Freitag, 19. April 2024

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Die Werkausgabe

Die Werkausgabe

Michael Braun | 27.12.1998
    - Die Gedichte, 1998, 394 Seiten Preis: 38 Mark

    - Gedichte aus dem Nachlaß, 1998, 424 Seiten Preis: 38 Mark

    - Erläuterungen der Gedichte von Johannes Bobrowski, 380 Seiten Preis: 64 Mark

    Die Geschichte des Dichters Johannes Bobrowski lehrt, daß die Geselligkeitsrituale des Literaturbetriebs zum todbringenden Fluch werden können. Seit seinen ersten Auftritten als "Apostel der unzerstörbaren Einheit der deutschen Literatur" (Hans-Werner Richter) umschwärmt, war seine Lage von Beginn an aussichtslos. Bedrängt und schließlich umzingelt von seinen Jüngern und Bewunderern, geriet Bobrowski schon bald in akute Atemnot. Als er 1962 über Nacht vom plötzlichen Ruhm eingeholt und ins Rampenlicht des literarischen Betriebs gestoßen wurde, erklärte er noch im Scherz, er wolle einhundertfünfundzwanzig Gedichte schreiben, ordentlich verteilt auf drei Bücher, und dann lege er sich ins Grab. Diese Vision sollte auf fast unheimliche Weise in Erfüllung gehen.

    Nach seinen triumphalen Erfolgen bei der Gruppe 47 gab es für seine Fans kein Halten mehr. Auf den neuen Leitstern der Literatur im geteilten Deutschland stürzten sich nach dem Erscheinen des Debütbandes "Sarmatische Zeit" die wahren und die falschen Freunde gleich in Rudelstärke, stahlen seine Zeit und zehrten so nachhaltig seine Kräfte auf, daß der Dichter schließlich nur noch während seiner S-Bahn-Fahrten Gedichte schreiben konnte. Zwanzig Jahre hatte er in der literarischen Windstille gelebt und seine Gedichte für die Schublade geschrieben, jetzt, nach seinem Auftauchen aus der Anoymität, konnte er sich vor erwünschten und unerwünschten Gästen kaum noch retten. Die unzähligen Freundschafts-Beweise und Einladungen der professionellen Schmeichler konnte Bobrowski, der als ein Genie der Geselligkeit berühmt war, nie abschlagen, so daß schon nach kurzer Zeit seine Lebensenergie auf beängstigende Weise verfiel. Zu den Begleiterscheinungen seines überstürzten Ruhms gehörten eine fast panische Produktivität, zunehmende Hektik und ein notorischer Zeitmangel, die den Dichter bald in eine tiefe Erschöpfung und Melancholie trieben, auf die er wiederum mit Trunksucht reagierte. Ausgehöhlt von seinen zahlreichen Verpflichtungen und gehetzt von Todesangst, schrieb er in Windeseile noch einen weiteren Gedichtband, und verbrauchte seine letzten Kräfte für den Entschluß, auch noch - wie er einem Freund schrieb - "mit Prosa aufzukreuzen". So erschienen 1964 der Roman "Levins Mühle" und in drei verschiedenen Versionen ein Band mit Erzählungen, wobei sich ost - und westdeutsche Verlage heftige Kämpfe um Lizenzvergabe und Erstveröffentlichungsrecht lieferten. Ein Tag, nachdem er das Manuskript des Romans "Litauische Claviere" Ende Juli 1965 zum Abschluß gebracht hatte, brach er zusammen und starb fünf Wochen später, im Alter von nur 48 Jahren, an einer verschleppten Blinddarmentzündung.

