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Die Toten von Sparta

Archäologie. - Spartaner, so berichtet die Legende, sollen missgebildete Kinder in eine Schlucht des Bergs Taygetos geworfen haben. Tatsächlich stießen Archäologen dort auf 2700 Jahre alte Knochenfunde, allerdings von Erwachsenen. Eine Feinanalyse der Gebeine half dabei, ihre Geschichte zu erzählen.

Von Michael Stang | 26.06.2006
    Maria Maniati entspricht nicht gerade dem Bild eines stereotypen Archäologen mit staubiger Brille und Indiana-Jones-Allüren. Die zierliche Griechin vom Nationalen Zentrum für Wissenschaftliche Forschung "Nationales Zentrum für Wissenschaftliche Forschung "Demokritos"" redet schnell und man spürt sofort ihre Begeisterung für die Forschung an den Gebeinen von Keadas. Das ist der Name einer Felsspalte im Taygetos-Gebirge auf der Peloponnes-Halbinsel im südlichen Griechenland, in der die Knochen lagen. Im Labor für Archäometrie untersuchte sie die Knochen von 15 Menschen, die vor rund 2600 Jahren dort hinein geworfen worden waren. Nach den ersten Datierungen von Kollegen der Universität Athen und Utah war sie sicher, dass die Knochen tatsächlich aus der Zeit um 700 vor Christus stammen: also genau aus der Zeit des 2. Messenischen Krieges, in dem von circa 669 bis 657 vor Christus Sparta gegen das benachbarte Messenien kämpfte. Nach den Datierungen untersuchte Maria Maniati die Gebeine auf stabile Isotope. Diese Isotope sind chemische Elemente, die nicht radioaktiv sind und damit bis heute stabil erhalten blieben.

    "An einem Haar etwa kann man feststellen, was man vergangene Woche gegessen hat, das ist gar kein Problem. In den Knochen aber kann man tatsächlich die Ernährung der letzten fünf bis zehn Lebensjahre eines Menschen sehen. "

    Die Idee der Untersuchung war einfach: wenn alle Knochen das gleiche Ergebnis zeigen, stammten die Toten alle aus der gleichen Region. Da die Ernährungsweisen aus dem antiken Sparta bekannt sind, könnten die Forscher so eindeutig feststellen, ob die Toten aus Sparta kamen oder nicht.

    "Mit den stabilen Isotopen kann man mehrere Kategorien festlegen und sehen, ob sich jemand zum Beispiel von Pflanzen ernährt hat, seine Nahrung überwiegend aus tierischem Protein bestand oder ob er hauptsächlich Fisch gegessen hat. Die Knochen aus Keadas habe ich dann von allen anorganischen Stoffen befreit. Das Endprodukt habe ich mit einem Massenspektometer untersucht und die Daten mit unserer Datenbank verglichen. Anschließend konnten wir sehen, ob die Toten in den letzten Jahren ihres Lebens nur Fisch oder auch andere Sachen gegessen hatten. "

    Die Ergebnisse der Toten waren alles andere als einheitlich: einige haben sich tatsächlich überwiegend von mariner Kost ernährt, während andere hauptsächlich tierisches Protein gegessen hatten, aber auch Pflanzen, wie es etwa in Bergregionen üblich ist. Dabei konnten die Forscher auch einige verspeiste Pflanzen direkt im Knochen anhand der Isotopenraten ablesen, etwa Zuckerbohnen, Weizen, Mais, Hirse, Rettich oder Erbsen. Den exakten Speiseplan kann Maria Maniati jedoch nicht rekonstruieren.

    "Man kann zwar Extreme erkennen, aber das bedeutet nicht, dass sich jemand zehn Jahre nur von Fisch ernährt hat. Die meisten liegen im Bereich von etwa 40 Prozent mariner Ernährung und 60 Prozent Fleisch oder umgekehrt. Eine reine Hirseernährung, wie wir das aus der Jungsteinzeit etwa kennen, war erstaunlicherweise nicht dabei. Aber es ist schon sonderbar, dass tatsächlich alle unterschiedlich waren. "

    Da es sich bei den Toten um überwiegend Männer zwischen 18 und 35 Jahren handelte, liegt die Vermutung nahe, dass es Soldaten waren. Möglicherweise auch spartanische Legionäre aus fremden Ländern, die von den Messeniern in die Felsspalte geworfen wurden.

    "Wir vermuten deshalb, dass einige nicht direkt aus Sparta stammen. Vor allem dürfte es sich bei den Exekutierten um Verräter – also messenische Soldaten und um Kriegsgefangene der spartanischen Legion handeln, deren Leben nicht viel wert war, egal ob sie aus einem Küstengebiet stammten oder nicht."

    Da sich alle Toten zu Lebzeiten verschieden ernährten, nehmen die Forscher jetzt an, dass sie nicht nur aus verschiedenen Regionen stammten, sondern auch zu Lebzeiten zu unterschiedlichen sozialen Schichten gehörten. Denn regelmäßiger Fleischkonsum war damals nur den höheren Schichten vergönnt.