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Die Staatsanleihe als geldpolitische Waffe

Die Europäische Zentralbank kauft Staatsanleihen vieler krisengebeutelter EU-Staaten auf, für die sich keine anderen Käufer finden. Wird die EZB 2012 weiter gehen und Staatsanleihen unbegrenzt aufkaufen? Das wäre ein Tabubruch.

Von Michael Braun | 02.01.2012
    Es passte ziemlich genau: Rund 270 Milliarden Euro müssen die Euroland-Banken in diesem Frühjahr refinanzieren: Alte Bankanleihen laufen aus. Ob neue gezeichnet werden, ist offen. Es drohte eine Liquiditätsklemme bei den Banken. Aber die EZB hatte es kommen sehen und kurz vor Weihnachten die Banken großzügig mit Geld versorgt: ein Prozent Zinsen für drei Jahre. Die Banken nutzten die Chance, auch kürzer laufende Kredite bei der EZB zu beenden und durch das drei Jahre laufende Geschäft zu ersetzen. So wuchs das auf fast 500 Milliarden Euro an. Für Februar hat die EZB noch ein zweites solches Geschäft angekündigt. Sollten die Banken Angst haben, den Geldkreislauf zwischen Investoren, Banken und Kreditnehmern nicht in Gang halten zu können - diese Sorge sollte ihnen die EZB genommen haben. Ob die Banken das Geld zum Beispiel für neue Staatsanleihen ausgeben, ist freilich offen. Wahrscheinlicher ist, dass sie es bloß bunkern. Das vermutet Jan Schildbach, Finanzmarktanalyst von DB Research:

    "Da wäre ich etwas skeptisch. Also vermutlich sind die Banken mit Blick auf Staatsanleihen weiterhin sehr zurückhaltend. Bei dem jüngsten Stresstest der Europäischen Bankenaufsicht sind Staatsanleihen natürlich einer der Faktoren gewesen, die die Banken zu einem höheren Kapitalbedarf gebracht haben. Das heißt: Generell wird, gerade mit Blick auf die Peripheriestaaten, die Neigung der Banken, mehr Staatsanleihen zu kaufen, gering bleiben."

    Daraus ergibt sich die größte Sorge der EZB im neuen Jahr: Wenn Staaten kein neues Geld bekommen, womöglich gar alte Anleihen nicht mehr durch neue ersetzen können, wenn also die Insolvenz eines Staates droht und die europäischen Rettungsmechanismen noch nicht funktionieren, dann werden wohl alle wieder auf die EZB zeigen und sie zum Aufkauf von Staatsanleihen drängen. EZB-Präsident Mario Draghi hatte das bislang abgelehnt, auch mit dem Hinweis, dass solche Aufkaufaktionen der EZB vertraglich verboten seien:

    "”We have a treaty which says: no monetary financing to governments.”"

    Auch professionelle Beobachter der Geldpolitik raten der EZB, sich vertragskonform zu verhalten und die langfristigen Folgen einer expansiven Geldpolitik, Inflation, nicht zu vergessen. Rolf Schneider, Volkswirt bei der Allianz:

    "Also ich glaube, es wäre nicht sinnvoll, wenn sie unbegrenzt Staatsanleihen kaufen würde. Das ist nicht ihre Aufgabe. Das steht nicht in ihren Grundlagen. Das kann sie eigentlich nur in beschränktem Umfang machen, um eben den Übertragungsmechanismus in der Geldpolitik, der derzeit nicht richtig funktioniert, wieder funktionsfähig zu machen. Und so versteht sie auch ihren Auftrag. Ich glaube nicht, dass der unbegrenzte Aufkauf von Staatsanleihen der richtige Weg ist."

    Wie die EZB agieren wird, dürfte auch von ihrem neuen Chefvolkswirt abhängen. Sein Vorgänger Jürgen Stark war wegen zu laxer Geldpolitik zurückgetreten. Jetzt kommt mit Jörg Asmussen, dem bisherigen Staatssekretär im Finanzministerium, eine neue Generation. Asmussen, seit Jahren erfahrener Krisenmanager, hat sich bisher vor allem grundsätzlich geäußert und dabei den Eindruck erzeugt, nicht an laxer, sondern an nachhaltiger Geldpolitik mitarbeiten zu wollen:

    "Wie für Private gilt auch für Staaten: Wir müssen erkennen, dass wir durch immer mehr Schulden allenfalls eine Illusion von Wohlstand, eine Illusion von Größe schaffen können."

    Jörg Asmussen kennt Bundesbankpräsident Jens Weidmann gut aus dessen Zeit im Kanzleramt. Sie duzen sich. Ob Jens und Jörg gemeinsam für Stabilität kämpfen werden, wie es Asmussen angekündigt hat, das wird man sehen.