    Nach seinem Tod rangierte er lange Zeit auf den ersten Plätzen der einschlägigen Lesebücher und Anthologien. Mittlerweile gilt er nur noch als altes schweres Möbel der Poesie, das von Lesern kaum noch benutzt wird und selbst Doktoranden und anderen Spezialisten kaum noch Stoff bietet. So ist es um das Oeuvre Bobrowskis in den letzten Jahren sehr still geworden. Während von seinen poetischen Zeitgenossen Paul Celan und Ingeborg Bachmann, die einst mit ihm in den Rang eines modernen Klassikers aufstiegen, fast jedes Jahr neue Publikationen aus dem Nachlaß vorgelegt werden, die das öffentliche Interesse wach halten, ist der Lyriker Bobrowski seit dem Erscheinen seiner "Gesammelten Werke" im Jahr 1987 fast unauffindbar verschollen. Die Deutsche Verlags-Anstalt in Stuttgart, die damals im Rahmen einer Lizenzausgabe und in etwa zeitgleich mit dem Ostberliner Union Verlag das Gedichtwerk publizierte, hat nun einen bemerkenswerten Wiederbelebungsversuch des Dichters Johannes Bobrowski unternommen. In einer Neuauflage der ersten beiden Bände der Werkausgabe sind nun noch einmal Bobrowskis gesammelte Gedichte und die lyrischen Texte aus dem Nachlaß erschienen. Neu hinzu tritt als Band 5 der "Gesammelten Werke" der schon vor elf Jahren versprochene Kommentarband, in dem der Herausgeber und Nachlaßverwalter Eberhard Haufe die publizierten Gedichte und die Gedichte aus dem Nachlaß historisch und textkritisch erläutert.

    Aus einer größeren zeitlichen Distanz kann man sich nun den fernen und fremden Landschaften des Dichters Bobrowski nähern und sich Rechenschaft ablegen, ob einen das Werk dieses modernen Klassikers überhaupt noch erreicht. Schon zu Lebzeiten des Dichters waren die Orte seiner Herkunft, die östlichen Landschaften und Figuren, die er in seinen Gedichten beschwor, zum Stoff der Erinnerung geworden, versunken in zwei Weltkriegen, die die europäische Landkarte von Grund auf verändert hatten. Als Bobrowski 1952 seine ersten gültigen Gedichte schrieb, waren die heimatlichen Lebenswelten zwischen dem ostpreußischen Tilsit, wo Bobrowski am 9. April 1917 geboren wurde, der einstigen Provinzialhauptstadt Königsberg und den angrenzenden litauischen, polnischen und russischen Gebieten mehrfach einer politischen Revolution unterworfen worden. Das Neue und Faszinierende an Bobrowskis Gedichten, so hat Stephan Hermlin einmal sehr prägnant formuliert, "bestand in der Umwertung dieser geschichtlichen Landschaft". Es ist jene Landschaft im Nordosten Europas, die Bobrowski selbst "Sarmatien" genannt hat. Auf der Weltkarte spätantiker Historiker bezeichnete "Sarmatia" das Land zwischen Wolga und Weichsel, ein frühes geographisches Synonym also für Osteuropa. In einer berühmt gewordenen Notiz, formuliert für Hans Benders 1962 erschienene Lyrik-Anthologie "Widerspiel", hat Bobrowski diesen poetologischen und geographischen Ort definiert:

    "Zu schreiben habe ich begonnen am Ilmensee 1941, über russische Landschaft, aber als Fremder, als Deutscher. Daraus ist ein Thema geworden, ungefähr: Die Deutschen und der europäische Osten. Weil ich um die Memel herum aufgewachsen bin, wo Polen, Litauer, Russen, Deutsche miteinander lebten, unter ihnen allen die Judenheit. Eine lange Geschichte aus Unglück und Verschuldung, seit den Tagen des deutschen Ordens, die meinem Volk zu Buch steht. Wohl nicht zu tilgen und zu sühnen, aber eine Hoffnung wert und einen redlichen Versuch in deutschen Gedichten. Zu Hilfe habe ich einen Zuchtmeister: Klopstock."

