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Die unendliche Geschichte

Nitschke: Probleme gibt es vor allem in Ostdeutschland, Probleme gibt es vor allem in bestimmten Branchen wie dem Baugewerbe, und auch die Unternehmensgröße spielt eine Rolle. Man kann als Faustformel sagen: je kleiner das Unternehmen, desto schwieriger der Kreditzugang.

Von Theo Geers | 09.05.2004
    Axel Nitschke thront hinter seinem Schreibtisch im Haus der Wirtschaft in Berlin. Hinter sich das große Glasfenster und die träge dahin fließende Spree, vor sich ein dünnes Heftchen: Die jüngste Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages zur Unternehmensfinanzierung im Mittelstand. Ein brisantes Thema, obwohl Axel Nitschke, der Chefvolkswirt des DIHK, bundesweit 21 000 Unternehmen nur eine einzige Frage gestellt hat:

    Welche Erfahrungen hat Ihr Unternehmen mit seiner Hausbank bei den Kreditkonditionen gegenüber dem Vorjahr gemacht?

    Die Antworten hat Axel Nitschke in dem vor ihm liegenden dünnen Heftchen festgehalten: Die gerade mal 18 Seiten haben es in sich: Obwohl die konjunkturelle Zuversicht größer und die Auftragsbücher besser gefüllt sind als vor einem Jahr und obwohl die Europäische Zentralbank seit Ende 2002 dreimal ihre Leitzinsen auf ein historisch niedriges Niveau gesenkt hat, stecken immer noch viel zu viele Unternehmen in der Kreditklemme:

    Nitschke: Die Kreditsituation für mittelständische Betriebe hat sich 2003 erneut verschärft.
    24 % der Unternehmen sagten uns, dass sie schlechtere Konditionen bekommen haben als im Jahr zuvor, 3 % teilten uns mit, dass sie sogar Kreditanträge abgelehnt bekommen haben, nur 6 % sprachen von verbesserten Kreditkonditionen vor dem Hintergrund von Leitzinssenkungen.


    Weniger Kredite zu schlechteren Konditionen - so etwas trifft das Rückgrat der deutschen Wirtschaft: Es trifft die kleinen und mittleren Unternehmen, die anteilig viel mehr Menschen beschäftigen als Großkonzerne, die wiederum auf den Bankkredit weit weniger angewiesen sind als die kleinen und mittleren Firmen. Bei ihnen beträgt der Anteil der Bankkredite an der Bilanzsumme rund 45 % , bei den Großkonzernen sind es nur 9 %.

    Wenn der Handwerker im Gewerbegebiet seine Halle vergrößern will oder einen neuen Lieferwagen braucht, der Einzelhändler um die Ecke ein Stehcafé einrichten möchte, wenn der 150-Mann-Betrieb für einen größeren Auftrag erst einmal Rohmaterial und Vorprodukte vorfinanzieren muss, bis der Kunde am Ende den Auftrag bezahlt - immer dann geht der deutsche Mittelständler zu seiner Hausbank - und beantragt einen Kredit.

    Der Kredit - langfristig gewährt für Investitionen in neue Maschinen oder wie eine Art Dispo dem Unternehmen als Kreditlinie eingeräumt für die Vorfinanzierung von Betriebsmitteln wie Rohstoffen und Vorprodukten - dieser Bankkredit ist das Schmiermittel im deutschen Mittelstand.

    Entsprechend fatal sind die Folgen für den Konjunkturmotor, wenn das Schmiermittel Kredit nicht mehr so reichlich fließt wie bisher - oder nicht mehr so leicht. Im Klartext: Der erhoffte Aufschwung des Jahres 2004 steht auf noch wackligerem Fundament als es ohnehin schon der Fall ist.

    Beispiel Maschinenbau.

