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Die Zeit der Kokosnussinseln

Ankunft in Tahiti im dritten Jahrtausend. Und doch wirkt der erste Blick auf seine Küste, als sei man ins Wunderland gelangt. Aber Kokosnüsse und bunte Vögel sind nur die eine Seite dieses Inseltraums.

Von Jule Reiner | 30.05.2010
    "Matavai-Bucht auf Otaheite, August 1777. Während unserer dreiwöchigen Überfahrt von den Freundschafts- zu den Gesellschaftsinseln rannen die Tage ineinander und glichen sich wie Zwillingsbrüder. An fast alles habe ich mich inzwischen gewöhnt, an die Enge, an die Rohheit der Männer, an die eintönige Kost, an den Gestank, an den üblen Geschmack des Wassers, sogar an die Auspeitschungen.

    Otaheite nun ist trotz der schroffen Berge im Landesinnern schön und lieblich, mehr Kokosnüsse gibt es nirgends, und die Wohlgestalt der Frauen, die sich Blumen ins Haar stecken, lässt an paradiesische Verhältnisse denken, auch wenn ihr Selbstbewusstsein größer ist als auf anderen Inseln und der Preis, den sie oder die sie verkuppelnden Männer verlangen, ständig steigt. Es wird uns immer klarer, dass die Inselgesellschaften streng gegliedert sind in Obere, Mittlere und Untere, die teils gar in sklavenähnlichen Verhältnissen leben."


    Ankunft in Tahiti im dritten Jahrtausend. Und doch wirkt der erste Blick auf seine Küste, als sei man ins Wunderland gelangt. Die beiden zweitausend Meter hoch aufragenden Vulkankrater des Aorai und Orohena in ihrem grünen sanften Pelz, das makellose Lichtblau von Moana, dem freundlichen Ozean, wie die Tahitianer sagen. Und darin verschwimmt die Schwesterinsel Moorea mit ihren Wolkenhauben auf den gezackten Vulkangiebeln in Tönen aus Kobalt, Rosa und Violett, während in der Lagune unzählige Kanus, die Va´as, elegant und tonlos vor der phantastischen Kulisse dahin schweben. Ein Bild wie aus den frühen Südseegemälden der europäischen Schiffsmaler.

    Ein solcher war auch John Webber. Er begleitete die dritte Weltumsegelung des Captain James Cook auf der Dreimastbark Resolution. Es war die Zeit, als sich die westliche Welt von den Inseln Ozeaniens ein überhöhtes paradiesisches Bild gemacht hatte. Erstentdecker wie Charles de Bougainville hatten daran kräftig mitgewirkt. Als Cooks Schiff in der Matavai Bay auf Tahiti aufkreuzte, war allerdings das Paradies auf Erden schon stark angekratzt. Das überliefert ein Schiffstagebuch, das Webber entgegen dem strengen Verbot der Admiralität führte. Aus diesen und anderen Überlieferungen schöpft ein Roman mit dem Titel "Bis ans Ende der Meere". Er ist mitgegangen auf die Reise ins ferne Polynesien. 4,5 Millionen Quadratkilometer Meeresfläche umfasst es. Darin treiben 120 Insel mit einer Gesamtfläche von 3500 Quadratkilometern wie ein Haufen schwimmender Kokosnüsse.

    Die Vögel verkünden in der ersten zarten Morgenröte den neuen Tag mit einem Stimmvolumen, das kein Polynesier aufbringt. Deren Begrüßungen sind leise und murmelnd. Der Rußbülbül hingegen, der mit dem kecken roten Schopf, und Martin triste, der Hirtenstar mit den quittengelben Beinen, bilden im Hotelgarten das Zankgeschwader um den Frühstückstoast. Und Géopélien, die Gesellschaftstäubchen, spazieren durchs luftige Restaurant. Der Schiffsmaler John Webber hat das Paradiesgefieder unermüdlich gemalt, sich Gedanken um das Verhältnis von naturgetreuer Abbildung und künstlerischer Gestaltung gemacht und auch über den Eingriff der Europäer in die Natur der Menschen hier.
    "Man kann sich fragen, wie die Insulaner auf eine christliche Kirche reagieren, was sie zu geschmückten Säulen, zum Hochaltar, zu Kanzel und Heiligenbildern sagen würden. Je genauer und umfangreicher wir über die neu entdeckten Inseln berichten, desto leichter wird es sein, sie aufzufinden, zu bekehren und zu plündern. Dies gestehe ich mir nur in der stillen Kammer ein; es ist eine gefährliche Einsicht, die mir, dem besoldeten Zeichner und Maler, gar nicht zusteht."

