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Die Theorie ist grau, der Wald ist grün

Er war der große Reformator auf dem Gebiet der Forstwissenschaften: Friedrich Wilhelm Leopold Pfeil. Als erster Ökologe seiner Zeit entwickelte er neue Methoden zum Aufforsten der Wälder. Dabei war das Prinzip der Nachhaltigkeit für ihn ökonomische und ethische Richtlinie zugleich. Vor 225 Jahren wurde der Förster und Theoretiker des Waldes geboren.

Von Agnes Steinbauer | 28.03.2008
    "Fragt die Bäume, wie sie erzogen sein wollen. Sie werden Euch besser darüber belehren, als es die Bücher thun."

    Dieser Kernsatz von Friedrich Wilhelm Leopold Pfeil steht für eine "Revolution" in Wald und Flur. Bis heute gilt der berühmte Forstmann als Vater der nachhaltigen Waldwirtschaft - weiß Albrecht Milnik, Biograf und Forsthistoriker:

    "Pfeil hatte den schlechten Zustand der Forsten erkannt. Er hat dazu beigetragen, dass mit großer Intensität die Wälder wieder in Ordnung gebracht wurden. Er war der Erste, der den Zusammenhang zwischen Forstwirtschaft und Volkswirtschaft dargestellt hat."

    "Der Einfluss des Örtlichen" - die Lehre vom Standort und neue Methoden zur Verjüngung des Waldes beschäftigten den Vielschreiber Pfeil ein Leben lang. Dazu ließ er - ein Novum zu seiner Zeit - 3000 Probebohrungen vornehmen und Karten über die Beschaffenheit der Waldböden in der brandenburgischen Försterei Chorin anfertigen.

    "Er war ausgestattet mit einer außerordentlichen Beobachtungsgabe. Er blickte tiefer, als die Mehrheit seiner Zeitgenossen, und er erkannte die Abhängigkeit der Waldbehandlung von dem forstlichen Standort, also vom Boden oder vom Klima. Vorher hat man mit Generalregeln gearbeitet, hat den Förstern ein Schema mit auf den Weg gegeben."

    Das Ergebnis war ein katastrophaler Kahlschlag. Riesige Brachen ließen etwa in Brandenburg den Boden versanden. Der wichtigste Rohstoff dieser Zeit wurde knapp. Um 1800 brauchte man Holz in allen Lebensbereichen: als Baumaterial, zum Heizen, als Rohstoff für die aufkommende Industrialisierung.
    "Und da begann das große forstliche Aufbauwerk. Das 19. Jahrhundert hat das vor allen Dingen geleistet, dass man die Reste des schlechten Waldes abgeholzt hat und neu aufgeforstet in großem Umfang."

    Theoretische und praktische Grundlagen dazu lieferte Wilhelm Pfeil. Neben Georg Ludwig Hartig oder Heinrich Cotta gehörte er zu den führenden Forstwissenschaftlern seiner Zeit. Geboren am 28. März 1783 in Rammelburg im Harz, sollte der Sohn einer angesehenen Bürgerfamilie wie sein Vater Jurist werden. Dessen früher Tod zwang Pfeil jedoch, seine Schulausbildung abzubrechen und eine Försterlehre im Harz zu beginnen.

    Seine erste Anstellung erhielt Wilhelm Pfeil am Hof des Fürsten Carolath-Beuthen. Dort war er für den Waldbesitz seines Dienstherrn in Schlesien zuständig. Autodidaktisch eignete er sich alles an, was damals über Forstwirtschaft bekannt war. Seine "Arbeitswut" war legendär.

    "Über die Ursachen des schlechten Zustandes der Forsten und die allein möglichen Mittel, ihn zu verbessern","

    hieß eine 1816 veröffentlichte Schrift, die in der Fachwelt Aufmerksamkeit erregte. Georg Ludwig Hartig setzte sich bei König Wilhelm III. dafür ein, dass Pfeil - auch ohne akademische Ausbildung - zum Direktor der Preußischen Forstakademie der Berliner Universität berufen wurde. 1830 wurde die Fakultät nach Eberswalde ausgelagert und als Höhere Forstlehranstalt von Pfeil geleitet:

    ""Er hat die Verfahren bereichert zur Aufforstung. Man hat vorher Pflanzen mit Wurzelballen genommen und schon ältere Pflanzen. Auf ihn ist zurückzuführen, dass man Sämlinge als Nacktwurzler, also ohne Ballen pflanzen konnte. Ein bewährtes Verfahren, das bis heute angewendet wird."

    Auch als Professor blieb Pfeil ein Praktiker und war mit seinen Studenten häufig in den Wäldern unterwegs.

    "Alle Theorie ist grau und nur der Wald und die Erfahrung sind grün","

    schreibt er in seinen "Kritischen Blättern" 1846. Ob er zu Goethe Kontakt hatte, ist nicht verbrieft, vermutlich aber zu Geistesgrößen seiner Zeit, wie Alexander von Humboldt oder Karl Friedrich von Savigny. Über Pfeils Privatleben ist wenig bekannt. Er war verheiratet und hatte vier Kinder. Überliefert ist, dass er mit sehr wenig Schlaf auskam und - dass er manchmal nicht ganz frei von Eitelkeiten war.

    ""Er hatte frühzeitig unter seinem Haarausfall gelitten und eines Tages erschien er mit neuer Haarpracht in der Vorlesung und das löste ein schallendes Gelächter unter den Studenten aus. Da hat er die Perücke heruntergerissen und nie wieder aufgesetzt. Das war eine Fehlinvestition gewesen."

    Erst mit 76 Jahren ging der Forstmann in den Ruhestand. Er starb kurz darauf am 4. September 1859 während einer Kur im schlesischen Bad Warmbrunn.