    In dem Nachlaßband hat Eberhard Haufe kenntlich gemacht, daß diese Selbstaussage Bobrowskis nicht ganz den biographischen Tatsachen entspricht. Denn dort sind schon Gedichte aus dem Jahr 1935 dokumentiert, epigonale Reimgedichte des Achtzehnjährigen, der sich schon früh als Dichter versuchte, nachdem er von seinem ursprünglichen Lebensplan, Musiker zu werden, wieder abgerückt war. Auch als Soldat, wo er zuerst in Frankreich und später in Russland einem Nachrichtenregiment zugeteilt war, hielt Bobrowski an seinen Reimstrophen und schwermütigen Stimmungsgedichten fest - bis ihn die Erfahrungen an der nordrussischen Front, die furchtbaren Verheerungen des Landes durch die deutschen Truppen, erstmals aus seiner Innerlichkeit herausrissen. Rückblickend schrieb er im Jahr 1943:

    Das Erste, was wir hier lernten, ist das Sehen. Die Landschaft, immer wieder abgesucht, kam uns mit nichts entgegen.

    Von diesen Zeitpunkt an versuchte Bobrowski diese Landschaft poetisch zu vermessen, sie, wie er später formulierte, "wirklich in den Griff zu bekommen, außerhalb der einfachen Beschreibung". In den baltischen und russischen Landschaften diesseits und jenseits der Memel versuchte er, wie er an Ina Seidel schrieb, "aus den vielen und vielfältigen Einzelbildern das eine Bild, gleichsam das Prinzip etwa des Stroms, der Ebene usw. zu fügen". Diesem Vorsatz entsprangen aber zunächst nur hochtönende und geschichtsferne Oden, von denen einige 1944 in der Zeitschrift "Das Innere Reich" erschienen, später dann gefühlvolle "Heimatlieder", in denen sich der Dichter in russischer Kriegsgefangenschaft Trost zusprach. In dieser Tradition der Innerlichkeit verharrte der protestantisch erzogene Dichter bis zum Jahr 1952 - bis zu jenem Gedicht "Städte sah ich", das Eberhard Haufe als die Geburt von Bobrowskis poetischer Originalität markiert:

    Städte sah ich im stäubenden Wind, gehäuft aus verwirrten Dächern, gilbenden Wänden, Getürm. Die versinken im Land.

    Zelte, für eine Nacht noch, ruhten sie unter dem Himmel, vom unzähligen Nachhall gestorbener Stimmen, zerrissner Glockenmünder verhängt und frierend vor Alter.

    Hier liegt also der poetische Ursprung jener freirhythmischen Odenstrophe, die Bobrowski in Anlehnung an seinen "Zuchtmeister Klopstock" gesucht und in seinen Gedichten der "Sarmatischen Zeit" und des Bandes "Schattenland Ströme" zu einer unverwechselbaren Form entwickelt hat. Aber es dauerte noch bis 1955, bis der Dichter Peter Huchel, der schon damals in der DDR angefeindete Herausgeber der Zeitschrift "Sinn und Form", den unbekannten Autor aus Tilsit entdeckte und an exponierter Stelle in seiner Zeitschrift mit vier Gedichten plazierte. In diesen Gedichten wird schon der große Dichter Bobrowski sichtbar, der seine Verse in der unmittelbaren Nähe von Zauberspruch und Beschwörungsformel ansiedeln wollte. Das Gedicht "Kindheit", das später in den Band "Sarmatische Zeit" aufgenommen wurde, repräsentiert nicht nur die originäre Schreibweise Bobrowskis, es versammelt auch schon all jene Sehnsuchtsmotive und Landschaftsbilder, jene Beschwörungen und Anrufungen des unwiederbringlich Vergangenen, die für die Lyrik des sarmatischen Melancholikers konstitutiv sind:

    Kindheit Da hab ich den Pirol geliebt - das Glockenklingen, droben aufscholls, niedersanks durch das Laubgehäus,

    wenn wir hockten am Waldrand, auf einen Grashalm reihten rote Beeren; mit seinem Wägelchen zog der graue Jude vorbei.

    Mittags dann in der Erlen Schwarzschatten standen die Tiere, peitschten zornigen Schwanzschlags die Fliegen davon.

    Dann fiel die strömende, breite Regenflut aus dem offenen Himmel; nach allem Dunkel schmeckten die Tropfen, wie Erde.

    Oder die Burschen kamen den Uferpfad her mit den Pferden, auf den glänzenden braunen Rücken ritten sie lachend über die Tiefe.