    Papeete, die Hauptstadt Tahitis und Verwaltungssitz für Französisch-Polynesien am frühen Morgen. Die Hitze liegt schwer über kleinen Geschäftshäusern. Lamellenvorhänge zucken in den Fenstern, als würden sie nach Luft schnappen. Papeetes Markthalle aber ist eine kleine polynesische Kathedrale mit perlendem Klang und den Farben des Ozeans. Eine Marktfrau kommt eher scheu zwischen ihrem exotischen Sortiment aus aufgetürmten Fläschchen, Tiegeln und sorgsam in Palmblätter gewickelten Päckchen hervor.

    ""Darin sind Monoi-Öle aus Tiaréblüten, Vanille oder Kokos gegen die starke Sonne", "

    erklärt sie. Oder hier als Parfüms und zur Haarpflege oder für Massagen, in den Päckchen ist Seife mit Blütenduft, daneben Blumenschmuck für die Haare, weil tahitianische Frauen nie ohne Blumen gehen, lächelt die bildschöne rundliche Frau, die ein Malermodell sein könnte. Nebenan gibt es Ketten, Kämme und Spangen aus Muscheln und Perlmutt. Andere Stände quellen über von Brotfrüchten, Yamswurzeln, Süßkartoffeln, Kokosnüssen, Ingwer, Koriander. Thunfischfilets werden geschnitten für das Nationalgericht "poisson cru", roh mit Zwiebelchen und Gemüse in Limettensaft und Kokosmilch eingelegt. Manche Fische haben ein solch herrlich farbiges Schuppenkleid - fast zu schön, um sie zu verspeisen.

    Wenn Papeete am späten Nachmittag ausatmet, sausen alle aus dem Betonofen hinaus zu Moana, dem blauen Ozean. Um die Küste spannt sich ein breites Asphaltband, auf dem Geländewagen, Taxis und flotte Trucks dann ihre tägliche Landregatta vollführen, in der Lagune schweben die Kanus, an den Stränden gleiten hunderte Surfer in den Wellen, in die meerwärts liegenden Abhänge des Vulkankraters geschmiegt liegen die Siedlungen, und auf der anderen Seite einer der schönsten Urwälder der Welt.

    Alfonse Teiva ist ein gut geübter Touristenführer. Mit einem Jeep bringt er kleine Gruppen zu einer Aussichtsstelle oberhalb der Matavai Bay – ein Blick in ozeanisches Gleißen und alte Südseeträume – der Ankunftsort Cooks. Dann geht es auf ausgewaschenen Pisten in den Vulkankrater. Vor dem hohlen Stamm einer alten Wildkastanie erklärt Alfonse, dies sei das mittelalterliche Telekommunikationssystem, das Lokaltelefon der Ahnen gewesen. Das Echo des geschlagenen Holzstammes reichte vom Urwaldkessel bis an die Küste, erklärt er und da er inzwischen die Kleidung gewechselt hat, ist Alfonse in einem um die Hüfte gewickelten Pareu und mit nacktem Oberkörper, prächtigen Tätowierungen und Schmuck aus Haifischknochen zu einem Abbild des edlen Wilden geworden.

    Captain Cook tauschte mit den Eingeborenen Nahrungsmittel gegen Schiffsnägel und andere Gegenstände aus Eisen. Auch Lebendvieh hatte er dabei, das er aussetzten ließ, um zu erproben, ob das Inselklima für eine Landwirtschaft der britischen Krone taugte. Bei den vorangegangenen Eroberungsreisen hatten die Europäer aber auch den Syphiliserreger unter die Eingeborenen gebracht, und nun entdeckte der Schiffsarzt Anderson bereits Kranke mit Geschwüren im tödlichen Endstadium. Die Krankheiten, meinte Cook, könnten der Preis für den Fortschritt und so viel Gutes sein, das sie den Völkern brächten.

    Die Fahrt mit Alfonse führt durch die Mitte des Vulkans und über Täler, die aus tausend Schattierungen von Grün und silbrig glänzenden Farnen gewoben sind. Darin flammen die Bäume der Arican Tulip wie Leuchtfeuer auf. Kein Mensch siedelt mehr in diesem Urwald. Wir stapfen über weiche Teppiche aus Mimosen und durch Wiesen aus Papyrusgras, riechen an exotischen
    Ankunft in Tahiti im dritten Jahrtausend. Und doch wirkt der erste Blick auf seine Küste, als sei man ins Wunderland gelangt. Aber Kokosnüsse und bunte Vögel sind nur die eine Seite dieses Inseltraums.