    Die Auftragsbücher füllten sich, berichtete der Präsident des Branchenverbandes VDMA, Diether Klingelnberg, Mitte April auf der Hannover Messe. Dennoch sei es fraglich, ob die deutschen Maschinenbauer so wie gewünscht die Kelle hinhalten könnten, wenn es Brei, sprich Aufträge, regne:

    Klingelnberg: Es gibt auch öffentliche Äußerungen, insbesondere der größten deutschen Bank, dazu dass sie Mittelstandskredite nicht geben möchte. Es gibt darüber hinaus viele Fälle, wo Kreditlinien gekürzt und reduziert werden, wo wir eigentlich jetzt um den Aufschwung zu finanzieren, vor allem im Vorlauf des Umsatzes, wenn die Aufträge hereinkommen, müssen sie ja Rohmaterial einkaufen, sie alle wissen, dass sich die Rohstoffpreise im Moment sehr verändert haben, insofern müssen wir da sehr viel Geld auslegen, und wenn wir die Kredite nicht bekommen, um das Umlaufvermögen zu finanzieren, dann wird es schwierig, bei dem Aufschwung mitzuziehen.

    Und so wird das traditionell enge Verhältnis zwischen dem deutschen Mittelständler und seiner Hausbank auf eine sehr harte Probe gestellt. Nichts ist ärgerlicher für einen Unternehmer als nach einer langen Durststrecke langersehnte Aufträge ablehnen zu müssen. Und auch wenn vor allem zu starre Arbeitszeitregelungen sowie hohe Lohn- und Lohnzusatzkosten den Aufschwung bremsen - für Diether Klingelnberg, der einen 800-Mann-Betrieb im Bergischen Land leitet - liegt es auch mit an den Banken. Der Weg zum Bankkredit ist steiniger geworden - und der Grund dafür - auch wenn es nicht der einzige ist - hat einen Namen:

    Basel II !

    Basel II ist das Thema in der Finanz- und Bankenwelt zu Beginn des neuen Jahrtausends. Und es wäre weitgehend ein Thema für Experten, die, wie beispielsweise morgen , wenn wieder ein vorentscheidendes Treffen stattfindet, in ihren exklusiven Zirkeln die Köpfe zusammenstecken, wenn Basel II - zumindest indirekt - nicht auch bis in den letzten Winkel der deutschen Wirtschaft wirken würde. Betroffen sind alle Unternehmen und Unternehmer - der Großkonzern ebenso wie der Handwerksbetrieb auf dem platten Land, der mittelständische Zulieferer mit 100 Leuten genau so wie der Existenzgründer in der Hinterhofgarage. Alle brauchen irgendwie und irgendwann einen Kredit - und deshalb geht Basel II auch alle an - übrigens ...

    ... Stichwort Finanzierung des Aufschwungs ...

    ... auch die Beschäftigten in diesen Unternehmen...

    Basel II !

    Dieses Schlagwort bezeichnet die neuen internationalen Eigenkapitalstandards für Banken.

    Benannt sind diese Standards nach der Stadt in der Schweiz, in der 1988 die derzeit geltenden Eigenkapitalregeln verabschiedet wurden - Basel I genannt. Ausgehandelt in einem exklusiven Zirkel - dem Baseler Ausschuss gehören nur Vertreter der derzeit 13 wichtigsten Industrie- und Banknationen an - definieren diese "Basel I" genannten Regeln dennoch faktisch den Weltstandart dafür, wie sich Banken gegen das Ausfallrisiko bei einem Kredit absichern müssen. Ändern sich nun diese Regeln, dann geht dies weit über den Bankensektor hinaus.

    Eigenkapitalregeln für Banken - Basel I!

    Banken müssen jeden Kredit, den sie an Privatpersonen oder Unternehmen vergeben, derzeit pauschal mit 8 % Eigenkapital absichern. Für einen Kredit von 1 Mio. Euro müssen also 80 000 Euro als eigenes Kapital irgendwo in der Bilanz stehen und notfalls flüssig gemacht werden können. Diese eherne Regel soll jede Bank vor einem Zusammenbruch schützen und ihre Beachtung wird von der Bankenaufsicht auch streng überwacht, betont der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Banken, Manfred Weber:

    Weber: Und wenn hier dann ein Kredit faul wird, nicht bedient wird, die Zinszahlung ausbleibt, die Tilgung nicht klappt, dann muss eine Bank dies immer noch verkraften können. Und hier setzt der Puffer Eigenkapital ein: Auch dann, wenn die eigenen Erträge aus dem Kreditgeschäft oder anderen Geschäftssparten einmal nicht ausreichen sollten.