    Hinter dem Zaun wölkte Bienengetön. Später, durchs Dornicht am Schilfsee, fuhr die Silberrassel der Angst. Es verwuchs, eine Hecke, Düsternis, Fenster und Tür.

    Da sang die Alte in ihrer duftenden Kammer. Die Lampe summte. Es traten die Männer herein, sie riefen den Hunden über die Schulter zu.

    Nacht, lang verzweigt im Schweigen - Zeit, entgleitender, bittrer von Vers zu Vers während: Kindheit - Da hab ich den Pirol geliebt.

    Charakteristisch für die Dichtung Johannes Bobrowskis ist hier, wie in eigentlich allen seinen Texten, die Beschwörung eines Verlusts, das retrospektive Weltverhältnis, das sich artikuliert in Trauer und Melancholie. In einem suggestiven Sehnsuchtston, im sprachmagischen Klangzauber wird das Arkadien der Kindheit vergegenwärtigt. Aus einer versunkenen Ferne wehen die Töne einer scheinbar unbeschwerten Kinderzeit herüber: als Glockenklingen, Vogelgesang, Bienengesumm, als Blätterrascheln und Regengeräusch. Diese Landschaft scheint weit offen für Wünsche und Sehnsüchte, der Dichter scheint sich in purer Schwärmerei zu verlieren. Aber auch diese Kindheitslandschaft zwischen Pirol, schwarzen Wäldern und "Bienengetön" hat Bobrowski die Chiffren der Bedrohung und der Gefahr eingezeichnet. Der zweite Teil des Gedichts nimmt eine Wendung ins Düstere, Bedrohliche, das erhaben angerufene "Bienengetön" wird jäh durch die "Silberrassel der Angst" unterbrochen. Schon in der zweiten Strophe erscheint als unwiederbringliche Gestalt "der graue Jude mit seinem Wägelchen": Das ist als historischer Hinweis zu verstehen, als deutlich markierte Einsicht, daß diese Kindheitslandschaft mittlerweile durch die Schrecken der Realgeschichte hindurchgegangen ist und nur noch in der poetischen Erinnerung wiederhergestellt werden kann. Mit Peter Huchel verbinde ihn, so bekannte Bobrowski in einem Interview, ein besonderer poetischer Blick auf Landschaften, der in Naturlyrik eine geschichtliche Perspektive einzieht:

    "Da habe ich es her, Menschen in der Landschaft zu sehen, so sehr, daß ich bis heute eine unbelebte Landschaft nicht mag. Daß mich also das Elementare der Landschaft gar nicht reizt, sondern die Landschaft erst im Zusammenhang und als Wirkungsfeld des Menschen."

    Die Gestalten, die sich hier in Bobrowskis Kindheitslandschaft bewegen, haben unterschiedliche Funktionen. Der "graue Jude" ist erkennbar noch dem glücklichen Kindheitskosmos integriert, ebenso die reitenden "Burschen". Aber die im Gedicht nicht näher bestimmten, anonym bleibenden "Männer" mit ihren Hunden, die in die Kammer der singenden "Alten" treten, erscheinen als Boten der "Düsternis". Schon hier kann man, wenn man genug spekulative Phantasie mitbringt, einen Hinweis auf die Verheerungen herauslesen, die das nationalsozialistische Deutschland seinen östlichen Nachbarvölkern zugefügt hat. Den "grauen Juden mit dem Wägelchen" haben deutsche Herrenmenschen, wenn auch nicht unbedingt die Männer des "Kindheit"-Gedichts, aus dieser Landschaft verschwinden lassen. Eberhard Haufe verweist in seinem Kommentarband auf Paul Celans "Todesfuge" , worin ein namenloser Judenverfolger "seine Rüden herbeipfeift". Und Bobrowski selbst hat immer wieder betont, daß er mit seiner Dichtung "Verschuldungen der Deutschen" benennen und diese Schuld auch "verringern" oder "abbauen" will.