    Pflanzen, flechten uns Blätterkronen und baden unter Wasserfällen in kühlenden Felsenpools. Dann wieder taucht strömender Regen den Garten Eden für kurze Zeit in düsteres Grau und über hohe Felsen strömen Wasserrinnen, die aussehen wie die Mähnen polynesischer Götterfiguren. Solche Figuren bewachen noch heute eine alte, wieder freigelegte Siedlung im Urwald, ein Marae.
    Die Maraes waren Versammlungsplätze mit einer großen Kultplattform aus Basaltquadern, aber sie waren auch Dörfer. Man konnte in ihnen drei- bis fünftausend Einwohner finden, erklärt Alfonse. Und allein im Vulkankrater von Tahiti Nui sind vierhundert solcher Maraes überliefert. Dort kamen die Stammesführer zusammen – die Könige, die großen Krieger, Medizinmänner, die Meister der Tatoos und die Tänzer – um die kommenden Tage zu planen.

    In diese Gefilde drangen Cook und seine Männer vor, als zum Beispiel eine der ausgesetzten Ziegen verschwand oder ein Schiffssextant entwendet wurde. Den mangelnden Respekt der Eingeborenen vor fremdem Eigentum musste man schließlich disziplinieren.

    "Wir gingen durch Hibiskusdickichte, deren Blüten im Halbdunkel leuchteten wie Glutaugen. Gelbe Eidechsen flüchteten vor uns, Vögel flogen kreischend davon. Beim Abstieg über den südlichen Hügelrücken stießen wir hier und dort auf Weiler mit ein paar Häusern. Die Bewohner liefen vor uns davon; die Kunde vom Zorn der Briten war wohl schon bis zu ihnen gelangt. Gegen Mittag erreichten wir ein Dorf, das sich am Rand einer kleinen Bucht befand. Die meisten Häuser waren leer, doch Philips gelang es, einige Bewohner zusammenzutreiben und sie auf dem Dorfplatz festzuhalten.

    Wo die Ziege sei, fragte Cook barsch, sie werde hier versteckt gehalten, das wisse er. Wenn sie nicht innerhalb einer Viertelstunde zum Vorschein komme, würden die Häuser und die Kanus am Strand in Brand gesetzt. Einige Frauen und Kinder, die auf dem sandigen Boden kauerten, begannen leise zu klagen. Cook schaute mit versteinerter Miene auf seine Taschenuhr.
    "Die Menschen hier haben doch keinen Begriff von der Zeit", flüsterte mir Anderson ins Ohr."


    ""Heute treffen wir uns wieder mit der ganzen Familie am Wochenende im Marae", "

    erklärt Alfonse. Und dies ist auch der Ort, wo kulturelle Begegnungen mit Maorigruppen aus Hawaii und Neuseeland stattfinden. Denn es sei nun einmal so, dass die Tahitianer weit mehr von ihrer Kultur verloren hätten, als sie. Durch den Austausch von Kultgegenständen und Geschenken und in gemeinsamen Tanzritualen versucht nun die Organisation "aruru", benannt nach einer polynesischen Muttergottheit, die Kultur wiederzubeleben. Auch das Tatoo, die hohe polynesische Kunst der Ganzkörperbemalung, erfährt nach 200jährigem Verbot durch die Missionare eine Renaissance "Wir haben den Code für die Welt der Ahnen verloren", gibt Alfonse zum Abschied einen Hinweis, "aber auf Moorea wird ein neuer geschrieben".

    Eine Schnellfähre pflügt in die smaragdfarbenen Gewässer der Inselkokosnuss Moorea. Öffnet man ihre Schale, quellen lauter Perlen hervor. Unter der Glasbodenloggia des Strandhotels schwärmen die Fische neugierig herbei, ein Korallengarten funkelt brillant. Mit dem Bus umrundet man die Cooks Bay, die ein Gott da hingepinselt haben muss. Opunhau, von "opu" – der Bauch und "nahu" – der Steinfisch, so hieß sie vor Cooks Ankunft: Bauch des Steinfischs. Flankiert von zwei stalagmitartigen Vulkannadeln, wolkenumzüngelt, mit geisterhaft gefurchten Steinfratzen, umspielt von Palmen und Bougainvilleen. Füllige polynesische Frauen treiben mit ihren Kindern im Wasser wie gelassene Seekühe mit einem zappelnden Entenschwarm. In einem kleinen Küstennest setzt uns der Bus vor einer unscheinbaren Hütte ab. Taniera Tatoo steht in tanzenden Buchstaben am Gartenzaun.

