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Die Zukunft des Spielens

Die Story war recht interessant: Eine Putzfrau hat eine Zeitmaschine kaputt gemacht und sich in die Vergangenheit transportiert, und die Wissenschaftler müssen sie jetzt retten, also sich in die Vergangenheit beamen, um die Putzfrau zurückzuholen.

Von Peter Leusch | 28.09.2006
    " Die einzige Chance ist, ich habe ein Sichtfenster in die Vergangenheit, ich muss damit in der Burg herumgehen, kann mit der Putzfrau kommunizieren, und die drückt die Tasten und am Ende ist alles gut und an der Kasse kriegt man einen Lolli."

    Stefan Müller, Professor für Computervisualistik an der Universität Koblenz-Landau schildert in seinem Vortrag das Projekt eines neuartigen Computer-Spiels. Gemeinsam mit seinen Studenten entwickelte er ein Eduventure, das heißt ein PC-Spiel das Lernen und Abenteuer mischt, um Schülern die Situation der Marksburg am Rhein während des 30-jährigen Krieges nahe zu bringen.

    Der Vortrag ist charakteristisch für die interdisziplinäre Auseinandersetzung mit PC- und Video-Spiele auf dem Koblenzer Symposion. Es geht darum, nicht vorschnell und von oben herab kulturkritische Verrisse loszulassen, sondern genauer hinzuschauen, was Kinder und Jugendliche erleben. Ein solcher verstehender Blick, so der Pädagogikprofessor Norbert Neumann, erkennt, dass sich Jugendliche hier spielerisch auf die moderne Welt einstellen.

    " Die meisten Computerspiele haben das Leistungsprinzip integriert, also es geht darum, bestimmte Aufgaben zu bewältigen, um auf ein höheres Level zu kommen, und diese Aufgaben kann ich bewältigen wenn ich entsprechend trainiere. - der ist der Leistungsgedanke. Gleichzeitig wird dieser Leistungsgedanke im Spiel entschärft, dadurch, dass der Fehler den ich mache, die Niederlage die ich erleide folgenlos bleicht, die einzige Folge meines Fehlers ist der Neustart des Spiels, und das dämpft gewissermaßen diesen Leistungseffekt."

    Norbert Neumann untersucht, welche Faszination Video- und PC-Spiele auf junge Menschen ausüben. Da ist zum Beispiel das Versprechen der Chancengleichheit. Im Spiel kann jeder - anders als im Leben - einen neuen Anfang machen, kann Anerkennung und Erfolg suchen, die im Alltag vielleicht versagt sind. Kinder merken, dass sie in punkto Geschicklichkeit und Hand-Kopf-Kooperation Erwachsenen überlegen sind. So erleben sie eine Unabhängigkeit, die ihnen in der Welt draußen noch vorenthalten ist.

    Eine virtuelle Stadt aufzubauen und zu regieren, oder einen Düsenjet im Flugsimulator zu steuern, verschafft ein intensives Gefühl von Macht und Kontrolle. Dabei lassen sich die jungen Spieler keineswegs von den Programmierern einschränken vielmehr beginnen sie zu experimentieren, zum Beispiel in dem Spiel "Die Sims", das vor allem bei Mädchen beliebt ist.

    " Das ist ein Spiel, eine Simulation, in der ein Spieler die Interaktionen in einer virtuellen Familie steuern muss. Und dieses Spiel hat kein Spielziel, ist also eigentlich völlig egal wie man es spielt, es wird kein bestimmtes Ziel vorgegeben, das ich nun erreichen muss. Und man kann beobachten ... dass viele Spieler partiell in diesem Spiel subversiv spielen, indem sie zum Beispiel eine virtuelle Figur in den hauseigenen Swimmingpool steigen lassen, und dann dort die Leiter abbauen - was passiert dann? Hat diese Idee der Programmierter mit eingebaut, spiele ich hier nicht nur gegen den Computer, sondern gleichzeitig auch gegen den Programmierer? Das was dort geleistet wird, ist also der Versuch, Macht zu erlangen über ein Spiel, was über das Spiel hinausgeht und auf die Programmierebene wechselt."