    Die schwierigen Bildfügungen Bobrowskis lassen sich nicht alle interpretativ auflösen - zu sehr gibt der Autor an einigen Stellen der von ihm eingestandenen "heimlichen Neigung zum Hermetismus" nach. Um den spekulativen Ausschweifungen beflissener Interpreten Einhalt zu gebieten, kommt nun Eberhard Haufes Band mit Erläuterungen und Kommentaren fast schon zu spät. Gleichwohl liefert Haufe, der sich in vielen Aufsätzen als stupender Kenner und sorgfältiger Interpret der Gedichte Bobrowskis ausgewiesen hat, mit seinen textkritischen Anmerkungen und Worterläuterungen wertvollste und teilweise neue Informationen, gleichsam ein Grundbuch zu jeder künftigen Bobrowski-Rezeption.

    Im Unterschied zu dem als Hermetiker titulierten und auch mißverstandenen Paul Celan besaß Bobrowski ein "ungebrochenes Vertrauen in die Wirksamkeit des Verses", wie er gegenüber seinem zeitweiligen poetischen Weggefährten Peter Jokostra erklärte. In fast allen Gedichten arbeitet Bobrowski mit magischen Evokationen, mit bestimmten Naturzeichen als Schlüsselwörtern: Sand, Ebene, Nacht, Ufer, Strom, Wald, Himmel und so weiter. Sie werden in das Gedicht als auratische Objekte eingeführt und in drängendem, oft atemlosen Sprachduktus weiter evokativ aufgeladen. Christoph Meckel hat in seinem famosen Erinnerungsbuch an Johannes Bobrowski, einem unüberbietbar genauen Porträt des Dichters, diese lyrische Technik seines Freundes analysiert:

    "Ein Wort, oft ein Substantiv, wird in den Raum gesetzt, unwider ruflich, ein lyrischer Findling. Die vollkommene Gegenständlichkeit und die vollkommene Abstraktion des einzelnen Worts wird zum Grundstein der Versfigur. Mit Substantiven wird der Vers aus der Sprachlosigkeit herausgeschlagen, mit Substantiven wird er aufgebaut. Aus Substantiven und Härte des Satzbaus löst sich danach der rhyth mische Ablauf des Gedichts , variiert in Erzählung, Bericht, Beschwörung, bei ständiger Wiederkehr der Schlüsselwörter (...) und endet in melodischem Finale."

    Es ist der beschwörende Duktus, es ist der dunkle Ton der Bobrowskischen Melodie, der auch noch dreiundreißig Jahre nach dem Tod des Dichters in Bann schlägt. Die Landschaften und Gestalten, von denen der Dichter spricht: all die einsamen Bauern und Jäger, wandernden Juden und mythologischen Figuren inmitten von dunklen Flußgebieten, sind in noch größere Ferne gerückt als vor drei Jahrzehnten, als der Stern des Dichters Johannes Bobrowski aufging. Aber die Frage nach der historischen Schuld der Deutschen, die Frage des Dichters Bobrowski nach der Verantwortung für die eigene Nationalgeschichte, ist in jüngster Zeit auf beklemmende Weise zurückgekehrt. Den Optimismus des Dichters Bobrowski haben sich die literarischen Nachgeborenen dabei nicht bewahren wollen, zu viele dünnflüssige Medienstimmen haben sich in die Debatte um deutsche Schuld eingemischt. An literarische Wirkung glaubt niemand mehr, auch Bobrowski hatte schon früh vor Illusionen gewarnt:

    "Gedichte gehen nicht aufs Publikum, sie sind als Selbstaussagen... auch durchaus privaterer Natur. Die Teilnahme anderer ist Zufall, Glücksfall oder Irrtum. Im Grunde gehen sie nur den Erzeuger selbst an."

    Und doch hat sich Johannes Bobrowski immer wieder seinem sarmatischen Thema gestellt - nicht nur, um die private Erinnerung an die verlorene Kindheit zu retten, sondern um auch kollektives Eingedenken zu stiften - an eine Vergangenheit, die nicht vergeht und nicht vergehen darf:

    "Ich bin dafür, daß alles immer neu genannt wird, was man so ganz üblich als >unbewältigt< bezeichnet, aber ich denke nicht, daß es damit>bewältigt< ist. Es muß getan werden, nur auf Hoffnung. "