    "Wer weglaufen wolle, sagte Cook, möge es tun. Aber jeder Deserteur könne sicher sein, dass er aufgespürt und zurück gebracht werde. Die Oberen auf der Insel würden ihm, Cook, nämlich aufs Wort gehorchen, sobald er einen von ihnen zur Geisel nehme. Ihre Untertanen würden hundert Deserteure gegen einen einzigen Häuptling ausliefern. Im Übrigen werde er das Strafmass für Desertion in künftigen Fällen beträchtlich erhöhen und nicht zögern, im schlimmsten Fall sofortiges Erhängen anzuordnen.
    Doch zehn Tage später flohen zwei Jüngere, der sechzehnjährige Fähnrich Mouat, der seine große Liebe auf Huahine zurück gelassen hatte, und der nur wenig ältere Thomas Shaw, ebenfalls unglücklich verliebt. Sie planten, nach Huahine oder sogar Otaheite zurückzukehren; sie hofften, ihre Liebchen wiederzufinden, mit ihnen zusammen zu bleiben und dank ihrer Herkunft so etwas wie kleine Könige in einem immerwährenden Schlaraffenland zu werden."


    Als Cook solche Strafandrohungen für die Mannschaft aussprach, waren die meisten Matrosen bereits am halben Körper mit polynesischen Tattoos übersät, zur Erinnerung an ihre Liebesabenteuer.
    Taniera Raurrii, ein filigraner Mann mit chinesisch-polynesischer Abstammung pflegt heute auf Moorea diese alte Kunst. Seine langen, zum Knoten gedrehten Haare hat er mit jenen hölzernen scharfzahnigen Klöppeln aufgesteckt, die beim traditionellen Tattoo unter die Haut getrieben werden.

    Das Wort für die Grotte des heiligen Oktopus. Denn die Ahnen der Tahitianer steigen nicht in den Himmel auf, sie verschwinden im Meer, erklärt Taniera verschworen. Um Kontakt mit ihnen aufzunehmen, praktizieren die Tahitianer dasTattoo, dazu müssen sie dunkel werden. Und nach der ältesten Tradition des TE ANA PU FEO ARII, müssen sie den ganzen Körper tätowieren. Würden sie ihre Geschichte, ihren Code nur auf Papier schreiben, könnten sie ihn vergessen. Oder morgen könnten wieder Fremde auf die Insel kommen und die Papiere mitnehmen. Auf den Körper geschrieben aber währt der Code bis zur Begegnung mit den Ahnen. Eine schmerzhafte Prozedur. Denn TE ANA PU FEO ARII kann man nicht kaufen, man muss es erleiden, sagt Taniera und zeigt ein Video von seiner Arbeit.

    Mit ihrem Rhythmus imitieren die Schläge mit den scharfzahnigen Hölzern das ursprüngliche Wort für die Tätowierung, auf tahitianisch Ta-Tau genannt. Ta-Tau, Ta-Tau, und in schnellem Schlag ein anhaltendes Meißeln. Das hat nichts mit der modernen Nadeltechnik zu tun, mahnt Taniera. Wer meint, als Souvenir von Tahiti ein Tattoo mitnehmen zu müssen, solle lieber ein T-Shirt mit der Aufschrift "I love Polynesia" anziehen. Das Shirt könne man wenigstens ausziehen, wenn man anfängt, mit der fremden Kultur zu hadern.

    Für Touristen nimmt die Moorea-Zeit farben- und blütenreich Gestalt an. Im Tiki-Village, einem original nachgebildeten polynesischen Dorf, wird der Entstehungsmythos der Insel in einer Show nachgespielt. Allerdings frei nach den Phantasien des frühen Südseereisenden de Bougainville. Er glaubte, an den Gestaden Tahitis Venus und Nymphen zu sehen. So wird jeden Abend die Venus von Tahiti aus einer Muschel geboren, und die Geschichte ihres Volkes endet in einem sensationellen Feuertanz.

    An einem weiteren Moorea-Tag geht es ins Innere des Kraters. Ananas- , Vanille- und Caféplantagen, rot flammende Ingwerstauden, glückliche freilaufende Schweinchen. Dieser wundervolle Jurassic Park wird von einer Kooperative gegen geringe Pacht an die Regierung wieder zu dem gemacht, was er einmal von Natur aus war. Als eine japanische Holding das Gelände in einen Golfplatz umwandeln wollte, gingen die Einheimischen auf die Barrikaden und siegten.