    Mit anderen Worten: Zunächst wird jede Bank ihre Kreditausfälle mit dem laufenden Gewinn verrechnen, der dadurch sinkt. Doch wenn es ganz dicke kommt und die Verluste aus dem Kreditgeschäft den Jahresgewinn übersteigen, dann kann und muss die Bank auf die 8 % Eigenkapital zurückgreifen, die sie für die Summe aller von ihr ausgegebenen Kredite vorhalten muss. Da normalerweise nur ein kleiner Teil der Kredite notleidend wird, reichen die 8 % in der Regel als Sicherheitspuffer auch aus - für die jeweilige Bank, aber auch, um eine Kettenreaktion bei jenen Kunden und Banken zu verhindern, die mit einem von der Pleite bedrohtem Kreditinstitut Geschäfte machen. "Basel I" - also die Eigenkapitalregeln - sind somit die Grundlage für die Stabilität des internationalen Bankensystems.

    Trotzdem hat die 8-Prozent-Regel aus Basel I einen gravierenden Nachteil. Das Stichwort lautet:

    Risikogleichmacherei.

    Egal wie gut oder wie schlecht die Bonität eines Kreditnehmers ist und egal, wie hoch oder niedrig damit das tatsächliche Risiko ist, das mit einem Kredit verbunden ist: Immer müssen 8 % Eigenkapital vorgehalten werden. Alle Kunden werden also in der Bilanz einer Bank gleich behandelt. Das schlägt auch auf die Zinsen durch: Gute Kreditnehmer zahlen dadurch höhere Zinsen als sie eigentlich müssten, und sie subventionieren die Wackel-Kredite an schwachbrüstige Unternehmen. Und Banken wurden viele Jahre verleitet, in großen Stil auch risikoreiche Kredite an Kunden mit minderer Bonität auszureichen. Das Risiko erschien kalkulierbar, weil Kreditausfälle bei Risikokunden dadurch aufgefangen werden konnten, dass mit der 8-Prozent-Rücklage aus den Krediten an gute Kunden ausreichend Puffermasse zur Verfügung stand. Doch drei Jahre Konjunkturkrise mit ihren Unternehmenspleiten nicht nur in Deutschland haben diese Schön-Wetter-Kalkulation über den Haufen geworfen.

    In den letzten Jahren sind etliche Banken von den Folgen ihrer verfehlten Kreditpolitik überrollt worden. Die Kunden haben es oft kaum gemerkt, denn die Schieflagen wurden möglichst geräuschlos beseitigt - im Sparkassenbereich oder bei den Volksbanken etwa dadurch, dass eine gesunde eine angeschlagene Bank übernahm. Bei den großen Geschäftsbanken fielen Wertberichtigungen in der Bilanz schon stärker auf, und das bekamen die Aktionäre in sinkenden Dividenden und Aktienkursen zu spüren. Manfred Weber vom Bundesverband deutscher Banken gibt sich selbstkritisch:

    Weber: Es gibt zwei Aspekte, der eine ist in der Tat, dass wir Kredite gewährt haben, wo wir es nicht hätten tun sollen. Wir haben einfach die Perspektiven zu optimistisch eingeschätzt, sonst hätten wir es nicht getan, und das führte dann dazu, dass es hinterher ein sehr böses Erwachen gegeben hat. Der zweite Faktor ist, dass wir in der Tat - und das hat mit Basel I zu tun - den alten Vorschriften für die Eigenkapitalunterlegung des Kreditgeschäftes - dass wir hier eine gewisse Gleichmacherei gehabt haben in dem Sinne, dass praktisch unabhängig von dem Risiko des einzelnen Kredites mehr oder weniger die gleichen Konditionen, die gleichen Zinsen, verlangt wurden. Das kann aber nicht richtig sein. Ein wohl etabliertes Weltunternehmen muss einen niedrigeren Zins zahlen als ein anderes Unternehmen, dass mit einem neuen Produkt auf die Zukunft setzt, was aber naturgemäß noch mit großem Risiko behaftet ist. Hier wird Basel II zu einer stärkeren Differenzierung in den Kreditkonditionen kommen. Das ist nur zu begrüßen.

