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Die steirische Eiche wankt

Nach zwei Amtszeiten als kalifornischer Governator gibt Arnold Schwarzenegger in "The Last Stand" einen Kleinstadtsheriff. Vielleicht hätte er in der Politik bleiben sollen. Herausragend schildert dagegen David Sieveking die Demenz seiner Mutter. Und "The Impossible" setzt mit gnadenlosem Realismus eine der schlimmsten Naturkatastrophen der letzten Jahrzehnte in Szene.

Von Jörg Albrecht | 30.01.2013
    "The Impossible" von Juan Antonio Bayona

    Der 26. Dezember 2004 ist ein sonniger Tag. Die Bennetts liegen am Hotelpool. Die britische Familie – Vater, Mutter, drei Söhne – verbringt die Weihnachtsferien auf der thailändischen Insel Phuket. Ein dumpfes Grollen kündigt die Katastrophe an. Wenige Sekunden später trifft eine Riesenwelle auf die Küste und reißt alles mit sich, was sich ihr in den Weg stellt.

    "Nimm die Jungs! – Lucas!"

    Wer erinnert sich nicht an die Handy-Aufnahmen von Augenzeugen, die einen Eindruck von der zerstörerischen Kraft des Wassers vermittelt haben? Statt der unscharfen Wackelbilder gibt es den Tsunami und seine Folgen jetzt in einer tricktechnischen Brillanz zu sehen, die einen minutenlang in Staunen versetzt. Gleichzeitig aber kommt auch ein ungutes, ja beschämendes Gefühl auf: Das Gefühl nämlich von Katastrophentourismus aus der sicheren Entfernung des Kinosessels. Zunächst folgt "The Impossible" den Erlebnissen der von Naomi Watts gespielten Maria Bennett und ihres ältesten Sohns Lucas. Beide sind von der Welle ins Landesinnere gespült worden und kämpfen völlig erschöpft ums Überleben.

    "Hast du das gehört? ... Wir dürfen nichts riskieren, Mom! Komm doch jetzt! – Was wenn dieses Kind Simon wäre oder Thomas? – Simon und Thomas sind tot."

    Die Tour de Force für Mutter und Sohn geht auch nach ihrer Rettung noch weiter. In dem Krankenhaus, in das sie gebracht werden, herrschen chaotische Zustände. Regisseur Juan Antonio Bayona und vor allem das eindrucksvolle physische Spiel von Naomi Watts ersparen dem Zuschauer nichts. "The Impossible" ist die Chronologie einer Katastrophe aus der Sicht einer Familie. Eine Geschichte, die auf wahren Begebenheiten basiert und die nach der Hälfte das Geschehen aus der Perspektive des von Ewan McGregor gespielten Familienvaters schildert.

    " ... Als Ersten fand ich meinen mittleren Sohn Thomas. Er war oben auf einem hohen Baum. ... Und dann fand ich meinen Jüngsten – Simon. ... Ich will weiter nach meiner Frau und meinem anderen Sohn suchen. …."

    Spätestens jetzt bekommt der Film den unvermeidlichen sentimentalen Anstrich. Die nervenaufreibende Odyssee einer voneinander getrennten Familie ist aber weit weniger rührselig und pathetisch geraten, als man dies befürchten musste. "The Impossible" ist ein Film über Willenskraft, über Liebe und Hoffnung. Und es ist der unfassbare Realismus, der hier ein intensives Kinoerlebnis verspricht und den Film letztlich empfehlenswert macht.

    "The Last Stand" von Jee-woon Kim

    "Ich werde nicht zulassen, dass dieser Typ durch unsere Stadt fährt, ohne mich zu wehren. … Sie brauchen meine Hilfe. – Ich ernenne dich hiermit zum Deputy. ..."

    Mit Gehilfen, aber noch ohne Geh-Hilfe gibt Arnold Schwarzenegger sein Comeback als Actionheld. Und mit seinen 65 Jahren darf dann auch die Frage erlaubt sein:

    "Wie fühlen Sie sich, Sheriff? – Alt."

    Das Kokettieren mit dem Alter gehört natürlich zum Repertoire aller in die Jahre gekommenen Haudegen und ist auch hier für einen Schmunzler gut. Doch wenn das dazugehörige Actionspektakel seine Durchschnittlichkeit mit überdurchschnittlich viel Brutalität zu überdecken versucht, gehen Selbstironie und Charme schnell flöten. Und so ballert sich Arnie als Kleinstadtsheriff im Kampf gegen einen Drogenboss hüftsteif und wortkarg wie eh und je durch ein spannungsarmes, enttäuschendes Comeback, das in den US-Kinos schon grandios gefloppt ist.

    "Vergiss mein nicht" von David Sieveking

    "Seit meinem letzten Besuch in Bad Homburg ist meine Mutter sehr verändert. Ich weiß gar nicht, wie ich mich verhalten soll. ..."

    Der Filmemacher David Sieveking zieht wieder zuhause bei seinen Eltern ein. Sieveking, positiv aufgefallen vor drei Jahren mit seiner erfrischenden Dokumentation "David Wants to Fly" über sein Idol, den Regisseur David Lynch, hat erneut einen ganz persönlichen Film gedreht. "Vergiss mein nicht" ist ein Porträt seiner Mutter Gretel, die an Alzheimer erkrankt ist und deren Zustand sich weiter verschlechtert hat.

    "Dann guck ich mir das an und dann kann ich nach Hause gehen. … Aber eigentlich bist du ja hier zu Hause. – Hier? Keine Ahnung. Hier war ich noch nie."

    Schritt für Schritt hat sich Gretel in eine eigene Welt zurückgezogen. Ihr bisheriges Leben existiert nicht mehr, vergessen sind die gewohnten Tagesabläufe. Ein kräftezehrendes Programm für alle Beteiligten – allen voran für Ehemann Malte. Trotz der mit Alzheimer verbundenen Probleme und Frustrationen erzählt "Vergiss mein nicht" auch von der Chance sich täglich neu zu entdecken. Neben vielen berührenden, nie aber rührseligen Momenten entstehen auch komische Situationen.

    "Du bist meine Mutter. – Ich dachte, du seist der Vater. – Ich bin David. – Du bist die Mutter? – Nein. Ich bin der Sohn. – Jetzt komm ich überhaupt nicht mehr hin."

    David Sieveking hat seine Mutter bis zu ihrem Tod im vergangenen Februar mit der Kamera begleitet. "Vergiss mein nicht" ist kein deprimierendes Krankendrama geworden, sondern ein großartiger Liebesfilm. Herausragend!
    Henry (Ewan McGregor) und seine beiden Söhne Simon (Oaklee Pendergast, rechts) und Thomas (Samuel Joslin) in einer Szene des Films "The Impossible"
    Unfassbarer Realismus: Ewan McGregor (M.) im Tsunami-Drama "The Impossible" (picture alliance / dpa / Concorde Filmverleih)
    Der Regisseur David Sieveking mit dem Hessischen Film- und Kinopreis 2012 in der Kategorie Dokumentarfilm für sein Werk "Vergiss mein nicht"
    Für "Vergiss mein nicht" erhielt David Sieveking 2012 den Hessischen Film- und Kinopreis (picture alliance / dpa / Nicolas Armer)