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"Die SPD versucht, ihre Arbeit zu machen"

Heiko Maas, Landesvorsitzender der SPD im Saarland und Spitzenkandidat seiner Partei für die Landtagswahlen im August, hat CDU und CSU vorgeworfen, die Arbeit der Großen Koalition permanent zu behindern. Es könne nicht sein, dass gerade angesichts der Wirtschafts- und Finanzkrise vernünftiges Regieren unmöglich gemacht werde.

Heiko Maas im Gespräch mit Elke Durak |
    Elke Durak: Der anhaltende und zum Teil recht persönlich geführte Streit zwischen den Partnern der Großen Koalition in Berlin lässt die Frage aufkommen, was diesen Zustand jetzt von einem Wahlkampf noch unterscheidet, oder ob wir uns entgegen allen Beteuerungen nicht doch längst in demselben befinden. Regieren oder wahlkämpfen, was ist jetzt angemessen? Und: Was haben die SPD-Linken auf ihrem Treffen gestern in Berlin besprochen, um ihrer Partei den nötigen Schubs zu verpassen, die Bundestagswahlen vielleicht doch noch zu gewinnen? - Am Telefon ist Heiko Maas, Landesvorsitzender der SPD im Saarland und Spitzenkandidat seiner Partei für die Landtagswahlen im August. Guten Morgen, Herr Maas.

    Heiko Maas: Guten Morgen!

    Durak: Vom Treffen der SPD-Linken, an dem Sie ja wohl teilgenommen haben, gestern war zu hören und zu lesen, die stellvertretende Vorsitzende Nahles sieht die SPD-Linke programmatisch vorn. Womit denn?

    Maas: Auch wenn Sie das überraschen wird, zunächst mal damit, dass wir gesagt haben, dass in dieser schwierigen Situation, in der wirtschaftlichen Krise, Antworten erwartet werden, dass die Regierung die geben muss, und das heißt erst mal, dass wir uns klar dafür ausgesprochen haben, bis zur Bundestagswahl zu regieren - das ist ja bei der Union, etwa in der CSU, nicht so überall anscheinend Stand der Dinge -, und dass es uns auch darum gehen wird, die angepackten Reformen, die Sicherung der sozialen Sicherungssysteme, aber auch dafür zu sorgen, dass es mehr soziale Gerechtigkeit gibt über die Erbschaftssteuer. Und ein anderes Thema, dass um die Finanzierung wichtiger öffentlicher Aufgaben, etwa das Thema Bildung, in Zukunft zu sichern man auch darüber nachdenken muss, im oberen Einkommensbereich über die Vermögenssteuer zum Beispiel die Einnahmen zu erhöhen, um die notwendigen Mittel zur Verfügung zu haben.

    Durak: Herr Maas, könnte die SPD am Ende Nutznießer der Krise sein?

    Maas: Ich glaube, die SPD will auf jeden Fall nicht Nutznießer der Krise sein, sondern die SPD versucht, ihre Arbeit zu machen und die wird uns in der Koalition im Moment sehr schwer gemacht. Wenn ich zum Beispiel daran denke, dass der bereits vollzogene Kompromiss zum Thema Jobcenter dann einseitig von der CDU-Bundestagsfraktion noch einmal gekündigt wurde oder die CSU dann anfängt, die Gesundheitsreform, die man gemeinsam beschlossen hat, wieder in Frage zu stellen, dann ist das ganz einfach schwierig und ich finde, dann hat die SPD auch das Recht, das deutlich zu sagen.

    Durak: Die ganze SPD, oder nur die SPD-Linke?

    Maas: Nein. Ich glaube, das tut die ganze SPD. Das ist ja das auch, was Franz Müntefering in den letzten Tagen immer wieder gesagt hat: Wir brauchen eine vernünftige Grundlage in der Koalition, um zu regieren, gerade auch jetzt in der Krise. Da kann es nicht sein, dass die Streitereien, die es zwischen CSU und CDU gibt, permanent die Arbeit behindern.

    Durak: Streitereien gibt es, vielleicht auch innerhalb der SPD. Kanzlerkandidat Steinmeier hat am Wochenende zu Mäßigung aufgerufen. Es sei zu früh, den Wahlkampf auszurufen, in der Krise müssen wir regieren. Da sind Sie ja d'acord. Aber gerade Müntefering, den Sie eben erwähnt haben, der SPD-Vorsitzende, greift unverdrossen die Kanzlerin an. Sie führe nicht, sie mache zu wenig Druck, sie schaue zu lange zu, sie handle nicht schnell genug, wo es Not tut. Wird Müntefering zum Problem der SPD?

    Maas: Nein, ganz im Gegenteil, denn Franz Müntefering weist ja darauf hin, dass die Grundlagen innerhalb der Großen Koalition in Frage gestellt worden sind, und das geht nun einmal aus Sicht der SPD zumindest nur, indem man das, was man gemeinsam beschlossen hat, auch umsetzt. Das war zum Beispiel bei den Jobcentern nicht so, jetzt wird es bei der Gesundheitsreform über den Gesundheitsfonds noch einmal in Frage gestellt, und das ist keine Grundlage für ein vernünftiges Regieren, zumal in dieser Krise. Und wenn der SPD-Vorsitzende das sagt, dann hat er damit eindeutig Recht.

    Durak: Das heißt, da ist vielleicht eine Aufgabenteilung zwischen Steinmeier und Müntefering im Gange?

    Maas: Nein! Ich meine, beide meinen das Gleiche.

