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"Die Wohnungsmärkte sind zu Ramschmärkten geworden"

Der Plan von SPD und Union, die Mieten zu deckeln, schaffe ein gutes Stück mehr Soziale Marktwirtschaft, sagt der nordrhein-westfälische Bauminister Michael Groschek (SPD). Damit auch die derzeitigen Mieten sinken, brauche es auch mehr Einsatz der Kommunen und Länder.

Michael Groschek im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 06.11.2013
    Tobias Armbrüster: Können sich Mieter in Deutschland bald auf Entlastung freuen? Sind die Zeiten der rasant steigenden Wohnungsmieten bald vorbei? SPD und Union haben sich in Berlin bei ihren Koalitionsgesprächen auf eine Mietpreisbremse geeinigt. Mietpreissteigerungen sollen stärker reguliert werden, bei Neuvermietungen darf der Satz künftig nur maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Miete liegen. Am Telefon ist jetzt Michael Groschek (SPD), der Bauminister in Nordrhein-Westfalen. Schönen guten Morgen, Herr Groschek.

    Michael Groschek: Guten Morgen, Herr Armbrüster.

    Armbrüster: Herr Groschek, kann mehr Planwirtschaft den Mietern in Deutschland wirklich helfen?

    Groschek: Das ist nicht Planwirtschaft, das ist endlich wieder ein gutes Stück mehr Sozialer Marktwirtschaft. Denn gerade die Wohnungsmärkte sind zu Ramschmärkten geworden im Geiste der Neoliberalisierung. Dass wir das jetzt ein wenig ordnen, ist längst überfällig, und das, was wir als Mietpreisbremse bezeichnen, ist ein ganz wichtiger Beitrag dazu, dass Menschen ihr gutes Recht auf preiswertes Wohnen auch verwirklichen können.

    Armbrüster: Aber viele Mieter haben den Eindruck, das ist kein Ramschmarkt, sondern ganz im Gegenteil ein sehr überteuerter Luxusmarkt.

    Groschek: Ja! Es gibt ja beide Phänomene und mit Ramschmarkt bezeichne ich einfach das Phänomen, dass Wohnungen wie eine übliche Handelsware angeboten werden. Deshalb haben wir uns verabredet, drei Elemente neu zu fassen. Das eine ist, was Sie angesprochen haben. Zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete, also über dem Mietdurchschnitt, ist das Maximum der Mietpreissteigerung bei Wiedervermietung. 15 Prozent in vier Jahren ist insgesamt die zulässige Mieterhöhung. Und eine Reduzierung der Kostenumlage beispielsweise bei der energetischen Gebäudesanierung, zehn Prozent statt elf Prozent und künftig auch zeitlich begrenzt auf den Amortisationszeitraum. Das sind die Elemente, mit denen wir hoffen, einen wichtigen Beitrag leisten zu können, dass Mieten nicht zum Luxus werden.

    Armbrüster: Der Eigentümerverband Haus und Grund nennt diese Pläne groben Unfug und er sagt, wer Mieten deckelt, der würgt den Wohnungsmarkt ab.

    Groschek: Nein. Das ist natürlich ein sehr verkürztes Eigentümerinteresse. Ich glaube, dass ganz viele Vermieter die Perspektiven anders beurteilen. Wir müssen sicher sein, dass die Mietpreisbremse nicht das einzige Element ist zur Mobilisierung von mehr Wohnraum. Wir müssen zusätzlich auf kommunaler Ebene mehr Grundstücke mobilisieren. Da sind die Kommunen gefordert, mehr Bauland auszuweisen. Und die Länder müssen natürlich ihren Beitrag dazu leisten, dass sie aktiv soziale Wohnraumförderung betreiben. All das gehört zusammen. Wir brauchen in Deutschland in Wirklichkeit von der Kommune über die Länder bis zum Bund ein Bündnis für preiswertes gutes Wohnen.

    Armbrüster: Aber ist es nicht so, Herr Groschek, dass die Bundesländer einfach überhaupt kein Geld mehr haben, um Wohnungsbau wirklich noch aktiv zu fördern?

    Groschek: Nein. Sehen Sie das Beispiel Nordrhein-Westfalen. Wir stellen Jahr für Jahr 800 Millionen Euro verbilligte Darlehensprogramme zur Verfügung, um Wohnraum und Sozialraumförderung, also Stadtteilförderung zu betreiben, und wir haben uns gesetzlich, landesgesetzlich verpflichtet, die Bundesmittel auch nur zu diesem Zweck einzusetzen. Auch das ist wichtig, dass die Bundesmittel, die fließen für die soziale Wohnraumförderung, auch wirklich bei der sozialen Wohnraumförderung landen.

    Armbrüster: Aber jetzt ist es doch so: Wenn sich wirklich jemand heute überlegt, ich will Wohnungen bauen, und sie bauen, um sie anschließend zu vermieten, der wird sich das jetzt zweimal überlegen, wenn er hört, dass die neue Große Koalition hier diesen Deckel drauflegt.

