Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Die vaterlose Gesellschaft

Drei Jahrzehnte lang war alles klar: Beim Blick in den Spiegel sah der Mann eine gezähmte Bestie, die heimlich noch die Zähne fletschte, aber sonst fügsam ihren Pflichten nachkam – als "neuer Mann" und Vater, als aufgeklärter, emanzipierter Patriarchatsverächter. Bis ihm letztes Jahr ein Blick in den anderen "Spiegel" – die Zeitschrift nämlich – die Augen öffnete: Das, was ihm nur scheinbar männlich noch jeden Morgen entgegentrat, war in Wirklichkeit die Ruine alter Herrlichkeit, denn die Frauenbewegung hat auf ganzer Linie gesiegt. Ihr letzter, größter und für die Männer bitterster Triumph: die Terrorherrschaft der alleinerziehenden Mütter. Nicht nur, daß diese sich auf einem dichtmaschigen Netz aus staatlicher Fürsorge und männlichen Unterhaltspflichten ausruhen, nein, sie perfektionieren das System des Kindesentzugs und der Umgangvereitelung durch Pauschal-Anschuldigungen in Sachen sexueller Mißbrauch; die sicherste Methode, einen Vater nach Trennung oder Scheidung vom Kind fernzuhalten. So stand's im "Spiegel" – Autor: Matthias Matussek –, und so steht es nun in erweiterter Form in einem Rowohlt-Taschenbuch. Wie nicht anders zu erwarten war, brach ein Sturm der Entrüstung los, denn Matussek ist zweierlei nicht: ein differenzierter Denker und ein diplomatischer Vermittler. Ihm gilt Familienrecht und Familienpolitik als Reich des Bösen, ein mafiotisches Gestrüpp, in dem zu Recht nur kommt, wer eine Gebärmutter besitzt, Väter per se entmündigt sind, und ihre Rechtstitel in der Praxis an der schwammigen Formel vom "Kindswohl" abprallen. Die fehlenden Sanktionsmöglichkeiten gegen rechtsbrüchige Mütter rufen Rambo Matussek auf den Plan. 's ist Krieg, 's ist Krieg! Bürgerkrieg. Geschlechterkampf. Tief Luft holen, Baldriantropfen bereitstellen. Denn selten liest man so haßerfüllte Worte wie in diesem Buch.

Florian Felix Weyh | 22.05.1998
    Also, kurzes Referat: Der dogmatische Feminismus, dem der Mann als Erbfeind gilt, hat auf ganzer Linie gesiegt, die Rechtsinstitute unterwandert und das gesellschaftliche Klima derart vergällt, daß auch männliche Richter im Sinne des feministischen Dogmas handeln. Den Hauptsieg trug die Frauenbewegung mit der Reform des Scheidungsrechts davon, das zu einer einseitigen Ausplünderungswaffe für die Frauen geworden ist. Flankiert von der entsprechenden Sorgerechtspraxis – Kinder garantieren Unterhaltsansprüche, weswegen die Frauen aus rein materiellen Gründen um sie kämpfen –, macht sie den Mann zum reinen "Zahlvater", dessen pädagogische und psychologische Funktion verleugnet wird, ganz zu schweigen von seinen eigenen emotionalen Bedürfnissen. Wiederum flankiert von einem Klima der Angst, in dem der Mann grundsätzlich für Gewalt steht, weswegen jeder – auch illegale – Trick gegen ihn erlaubt ist. Ende des Referats – nun darf gekämpft werden. Raus mit Erich Fromms "Kunst des Liebens" aus dem Sturmgepäck, rein mit Matussek in den Tornister! Vielleicht ja der zwangsläufige Reflex auf die Seichtigkeit des durchpsychologisierten Beziehungsgequatsches der letzten zwanzig Jahre.

    Wer mit Schaum vor dem Mund spricht, sich in ewigen Wiederholungen und Litaneien ergeht, fordert klare Stellungnahmen. Matussek will die verunsicherten und halbfeminisierten Männer zur Truppe zurückbeordern, indem er ihnen zuruft: "Ihr werdet die nächsten Opfer sein!" Genaugenommen ein bei der Frauenbewegung abgeschauter Versuch der innergeschlechtlichen Solidarisierung durch Vergröberung und Entdifferenzierung. Wenn man den Rezensenten fragt (männlich, friedlich geschieden, kein Kind), was er davon hält, muß er antworten: Die Witterung stimmt durchaus, es ist was faul im Staate Amazonien. Kaum jemand kennt kein Beispiel, in der die Mann-Frau-Kind-Triade nicht mit einem fürchterlichen Psycho-Exzeß zu Ende ging und sich die Hyänen des Sozialstaats an Kadavern labten. Allein: Zu den Waffen zu rufen, wo noch Luft für Verhandlungslösungen ist, führt zwar zu einem eindrucksvollen Spektakel – aber kaum zum gewünschten Ergebnis.