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Die Welt im Buch

Auf der Internationale Buchmesse in Buenos Aires sind Bücher, die mit Papst Franziskus zu tun haben besonders gefragt. Sein Bild prangert von vielen Titeln. Interesse wecken aber auch Veröffentlichungen über die Militärdiktatur.

Von Victoria Eglau | 12.05.2013
    Die Feria del Libro von Buenos Aires ist eine Art Mega-Buchhandlung auf 45.000 Quadratmetern. Und obwohl in der argentinischen Metropole an Buchläden kein Mangel herrscht, kommt jedes Jahr rund eine Million Menschen auf die Messe. An den 450 Verlagsständen finden sie Neuheiten und Raritäten, argentinische und internationale Autoren, Fachliteratur und Kinderbücher. Es überrascht kaum, dass in diesem Jahr das Bild von Papst Franziskus auf vielen Buchdeckeln prangt.

    "Bücher, die mit dem Papst zu tun haben, machen Furore. Buchtitel, die vorher kaum jemand kaufte, sind jetzt sehr gefragt."

    Gabriela Adamo, Geschäftsführerin der Buchmesse. Zu den jetzt erfolgreichen Büchern, die bereits vor dem Papstantritt geschrieben wurden, gehört etwa der Gedankenaustausch des früheren Kardinals Jorge Bergoglio mit dem bekannten argentinischen Rabbiner Abraham Skorka. Hinzu kommen einige rasch geschriebene, neue Biografien. Aber auch kirchenkritische Bücher erfahren neues Interesse. Am Stand des Verlags Sudamericana sind die schon einige Jahre alten Untersuchungen des bekannten Publizisten Horacio Verbitsky gut sichtbar platziert. Verbitsky verficht die These, der heutige Papst habe sich während der argentinischen Diktatur nicht für zwei Jesuiten eingesetzt, die von den Militärs verschleppt wurden. Verlagssprecherin Daniela Morel:

    "Wir haben hier am Stand alle Bücher von Horacio Verbitsky über die Katholische Kirche Argentiniens und ihre Rolle während der Diktatur. Sie erleben jetzt eine Renaissance und werden von Leuten gekauft, die mit bestimmten Vorgängen in der Kirche nicht einverstanden sind."

    Überhaupt gibt es auf der Buchmesse von Buenos Aires ein riesiges Angebot von Veröffentlichungen über die Militärdiktatur von 1976 bis 83, und die argentinischen Guerillero-Gruppen der siebziger Jahre. Ebenso stark vertreten sind Bücher über die politische Bewegung des Peronismus‘ und über Evita, die legendäre erste Ehefrau von Präsident Juan Domingo Peron. Aber nicht nur die jüngste Geschichte, sondern die gesamte Historie ihres gut zweihundert Jahre jungen Staates interessiert die argentinischen Leser – und auf der Buchmesse werden sie fündig.

    "Auf der anderen Seite sind da die journalistischen Recherchebücher, die auf großes Interesse stoßen. Viele von ihnen beschäftigen sich mit politischen Korruptionsfällen der letzten zehn Jahre."

    So die Geschäftsführerin der Buchmesse, Gabriela Adamo. Politische und gesellschaftliche Themen spielen auch im riesigen Begleitprogramm eine wichtige Rolle. Mehr als 500 Buchvorstellungen, Podiumsdiskussionen und Vorträge finden statt. Etwa sprach der Soziologe Eduardo Fidanza über den populistischen Charakter des seit zehn Jahren in Argentinien regierenden Kirchnerismus‘, eine Variante des Peronismus‘. Und erklärte den Erfolg dieser Bewegung so:

    "Der Kirchnerismus wurde nach der verheerenden argentinischen Krise von 2001/2002 geboren. Eine Krise, während der die einen ihre Arbeit verloren, die anderen ihr Dach über dem Kopf, und wieder andere von der Polizei unterdrückt wurden. In diesem Moment tiefster sozialer Krise begann der Aufstieg des Kirchnerismus‘."

    Ebenfalls seit einem Jahrzehnt regiert in Argentiniens Nachbarland Brasilien die Arbeiterpartei PT. Der brasilianische Schriftsteller Luiz Ruffato diskutierte in Buenos Aires mit anderen lateinamerikanischen Schriftstellern. "Provisorische Hölle" heißt Ruffatos fünfbändiger Romanzyklus, den er der brasilianischen Arbeiterklasse gewidmet hat – der erste Teil erscheint in diesem Monat auf Deutsch. Der Autor über die jüngsten gesellschaftlichen Veränderungen in seinem Heimatland:

    "Heutzutage gibt es in Brasilien immer noch arme Leute, aber sie leben nicht mehr im Elend. Es war wirklich revolutionär, dass die Regierungen der Arbeiterpartei 32 Millionen Menschen zu Konsumenten gemacht hat - Menschen, die nie etwas besessen hatten. Aber leider haben sich unsere Regierungen nicht darum gekümmert, dass diese Personen auch zu Bürgern werden. Warum? Weil das brasilianische Bildungssystem nach wie vor eine Tragödie ist. Und ein Mensch ohne Schulbildung wird niemals ein mündiger Bürger sein. "

    Auch die kolumbianische Autorin Laura Restrepo schreibt in ihrem neuen Buch "Hot Sur - Heißer Süden" - über die am wenigsten privilegierten Lateinamerikaner. Der Roman handelt von einer kolumbianischen Migrantin in den USA, die zu Unrecht des Mordes bezichtigt wird und im Gefängnis landet. Laura Restrepo bei der Buchmesse von Buenos Aires:

    "Ich bin überzeugt, dass die Gegenwart, aber noch mehr die Zukunft der Menschheit von einer Konfrontation geprägt sein wird: zwischen der riesigen Masse von Migranten, Millionen von mittellosen Menschen, die alles hinter sich lassen, und den Gesellschaften, die sich hinter Mauern abschotten, um ihren Wohlstand zu verteidigen."