    Manche virtuelle Spiele bieten also durchaus Gelegenheit experimentell und kreativ zu agieren. Enthalten sie aber auch Bezüge zu unserer Lebenswirklichkeit?

    Der Soziologe Clemens Albrecht machte hier gegenteilige Erfahrungen. In seinem Vortrag, schilderte er, wie sein Sohn die Welt der Pokemons aus dem Kindergarten mit nach Hause brachte. Clemens Albrecht wehrte sich gegen die phantastischen Figuren, weil sie keine Bezüge zu Europa und seiner Geschichte ermöglichen. "Ein Einsamer Vater im Kampf gegen Nintendo" - so überschrieb er seinen Vortrag.

    " Kinder lernen diese Figuren über Tausch von Kärtchen, über Bücher und Filme kennen, und als ich zum ersten Mal damit konfrontiert war, konnte ich aus rein bildungsbürgerlichen Gewohnheiten, mich mit dieser Serie nicht anfreunden, und ich versuchte nun etwa Ähnliches zu finden, was den Stoff und die soziale Funktion, die ich teile, gleichwertig ersetzen könnte. In diesem Zusammenhang habe ich den guten alten Ritter wieder entdeckt, das heißt Bücher, Filme, Ritterquartetts, das füllte eine ähnliche Funktion wie Pokemon aus. Aber der entscheidende Vorteil ist, dass diese Rittergeschichten Anschlusselemente an die große europäische Geistesgeschichte haben. Das heißt ich kann von ihnen aus Welten entdecken, die zunächst einmal im Spiel nicht vorgesehen sind, die aber den kulturellen Kontext unseres Lebens entscheidend mitbestimmen."
    Der Kulturkampf ging weiter. Jahre später verlangte der Sohn nach einem Gameboy, wie ihn die Kameraden in der Grundschule längst besaßen. Wiederum konterte Albrecht, indem er versuchte, seinen Sohn vom primitiven Action-Game der Konsole abzuziehen und für das anspruchsvollere PC-Spiel Age of Empires zu begeistern. Age of Empires gehört zur Kategorie der Aufbau- und Strategiespiele mit historischem Kontext. Hier muss der Spieler in virtuoser Manier Wirtschaftkreislauf, Bevölkerungsentwicklung, militärische Aufrüstung, aber auch die Erforschung neuer Technologien gleichzeitig steuern, eine Aufgabe, die buchstäblich Managerqualitäten verlangt.

    Auffallend ist allerdings, dass viele PC-Spiele eine einseitig männliche Welt abbilden. Auch wenn ein paar Frauen als Heldinnen mitspielen, kommt das Weibliche eigentlich nicht vor. Die Bevölkerung wächst - aber nicht weil Frauen Kinder kriegen, sondern weil Männer Häuser bauen, aus denen neue Siedler hervorquellen.

    " Die Statistiken sagen, dass weitaus mehr Jungen als Mädchen Computerspiele spielen, Mädchen bevorzugen Rollenspiele wie Sims oder Strategiespiel, während die Jungen sehr stark auf Action und Adventure gehen, - und die sind an bestimmte Steuerungen gebunden, das heißt Sie werden eher einen Gameboy bei einem Jungen finden, Mädchen werden eher zu PC-Spielen tendieren, wobei Nintendo diese Entwicklung auch beobachtet hat und sich fragt, wie sie andere Altersgruppen und das andere Geschlecht erreichen können und ein Riesenerfolg, den sie hatten, war Nintendox, was letztlich ein Spiel war, wie man einen Hund großzieht und bei Laune halt. "

    Angela Kaiser-Lahme arbeitet am Landesmuseum Koblenz. Dort hat sie die Ausstellung "Nintendo - vom Kartenspiel zum Gameboy" - organisiert, eine Ausstellung, die zur spielerischen Auseinandersetzung einlädt.

    " Es ist leider so, dass vorwiegend die Spiele von Männern programmiert werden, das heißt die Inhalte werden von ihren Interessen bestimmt, und wenn man wirklich die Frauen erreichen will, dann sollte man sie Spiele entwickeln lassen."