Donnerstag, 28. März 2024

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Die Vorlesung aus dem All

Nun muss er noch ein paar Tage länger als geplant im All bleiben. Der Start des Space Shuttles, das ihn hätte zur Erde bringen sollen, wurde vergangene Nacht verschoben. Aber darauf kommt es auch nicht mehr an; schließlich hält sich der deutsche Astronaut Thomas Reiter seit über einem halben Jahr an Bord der Internationalen Raumstation ISS auf. Zuvor jedoch ist Reiter einer ganz außergewöhnlichen Aufgabe nachgekommen: Er meldete sich aus der Raumstation live in den großen Hörsaal der Universität Stuttgart.

Von Thomas Wagner | 08.12.2006
    "Ich wird fragen, was man in der Schwerelosigkeit alles machen kann, was so richtig Spaß macht. Die Astronauten sind einfach Stars für mich."

    "Ich werde fragen, ob man Stuttgart vom Weltraum aus sehen kann."

    "Also ich werde ihn fragen, wie man das Ding eigentlich fliegt, ob es da so eine Art Cockpit gibt wie im Space Shuttle oder wie das abläuft."

    "Stuttgart ruft Raumstation!"

    Über 1000 Studierende und Gäste blicken im großen Hörsaal der Uni Stuttgart auf die große Leinwand. Applaus kommt auf, als sich aus einem schemenhaften Etwas die Konturen des deutschen Astronauten Thomas Reiter herausschälen.

    "...den Regenwald, die Abholzung weiter fortgeschritten ist."

    Alle spitzen im Hörsaal die Ohren; die Verbindung ins All ist nicht die beste. Reiter erzählt über die Abholzung des tropischen Regenwaldes, die er aus dem Orbit gut beobachten kann, über das Schlafen in der Schwerelosigkeit und über den Wunsch, mal an Bord der ISS Badminton zu spielen. Vor allem die Studierenden des Faches Luft und Raumfahrttechnik, das an der Uni Stuttgart angeboten wird, hören aufmerksam zu.

    "Man ist mehr oder weniger hautnah dabei, soweit das eben möglich ist bei so einer Verbindung. Wenn man das so erlebt, ist das schon noch etwas anderes, als wenn man das einfach in einem Buch nachliest."

    "Ich weiß, dass von Stuttgart eine Uhr auf der Raumstation ist, so eine Art GPS. Und das haben wir gemacht. Dann machen sie noch mit dem Sensoren ein Experiment. Da geht es darum, das Klimamodell der Erde zu untersuchen."

    Immerhin gilt der Stuttgarter Studiengang mit über 2000 Studierenden als größte Weltraum-Nachwuchsschmiede in ganz Europa. Und da gibt es kaum einen Absolventen, der nicht nach dem Studium auch gleich einen Job hat. Jürgen Scholz ist Doktorand am Institut für Raumfahrtsysteme und hat die "Vorlesung aus dem All" mit organisiert:

    "Luft- und Raumfahrtingenieure werden gerne genommen aufgrund ihrer auch recht guten Ausbildung in der Regel. Im europäischen Bereich natürlich hauptsächlich die EADS als große Mutterfirma mit Airbus und natürlich Astrium für den Raumfahrtsektor. Die ESA selbst ist natürlich auch ein attraktiver Arbeitgeber. Dann gibt es natürlich auch viele kleinere Firmen, die kleinere Komponente und Subsysteme für die Raumfahrt herstellen."

    Wenige Minuten nach der Kontaktaufnahme: Die Verbindung ins All wird immer schlechter, bricht schließlich ganz zusammen. Die Studierenden können ihre Fragen, die sie vorbereitet haben, nicht mehr stellen - schade.

    "Das war trotzdem total cool. Aber ich bin auch ein bisschen frustriert.

    "Frust nicht, damit muss man immer rechnen, dass das passiert. Und wir sehen ihn ja dann halt später."

    Genau: In vier Monaten soll Thomas Reiter direkt in den Hörsaal nach Stuttgart kommen, der dann mit Sicherheit ebenso voll sein wird wie gestern Abend. Und in 40 Jahren wird man über solche ‚Vorlesungen aus dem All' allenfalls ein mitleidiges Schmunzeln übrig haben, glaubt Professor Hans-Peter Röser vom Stuttgarter Institut für Raumfahrtsysteme:

    "In 40 Jahren werden vielleicht Studenten als Praktikum die Reise zum Mond machen müssen. Es wird einfach passieren."