    ... und damit sind wir bei:

    Basel II - Der Grundsatz:

    Wie viel Kapital eine Bank für einen Bankkredit an ein Unternehmen oder einen Privatkunden zurücklegen muss, hängt nach Basel II von der Bonität des Kreditnehmers ab. Damit sind aber auch die Zinssätze für den Kredit je nach Risiko unterschiedlich hoch, und diese Unterschiede, die es zwischen verschiedenen Kreditkunden heute auch schon gibt, werden durch Basel II noch größer. Die einfache Formel lautet:

    Gute Bonität - geringes Risiko - niedrige Kreditzinsen
    schlechte Bonität - hohes Risiko - hohe Kreditzinsen


    ... oder - im Extremfall - kein Kredit!

    Doch wie lässt sich die Finanzkraft der Unternehmen einschätzen? Die Antwort gibt das Rating. Das ist nichts anderes als die Einstufung von Unternehmen gemäß ihrer Bonität in eine Rangliste. Bei den Sparkassen beispielsweise gibt es wie in der Schule Noten von 1 bis 15, erläutert Ulrich Saure. Er ist in der Stadtsparkasse Köln für die Kreditrisikosteuerung zuständig:

    Saure: ... und dann kommen wir jetzt auch mal zu Basel II: Was machen wir damit: Hinter jeder Note verbirgt sich eine Ausfallwahrscheinlichkeit für einen Kredit. Also, das fängt bei eins an - das sind 0,8 % und hört bei Note 15 auf - das sind 20 % - also schon eine hohe Ausfallwahrscheinlichkeit und der Durchschnitt liegen bei Klasse 9 bei 2 %.

    Doch wie kommen die Unternehmen nun zu ihren Noten? Vor allem die großen Banken und Sparkassen, aber nicht nur sie, haben in den letzten Jahren die Methoden für ihre Ratingverfahren ständig verfeinert. Es beginnt mit dem Blick in die Bilanz...

    Wie ist Kapitalstruktur? Hat das Unternehmen überhaupt Eigenkapital? Und wenn ja, wie hoch ist die Eigenkapitalquote, also das Verhältnis der Eigenmittel zum Umsatz? Oder: reichen die aus dem laufenden Umsatz stammenden liquiden Mittel aus, um den Kredit zu bedienen...

    all dies fließt ins Rating ein, aber die Banken wollen heute unter der Fuchtel von Basel II noch mehr wissen....

    Saure: Das ist ein detaillierter Fragenkatalog. Wie z.B. hat er dauernd sein Konto überzogen? Das können sie mit ja/nein beantworten. Oder: Ist die Nachfolge geregelt? Wir beschränken uns auf die Dinge, die wir beobachten können, also z.b. gibt es bei einem mittelgroßen Unternehmen einen Leiter Controlling? Kümmert sich da jemand um die Finanzen, was bei kleinen Unternehmen nicht üblich ist? So eine Frage macht keinen Sinn bei einem großen Unternehmen, da schauen wir uns schon mal an, wie schätzt dann der Betreuer - und da geht es jetzt ein bischen "in Weiche" rein, das Controlling ein? Werden vierteljährliche Reports gemacht? Werden Soll-Ist-Vergleiche gemacht? Gibt es so was? Hält man sich dran, treten die Sachen auch ein?- und so geht das durch die ganzen Unternehmensbereiche durch.

    Unternehmen werden heute also gründlich abgeklopft - und Ulrich Saure räumt ein, dass Basel II - auch wenn seine Regeln wahrscheinlich erst Anfang 2007 in Kraft treten - schon heute über das Rating die Kreditvergabepraxis prägt. Zählte früher der persönliche Eindruck beim und der persönliche Kontakt zum Kreditsachbearbeiter, so sind es heute Statistiken, Bilanzen, Zahlen. Eine Entwicklung, die auch gestandene Unternehmer wie VDMA-Präsident Diether Klingelnberg frustriert zurück lässt:

    Klingelnberg: Sie haben gar keine Möglichkeit mehr, auf die Entscheidungen der Bank Einfluss zu nehmen. Selbst die Kopfstellenleiter haben nicht mehr die Befugnisse, da irgendwas zu machen, und die Leute, die Befugnisse haben, die kriegen sie nicht zu sprechen.