    Nach einer Woche auf Tahiti und Moorea hat sich das eigene Zeitgefühl den Vögeln, dem Meer und den perlenden Gesängen angepasst. Man lässt sich mit der Morgenröte von der Glasbodenveranda ins Wasser fallen und plaudert mit Fischen. Leicht bekleidet wandelt man mit Hibiskusblüten im Haar durch den Hotelgarten und entwickelt Vorstellungen, dass dies ebenso gut eine Reise zum Anfang der Welt sein könnte. James Cook aber ließ sich nicht von paradiesischer Zeitlosigkeit betören und kehrte Polynesien den Rücken. Die Südhalbkugel musste vermessen werden - bis ans Ende der Meere. Zwei Jahre später sichteten ihn die Hawaiianer vor ihrer Küste. John Webber verzeichnet in seinem Tagebuch:
    Ein verwirrendes, betäubendes Spektakel, ein Wirbel an Farben und Düften. Blumengirlanden an Frauenhälsen und über Brüsten liegend, die Ruderbewegungen nackter Oberarme,
    MUSIK-Thema : Trommeln mischt sich ein
    Schweißglanz auf brauner Haut, das Aufblitzen von Rot und Gelb der Federhelme. Wir kamen, als wir die Kanus zählten, auf über 1000, solche mit Auslegern und solche mit Doppelrümpfen, und gewiss waren es gegen 10 000 Menschen, die in ihnen saßen und standen. Was sollte dieser Überschwang bedeuten?

    Und wieder läuft der europäische Annexionsplan mit Präzision ab. Freundliche Annäherung, Austausch von Geschenken und der Versuch Cooks, sich die Hawaiianer zu Untertanen zu machen. Es folgen Missverständnisse, Konfrontationen. Doch die Hawaiianer bleiben im Gegensatz zu den sanftmütigen Tahitianern merkwürdig unnachgiebig.

    ZITATOR: John Webber
    Die Wörter indessen, die wir aus unserer geringen Kenntnis Otaheites bezogen, reichten, da sie hier anders klangen, nicht aus. Wir legten uns vieles zurecht und ordneten es in einem Darstellungssystem, das uns logisch erscheinen mag. Aber zum Fremden werde ich mir selbst, wenn das Fremde ringsum sich nicht öffnet für mich, und meine Versuche, es mir anzueignen, an ihm abgleiten wie an gehärtetem Lack. Aneignen können wir uns lediglich äußerliche Güter, die uns wertvoll sind. Gäbe es Gold hier, würden wir es nehmen. Ich schließe mich nicht aus; einen Federmantel samt Helm möchte ich mir gerne einhandeln. Weil er schön und kostbar ist? Weil er dem Besitzer Würde verleiht? Weil mit den Federn so viele Erinnerungen ins Bastgerippe eingewoben sind?

    Doch die Erinnerungen des John Webber werden von schrecklichen Schatten begleitet sein. Später, zu Hause in England, wird er von der Admiralität gezwungen werden, James Cooks Portrait in einem verklärenden Licht zu malen, eines, in dem Webber ihn nie hatte stehen sehen. Als Heldenfigur. In Wahrheit hatten die Hawaiianer jenem Zeitbegriff, nach dem Cooks Taschenuhr schlug, ein jähes Ende bereitet.

    "Kealakekua-Bucht, 15. Februar 1779, Welche Erschütterung! Was für ein Leid! Captain Cook ist tot! Die Wilden haben den Mann erschlagen, der uns sicher nach Hause bringen wollte, und nicht einmal seinen Leichnam geben sie her. Verflucht sei dieser Ort, dreifach verflucht!"

    Um 1800 schätzten Missionare die Bevölkerungszahl Tahitis von einst 35.000 vor ihrer Entdeckung auf nur noch 6.000 Menschen. Von den Europäern angezettelte Stammeskriege, die Zerstörung ihrer Dörfer und eingeschleppte Krankheiten hatten ihnen die soziale Ordnung und damit das Leben genommen.

    Fern von Tahiti, eine Reise über den Horizont hinaus, liegt eine Gruppe von Kokosnussinselchen, die Cooks Schiff nur gestreift hatte. Diese Inseln waren nicht lieblich, ihre Ureinwohner äußerst verschlossen und in ihrem Gebaren kriegerisch. Länger als alle anderen polynesischen Stämme blieben sie vom Einfluss der Europäer unbehelligt. Jeden Monat läuft heute das legendäre Frachtschiff Aranui, von Papeete nach dorthin aus. Der Name des Schiffes bedeutet "langer Weg" und das ist er auch - zu den Marquesas Inseln.