    Groschek: Nein. Das sind nur die Spekulanten, die sich das überlegen, und das ist auch gut so. Die seriöse Wohnungswirtschaft, die den weit überwiegenden Bestand hält, die baut und plant und ist froh darüber, verlässliche Rahmendaten zu haben. Das ist Investitionssicherheit, das ist nicht Spekulationsblase erzeugend, sondern seriös, und deshalb bin ich optimistisch, dass wir deutliche Entspannungen hinbekommen. Wir haben ja auch gute Beispiele. In Hamburg beispielsweise wirkt die Mobilisierung von Wohnungsbau und Wohnungsbauflächen schon preisdämpfend. In Berlin schießen die Bauanträge in die Höhe, weil der Senat aktiv geworden ist. Das zeigt, ein koordiniertes Handeln mobilisiert Wohnraum, und das wirkt immer preisdämpfend.

    Armbrüster: Aber Sie wollen uns jetzt nicht wirklich sagen, dass in Berlin und in Hamburg gerade die Mieten fallen?

    Groschek: Nein! Aber in Hamburg ist jetzt schon nachvollziehbar, dass das beispielgebende Wohnungsbauprogramm des Hamburger Senats preisdämpfend wirkt. Die Hamburger haben statistisch nachgewiesen eine geringere Mietpreiserhöhung als noch vor wenigen Jahren, bevor das Wohnungsbauprogramm gestartet wurde, weil natürlich mehr Angebot immer preisdämpfend wirkt auch bei einer hohen Nachfrage.

    Armbrüster: Okay. Aber das heißt, die Mieten steigen nach wie vor, sie steigen vielleicht nicht mehr ganz so schnell wie in den vergangenen Jahren. – Jetzt kommen da viele Leute und sagen, Moment mal, das was wir da hören, auch diese Mietpreisbremse zehn Prozent, das ist eigentlich alles nur Kosmetik, weil selbst die aktuellen Mieten sind eigentlich schon viel zu hoch. Wir müssten eigentlich den Trend vollkommen umkehren!

    Groschek: Ja, das wird dann die nächste Stufe sein. Das wird nur gelingen, wenn wir ein ausreichend großes Angebot bekommen, damit wirklich Wahlfreiheit besteht und Marktwirtschaft funktionieren kann. Der Markt funktioniert ja nur dann, wenn beide Seiten, die Anbieter und die Nachfrager, ungefähr gleich stark sind. Bei den nachfragestarken Märkten, also in den Boom-Städten, haben wir ja ein völlig auf den Kopf gestelltes Marktangebot. Da überwiegt die Nachfrage deutlich das Angebot und das lässt die Preise explodieren. Und hier tritt die Mietpreisbremse in Kraft und sagt, spekulieren darfst Du nicht mehr auf dem Rücken von Mieterinnen und Mietern und eine ausbeutungsgleiche Mieterhöhung wird künftig so nicht mehr möglich sein.

    Armbrüster: Aber Marktwirtschaft können Sie das nicht wirklich nennen.

    Groschek: Nein! Wir versuchen ja gerade, mit der Mietpreisbremse wieder Soziale Marktwirtschaft möglich zu machen auf den angespannten Mietermärkten, weil da real ja gar keine Marktwirtschaft stattfindet, oder eine Marktwirtschaft, die sich jedenfalls nicht mehr sozialen Maßstäben beugt. Und das wollen wir wieder erreichen und ich bin optimistisch, dass die Mietpreisbremse ein wichtiger Beitrag dazu ist. Das ist kein Patentrezept, da müssen weitere Aktivitäten folgen, aber die haben wir ja auch verabredet.

    Armbrüster: Herr Groschek, lassen Sie uns noch kurz auf die Koalitionsverhandlungen bitten. Da sitzen Sie, also die Länder, zurzeit bei diesen Gesprächen in Berlin mit am Tisch, auch Ihre Chefin Hannelore Kraft ist ja mit dabei. Erleben wir da gerade jetzt nicht nur beim Punkt Wohnungsbau-Politik, sondern auch bei vielen anderen Feldern, bei denen es um eine Menge Geld geht, wie sich die deutschen Bundesländer da schon vorab sozusagen in eine Falle locken lassen, so nach dem Motto, ihr habt es mit beschlossen in den Koalitionsverhandlungen, jetzt könnt ihr euch nicht anschließend darüber beschweren?

    Groschek: Nein. Bei allen fachlichen und sachlichen Auseinandersetzungen spielt natürlich auch ein Interessenausgleich zwischen Bund und Ländern und "in Ländervertretungen" dann eben auch für die Kommunen schon eine Rolle. Und ich glaube, dass wir zu sehr ausgewogenen Ergebnissen kommen. Jedenfalls kann ich das für den Bereich Bauen, Planen, Wohnen und Verkehr charakterisieren, den ich mit verantworten darf. Ich glaube, dass da unterm Strich sehr deutlich werden wird, dass zwischen Ländern und Bund im Interesse der jeweils Betroffenen eine vernünftige Balance verabredet werden konnte.

    Armbrüster: Michael Groschek war das, der Bauminister in Nordrhein-Westfalen. Besten Dank für das Gespräch heute Morgen.

    Groschek: Bitte!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    NRW-Parteichefin Hannelore Kraft und Generalsekretär der NRW-SPD Michael Groschek stimmen für den Koalitionsvertrag der Minderheitsregierung in NRW
    NRW-Parteichefin Hannelore Kraft und NRW-Bauminister Michael Groschek (beide SPD) (AP)