    Banken stellen das Rating gern als Chance hin, die ein Unternehmer auch nutzen könne, um Schwächen in der Firma zu entdecken und auszumerzen, so seine Bonität bei einer Bank zu verbessern und damit auch niedrigere Kreditzinsen herausholen zu können.

    Die meisten Unternehmen hingegen waren in den letzten Jahren eher unangenehm berührt, wenn sie - salopp formuliert - vor ihrer Hausbank die Hosen runter lassen mussten. Das vertrug sich nicht immer mit dem Herr-im-Haus-Denken mancher Mittelständler und ihrer bisherigen Erfahrung, eine langjährige Geschäftsbeziehung zur Hausbank werde das fehlende Eigenkapital beim Kreditantrag schon ausgleichen. Manfred Weber vom Bundesverband Deutscher Banken:

    Weber: Hier muss man auf seiten der Banken etwas vorsichtiger werden - man kann nicht mehr jedes Risiko in die Bücher hineinnehmen. Hier und da werden sicherlich Linien zurückgefahren, man macht nicht mehr jeden Kredit automatisch, und hier und da fordert man auch mehr Sicherheiten als das zuvor bei besserer Lage des Unternehmens der Fall war.

    ... und nicht nur hier und da, sondern immer öfter haben die Banken in den letzten Jahren auch nein gesagt.

    Ende 2003 hatten die Banken und Sparkassen Kredite in Höhe von 2 Billionen 241 Milliarden Euro vergeben. Das war praktisch genau soviel wie Ende 2002. Aber: Kredite an Industrieunternehmen, das Baugewerbe oder den Handel gingen deutlich zurück. Und auch innerhalb der Bankenlandschaft gab es Verschiebungen: Die privaten Banken zogen sich aus dem Geschäft mit Unternehmenskrediten erkennbar zurück, Sparkassen und Volksbanken mussten diese Lücke füllen, was nicht immer einfach war: Die Wachstumsschwäche der letzten Jahre in Deutschland ist keiner Bank spurlos vorbei gegangen. Unter dem enormen Druck sinkender Gewinne und hoher Kreditausfälle haben viele Banken ihre Kreditbücher planmäßig durchforsten müssen und vor allem dort ihre Kreditvergabe eingeschränkt, wo sie selbst Risiko-Konzentrationen entdeckten - etwa durch zu viele Kredite an eine einzige Branche wie den Bau und alles was dazu gehört wie Baumärkte und Handwerksbetriebe. Ulrich Saure von der Stadtsparkasse Köln:

    Saure: Ich glaube das handhaben andere Banken genau so wie wir - da haben wir auch ein Grundprinzip: Wir tragen nicht allein da unternehmerische Risiko. Wir möchten auch, dass der Kunde mit verhaftet ist. Also, wenn kein Eigenkapital vom Kunden da ist, warum soll die Bank das Risiko allein tragen.

    Diese neue Zurückhaltung in der Kreditpolitik muss natürlich den Kunden vermittelt werden - was automatisch zum Problem wird: Einem langjährigen Kreditkunden Auge in Auge zu sagen, dass seine Bilanz einen weiteren Kredit nicht hergebe, dass die Ehefrau plötzlich als Bürge mit in die Geschäfte des Mannes hineingezogen werden müsse - so etwas ist auch unter hartgesottenen Bankern nicht jedermanns Sache. Erst recht nicht, wenn dies dem Kunden von seiner Hausbank gesagt werden muss, wenn er ohnehin schon misstrauisch ein Ratingverfahren durchlaufen hat und wenn es ihm - konjunkturbedingt - längst nicht mehr so gut geht wie noch vor einigen Jahren, er aber im frühen Aufschwung gerade deshalb auf den Kredit angewiesen ist. In dieser Situation wird Basel II schnell zum bequemen Ausrede dafür, dass es bei der Kreditversorgung der Unternehmen durch die Banken eng geworden ist. Ulrich Saure:

    Saure: Basel II ist nicht die Ursache. Nehmen sie das Basel II-Papier - es ist mehrere hundert Seiten dick - und ein Hinweis darauf, dass man Konditionen vereinbaren soll, die vom Rating abhängen, da gibt es einen einzigen Satz drin in diesem dicken Dokument - damit sie mal den Zusammenhang sehen. Mag sein, das bei der ein oder anderen Bank das geholfen hat, Kreditpolitik zu verkaufen, dass man sagt ‚Wegen Basel II können wir dir keinen Kredit geben’, aber dann ist es nicht ehrlich. Dann sollte man wirklich sagen: ‚Ab einer gewissen Auswahlwahrscheinlichkeit sind wir restriktiv, und deswegen kriegst Du keinen Kredit, und Deine Ausfallwahrscheinlichkeit haben wir mit dem Ratingverfahren gemessen und - übrigens - Rating hat auch was mit Basel II zu tun.’ Die Kette ist so rum und nicht anders rum.


