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Die Weltverbesserungsmaschine

Wie toll wäre das doch: eine Maschine, die die Welt verbessert - quasi auf Knopfdruck und unter Einbeziehung der Kunst und Wissenschaft. Das Museum Hamburger Bahnhof zu Berlin fordert nun alle auf, eine solche geistige Apparatur mitzuentwerfen - Utopie und Gedankenexperiment zugleich.

Von Carsten Probst | 23.08.2013
    Seit dem 17. Jahrhundert, so geht die Geschichte, gab es in verschiedenen europäischen Metropolen einen supergeheimen Plan zum Bau einer Weltverbesserungsmaschine. Dieser Plan war so geheim, dass er sogar in Geheimschriften abgefasst wurde, von denen nun erst jüngst eine in den tiefsten und dunkelsten Kellern der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften wieder zutage gefördert und von Spezialisten dechiffriert werden konnte. Überhaupt soll nach dieser Geschichte die Gründung der preußischen Akademien der Künste und der Wissenschaften allein deshalb erfolgt sein, um maximale Synergieeffekte zwischen Künsten und Wissenschaften herzustellen zum alleinigen Zweck der Erschaffung einer solchen Weltverbesserungsmaschine. Keine Frage, auch die Gründung der Königlichen Museen zu Berlin um 1830 folgte ursprünglich diesem Plan.

    Das Projekt scheiterte - erwartungsgemäß - noch im 19. Jahrhundert und wurde vergessen, wahrscheinlicher aber noch wurde es unter den Tisch gekehrt, seine Existenz verleugnet, weil eben dieser Plan so geheim und sein Scheitern den Mächtigen so peinlich war. Und es ist findigen Autoren wie dem Designprofessor Friedrich von Borries zu danken, dass all dies nun an das Licht der Öffentlichkeit rückt.

    Von Borries ist, das muss man dazusagen, zum einen bekannt als gefragter Ausstellungsarchitekt, der als Designer durchaus in der Kapitalismuskritik verwurzelt ist. Zum anderen als Autor pseudohistorischer oder halbwissenschaftlicher Fiktionen, die sich im Großen und Ganzen unter dem Stichwort Fashionable Nonsense zusammenfassen lassen und sich wohl als Hoax, als ironische Entlarvung des genuin positivistischen Weltbildes im Kunst- und Wissenschaftsbetrieb verstehen. Von der Designgeschichte zur designten Geschichte ist es jedenfalls oft nur ein kleiner Schritt, sei es in Borries' Abhandlungen zu Klimakapseln, zu sogenannter paradoxaler Mobilität, zu den wahren Gründen für den vermeintlichen Weltuntergang am 11. September - oder eben nun zur Weltverbesserungsmaschine

    Diese charmanten Plaudereien, für die Borries buchstäblich Gott und die Welt zitiert und dafür so ziemlich alles plündert, was Internet und Museen an Bild- und Textquellen hergeben, verstehen Kritik als Dienstleistung. Nicht von ungefähr ist von Borries auch dem informellen Designlabel RLF assoziiert, das den "umstürzlerischen Zeitgeist" eines allgemeinen "Sich-Aufbäumens" gegen den Kapitalismus nutzen will, um diesen mit seinen eigenen Mittel zu überwinden: Nämlich durch Verkauf von speziell designten Luxusprodukten und Fanartikeln, mit denen Konsum in einen revolutionären Akt verwandelt werden soll.
    Dieses Prinzip, Dinge unsinnigerweise miteinander zu verbinden, die sich eigentlich ausschließen, könnte man, wenn man wollte, als logische Spielerei bezeichnen, als contradictio in adiecto, als Widerspruch in sich, oder auch als rhetorische Figur, als Oxymoron, wie wenn man sagt: "Weniger ist mehr."

    Das muss auch für die direkte Nachbarschaft aus Eloquenz und Banalität gelten, von denen die Produkte von Friedrich v. Borries zehren, auch bei der Berliner Weltverbesserungsmaschine. Ihr Grundgedanke hebt ab auf eine mystische Vereinigung von Kunst und Wissenschaften, die es nicht geben kann, die freilich schon lange und besonders heute zu den ganz großen Themen des Kulturbetriebs gehören, mit denen man die Fördermittel bei Ministerien und Stiftungen nur so sprudeln lassen kann, wenn man es geschickt anstellt wie eben Friedrich von Borries. So gesehen ist es verdienstvoll, dass er seinen Erfolg immer auch selbst ironisiert und damit weitaus subtiler, als es dieses Projekt ist, die wahre Weltverbesserungsmaschine thematisiert, die hinter dem Kulturbetrieb steckt, den Sieg der Labels und des Netzwerkens über die Inhalte, des Pop in der Wissenschaft. Bleibt nur die Frage, ob man die Staatlichen Museen Berlin, die Akademie der Wissenschaften, die Schering Stiftung und die vielen anderen prominenten Partner dieses Projekts nun für ihre unverhoffte Fähigkeit zur Selbstironie beglückwünschen oder sich doch für die Ernsthaftigkeit der ganzen Präsentation eher ein wenig fremdschämen soll.