die Partei wahrgenommen.

    "Zwei Cappuccino bitte, zum Hiertrinken."

    Berlin. Ende Juni. Der Bundestagsausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz tagt zum letzten Mal. Ein bisschen wehmütig ist Caren Lay, als sie sich danach an einen Barhocker in der Cafeteria lehnt. Viele in der Partei hätten ihr anfangs gesagt, wenn sie Karriere machen will, dann habe sie mit der Spezialisierung auf Verbraucherpolitik keine Chance. Das Thema wurde lange von den Parteien nicht ernst genommen, schon gar nicht von ihrer eigenen:

    "Es gibt Vorbehalte, ideologischer Art, gegenüber dem Begriff Verbraucherinnen und Verbraucher, weil man sagt, das ist ja die böse Konsumwelt, das ist doch der Kapitalismus in seiner ganzen illusionären Erscheinungsform. Aber wenn man sich am Anfang so schwer damit getan hat, darf man sich natürlich auch nicht wundern, dass einen dort andere überholen."

    Mittlerweile ist der Verbraucherschutz für die Linke zur festen Größe geworden: Die Begrenzung von Dispozinsen oder die gerade im Ausschuss abgeschlossene Diskussion um das Anti-Abzocke-Gesetz – sind für die linke Wählerklientel wichtige Themen. Nach vier Jahren im Bundestag wundert sich die Abgeordnete über nichts mehr: Seit Kurzem, klagt sie, klaut sogar der CDU ihre politischen Positionen. Bestes Beispiel: die Strompreisbremse.

    "Das gehört dann zu den frustrierenden Erfahrungen, die man macht, unsere Anträge wurden dann im Dunkeln der Nacht um 19 Uhr diskutiert. Dann sind nur noch die Fachpolitiker da, die dann sagen, was für ein Unsinn die Linken wollen, diese staatssozialistischen Ansätze, und es bedarf dann leider prominenteren Akteuren, wie beispielsweise dem Bundesumweltminister Altmaier, ein Thema zu dem wir seit vielen Jahren fachpolitisch arbeiten, um das wirklich auch dann zu einem wahlkampfrelevanten Thema zu machen. Dazu reicht dann meine Macht und Prominenz nicht aus."

    Ideenklau, Caren Lay trägt es mit Fassung. Doch die Linke kämpft mit einem zusätzlichen Problem: Auf vielen Themengebieten trauen ihr die Wähler wenig zu; und wenn sie links wählen, dann oft lieber SPD oder Grüne. Noch immer kämpft Lays Partei mit dem Schmuddel-Image, mit dem Vorurteil, dass viele Mitglieder wenig übrig haben für den demokratischen Verfassungsstaat. Die Abgeordnete hebt etwas genervt die Schultern. Das brauche eben Zeit, sagt sie.

    "Ich bin gerne auch in meiner Freizeit in der Lausitz unterwegs."

    Zurück in die Lausitz. An den Rand des Tagebaus Nochten. Dort, wo die Kohle ausgebaggert worden ist, entstehen langsam wieder Landschaften. Eine kurze Verschnaufpause für Caren Lay. Nach den kontroversen Diskussionen um den Tagebau ist die Stimmung wieder versöhnlich. Bergbauchef Uwe Grosser wagt einen Flirt:

    Grosser: "Nymphenbaum: Der hat so eine Rotfärbung, wie sie die Jacke anhaben. Das wäre für die Linke der richtige Baum."
    Lay: "Das werde ich mir jetzt gleich mal merken."

    In den letzten Tagen des Wahlkampfs wird sich Caren Lay noch viel merken müssen. Gespräche mit Bürgerinitiativen, Talkrunden mit Polit-Prominenz, Wahlkampfreden in der ganzen Republik. Auf Dauer, da ist Caren Lay optimistisch, werden SPD und Grüne an der Linken nicht vorbeikommen. Vor allem die Sozialdemokraten nicht:

    "Wir haben auch Differenzen, aber wir haben auch Schnittmengen, über die man sich verständigen könnte."

    Eine rot-grüne Minderheitsregierung unter linker Tolerierung – wie in Nordrhein-Westfalen - ist für sie aber kein Thema. Ein Koalitionspartner zweiter Klasse will die Linke nicht sein. Caren Lay kann warten. Spätestens zur Bundestagswahl 2017 werden die Karten neu gemischt.