    Durak: Aber sie sagen nicht das Gleiche!

    Maas: Na ja, Franz Müntefering sagt ja, indem er von Frau Merkel mehr Führung verlangt, im Grunde genommen auch, er will bessere Zusammenarbeit in der Großen Koalition und dafür müssen halt nun mal auf Seiten der Union ein paar Aufgaben erfüllt werden. Frank-Walter Steinmeier sagt, das muss halt funktionieren in der Krise, das Regieren, und damit geht beides in die gleiche Richtung.

    Durak: Der Eindruck nach außen sieht aber so aus: der Diplomat Steinmeier auf der einen Seite und Müntefering keilt.

    Maas: Es mag sein, dass die Funktion des Vizekanzlers und Außenministers eine andere ist als die des Parteivorsitzenden, aber das ist, glaube ich, in anderen Parteien nicht viel anders.

    Durak: Die Probleme in der Großen Koalition, wirken die sich nachteilig für Ihre Partei im Saarland aus?

    Maas: Nein. Das kann ich im Moment zumindest so nicht feststellen. Im Saarland werden die gleichen Fragen gestellt wie in Deutschland insgesamt. Wir haben mittlerweile die höchste Kurzarbeiterquote in ganz Deutschland. Das heißt, wir und die Menschen, die da wohnen, sind angewiesen darauf, dass die Krise bestmöglich gelöst wird und dass so viele Arbeitsplätze wie möglich gesichert werden, und ich glaube, den Leuten ist das eindeutig am wichtigsten, das erwarten sie auch von der Politik.

    Durak: Herr Maas, bleiben Sie eigentlich bei Ihrem Wort, nicht unter Lafontaine in die Regierung zu gehen?

    Maas: Warum sollte ich nicht dabei bleiben?

    Durak: Ich frage nur!

    Maas: Ja.

    Durak: Ab und zu muss man noch mal nachfragen.

    Maas: Genau. Es bleibt dabei.

    Durak: Was unterscheidet eigentlich einen SPD-Linken von einem SPD-Rechten?

    Maas: Das muss man sich angucken, wer was vertritt. Wir vertreten zum Beispiel im Saarland eine Politik in der Bildungspolitik für Ganztagsschulen, für mehr individuelle Förderung dafür, dass die soziale Auslese in den Schulen beendet sein wird. Wir legen ein Programm vor für den Strukturwandel mit dem Innovationsschwerpunkt Energieeffizienz und so weiter. Das sind alles Angebote, die wir da machen. Bei den Linken sehe ich da wenig. Ich sehe nur, dass etwa Die Linke im Saarland dafür eintritt - -

    Durak: Nein, nein! Entschuldigung, Herr Maas, Sie haben mich jetzt völlig falsch verstanden. Ich habe nach Unterschied zwischen SPD-Linken und SPD-Rechten gefragt, weil die SPD-Linken gestern extra getagt haben.

    Maas: Ja. Im Moment ist zumindest innerparteilich dort eine große Geschlossenheit zu erkennen. Dass es da Unterschiede gibt etwa in der Außen- und Sicherheitspolitik, in der Sozialpolitik, das ist so, das wird auch so bleiben, das halte ich auch ganz für nicht problematisch. Das ist Reibung und aus dieser Reibung soll sich Hitze und Fortschritt entwickeln.

    Durak: Wie groß sind denn diese Unterschiede, frage ich jetzt mal ängstlich?

    Maas: Die sind nicht größer, als sie immer gewesen sind und als sie sonst auch gewesen sind. Ich glaube, im Moment gibt es sogar eher das Bedürfnis, nicht über die Unterschiede, sondern über die Gemeinsamkeiten zu diskutieren und diese auch öffentlich zu kommunizieren. Aber das ist, glaube ich, auch ganz üblich für eine Partei, die sich im Wahlkampf befindet.

    Durak: Herr Maas, es sind nur noch sechs Sitzungswochen des Bundestages bis zur Wahl im Herbst, wird immer wieder betont. Das heißt, es wird Druck gemacht. Die Krise allerdings geht nicht in die Sommerpause. Darf sich die Politik in einer solchen Situation abmelden?

    Maas: Ich glaube, dass sich die Politik nicht abmeldet in der Sommerpause, völlig unabhängig davon, ob es sitzungsfreie Zeit gibt oder nicht, oder ob Wahlkampf ist oder nicht. Wir befinden uns in einer schwierigen Krise und in dieser sind wir täglich gefordert, ganz unabhängig davon, was der Sitzungsplan des Bundestages vorsieht.

    Durak: Ein kleines Wort zum Schluss. Man darf eigentlich keinen SPD-Politiker heute Morgen interviewen, ohne ihn zur Causa Mehdorn zu befragen. Würden Sie uns Ihre Meinung dazu nennen? Soll er weg?

    Maas: Ich finde, das ganze soll ja jetzt irgendwie abschließend geprüft werden, das soll in diesen Tagen fertig sein, und da es sowieso nichts nützt, Herrn Mehdorn ständig aufzufordern zurückzutreten und er tritt nicht zurück, finde ich, sollte man diese Prüfung abwarten. Wenn die Vorwürfe sich bestätigen, wird Herr Mehdorn sicherlich nicht zu halten sein.

    Durak: Danke schön. - Heiko Maas, Landesvorsitzender der SPD im Saarland und Spitzenkandidat seiner Partei für die Landtagswahlen im August. Danke, Herr Maas, und einen schönen Tag.

    Maas: Danke auch.