    Und so werden wegen Basel II vor allem die mittelständischen Unternehmen in Deutschland umdenken müssen, die bislang mit wenig Eigenkapital im Rücken vor sich hin wirtschaften. Weil ihre Bilanz, die wegen Basel II für die Bank immer wichtiger geworden ist, nicht viel her gibt, müssen sie feststellen, dass auch ein prall gefülltes Auftragsbuch eine Bank nicht sonderlich beeindrucken muss. Wenn aber gute Geschäftsaussichten bei einer Kreditvergabe kaum noch ins Gewicht fallen, dann ist das bitter - für die Unternehmen, aber auch für den Aufschwung in Deutschland. Axel Nitschke kann dies mit seiner DIHK-Umfrage auch belegen:

    Nitschke: Die Bilanz von gestern ist offenkundig wichtiger als die Bilanz von morgen, und insofern ist damit der Kreis geschlossen zu der Aussage, dass das Kreditvergabeverhalten der Banken ein Problem für die Konjunkturentwicklung sein kann. Denn offenkundig verhalten sich die Banken prozyklisch. Also, wenn die Konjunktur im Keller ist, gibt es auch keine Kredite, und wenn die Konjunktur besser werden könnte, gibt es trotzdem noch keine Kredite, und erst wenn der Boom da ist, dann wird seitens der Banken der Kredithahn aufgedreht. Nur: Es gibt keine Unterstützung für die Konjunktur während der Aufwärtsbewegung.

    Das ist in der Tat das Hauptproblem, das Basel II mit sich bringt: Der auf den Banken lastende Zwang, jederzeit und risikoadäquat genügend Eigenkapital vorzuhalten, verstärkt einen konjunkturellen Abschwung und bremst den Aufschwung. Dieses Problem wird aber bis Juni nicht gelöst sein, wenn die neuen Eigenkapitalregeln voraussichtlich verabschiedet werden, damit sie Anfang 2007 in Kraft treten können.

    Trotzdem gibt es bei Basel II auch Gewinner: Es sind einmal die Unternehmen, die mit guten Bilanzen und ausreichenden Sicherheiten aufwarten und so durch Basel II auf niedrigere Zinssätze vertrauen können. Das betont auch Manfred Weber vom Bundesverband deutscher Banken:

    Weber: Im Übrigen ist auch zu sagen: Wen ein kleiner Mittelständler, aber auch jedes andere Unternehmen, Schwierigkeiten hat Kredit zu bekommen, dann sollte die erste Frage sein: Warum? In welchem Zustand ist mein Unternehmen tatsächlich? Noch einmal: Ich als Banker mache jedes Geschäft, wenn ich denn vertreten und verantworten kann. Ich habe kein Interesse, es nicht zu machen, es ist der größte Schaden, den ich meiner Bank anrichten könnte. Aber das Umfeld und die Konditionen müssen stimmen.

    Gewinnen wird durch Basel II in jedem Fall auch die Stabilität des internationalen Finanzsystems. Das aber ist etwas reichlich Abstraktes und hilft dem in der Kreditklemme steckenden deutschen Kleinunternehmer nur bedingt weiter:

    Nitschke: Ein Mittelständler ist auch drauf angewiesen, dass sein Geldlieferant funktionsfähig bleibt, insofern ist die ganze Diskussion aus Sicht des Mittelstandes nicht rund weg abzulehnen. Denn was hat ein Mittelständler davon, wenn seine Bank sehr freigebig Kredite vergibt und zum guten Ende durch viel Kreditausfälle das Institut an die Wand fährt und ihm ein Kreditlieferant ausfällt.