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Die zweite Epidemie
Auch das Chikungunya-Virus grassiert in Brasilien

Aufgrund des Zika-Virus sind in Brasilien Tausende Säuglinge mit zu kleinem Schädel auf die Welt gekommen. Nun verbreitet sich ein weiterer Erreger im Land, der schon seit mehreren Jahrzehnten bekannt ist: das Chikungunya-Virus. Es löst Fieber und Gelenkbeschwerden aus und wird ebenfalls durch Stechmücken übertragen, die hatte Brasilien in den vergangenen Monaten aber intensiv bekämpft.

Von Joachim Budde | 28.11.2016
    Eine Stechmücke der Art Aedes aegypti
    Stechmücken übertragen auch den Erreger der zweiten großen Epidemie - das Chikungunya-Virus (picture alliance /dpa /Gustavo Amador)
    Der Ausbruch des Zika-Virus ist in Brasilien noch längst nicht zu Ende, da melden die Gesundheitsbehörden schon besorgniserregende Zahlen über einen anderen Erreger, der für Südamerika neu ist: das Chikungunya-Virus. Auch wenn die Zahlen ein wenig mit Vorsicht zu genießen sind – 2015 gab es den Behörden zufolge 26.000 bestätigte Chikungunya-Infektionen in Brasilien, in 2016 waren es bislang bereits fast 135.000. Drei Menschen sind der Statistik zufolge bislang an Zika gestorben; Chikungunya hat allein in diesem Jahr 138 Todesfälle verursacht.
    Anders als Zika kennen Viren-Fachleute den Chikungunya-Erreger seit mehreren Jahrzehnten. Er stammt ursprünglich aus Afrika, ist aber längst auch in Asien beheimatet, sagt Professor Jan Felix Drexler vom Institut für Virologie der Universität Bonn.
    "Chikungunya ist wirklich bekannt dafür, dass es explosionsartige Ausbrüche verursacht und dass auch viele dieser infizierten Menschen sehr krank sein können. Und auch lange an den Folgen, an der Infektion leiden. Es gibt also wirklich Patienten, die haben monatelang nach der Chikungunya-Infektion noch schwere Gelenkbeschwerden, Arthralgien."
    Wegen dieser Gelenkschmerzen hat die Krankheit ihren Namen: Chikungunya bedeutet in der Sprache des tansanischen Makonde-Volkes "Gebeugter Mann". Dass Chikungunya erst jetzt so viele Menschen in Brasilien krank macht, ist erstaunlich, findet Jan Felix Drexler.
    "Das überrascht mich in der Tat, weil wir eigentlich aus den Rekonstruktionen des Eintrags von Chikungunya-Virus und Zika-Virus nach Lateinamerika wissen, dass beide Viren ungefähr 2013 auf lateinamerikanisches Festland gekommen sein müssten. So ist es doch verblüffend, dass das Zika-Virus nun offensichtlich so schnell so viele Menschen infiziert hat, während das Chikungunya-Virus da irgendwie etwas mehr Zeit gebraucht hat und jetzt eigentlich erst diese Vielzahl an Fällen auslöst."
    Beide Erreger zählen zu den Arboviren
    Das ist aus mehreren Gründen erstaunlich: Beide Erreger zählen zu den Arboviren, weil sie durch Gliederfüßer übertragen werden; Chikungunya nutzt dieselben Mücken zur Verbreitung wie Zika. Und eigentlich hat Chikungunya einen Vorteil, denn ein Patient hat bei dieser Krankheit viel mehr Virus im Blut als bei Zika. Chikungunya kann also viel leichter Mücken infizieren und sich verbreiten.
    Erst vor Kurzem haben Wissenschaftler gemeldet, dass Mücken gleichzeitig Zika und Chikungunya in sich tragen können. Offenbar gibt es etwas im Zusammenspiel zwischen diesen oder anderen Viren, das Chikungunya bislang gebremst hat. Genaue Informationen fehlen jedoch.
    "Wir wissen sehr wenig. Wir können schon mal anfangen mit der Feststellung, dass es große Unterschiede zwischen diesen beiden Viren geben müsste, weil zum Beispiel das Chikungunya-Virus ein Alphavirus ist, während das Zika-Virus ein Flavivirus ist. Zumindest auf zellulärem Level mögen Alphaviren das gar nicht, wenn sie gestört werden durch ein anderes Alphavirus, weil das den geordneten Zusammenbau der Viren massiv stören kann."
    Konkurrenz zwischen den Viren ist das eine, das andere ist der Einfluss der Erreger auf die Stechmücken, die sie übertragen.
    "Es ist ja wahrscheinlich gar nicht so, dass das den Mücken egal ist, ob sie jetzt von einem Arbovirus infiziert sind, sondern die können auch darunter leiden. Wir wissen, dass bei manchen Viren dann zum Beispiel die Reproduktionsrate der Mücken runtergeht, wenn sie infiziert sind, und auch das unterscheidet sich wieder ziemlich radikal nach dem, was wir kennen, zwischen Alpha- und Flaviviren, und, da muss man noch einiges in Erfahrung bringen."
    Es gab intensive Bekämpfung der Überträgermücken in Brasilien
    Verwunderlich ist zudem: Die Behörden in Brasilien haben die Überträgermücken in den vergangenen Monaten intensiv bekämpft. Trotzdem gibt es so viele Chikungunya-Fälle. Den Bonner Virologen wiederum überrascht das nicht besonders.
    "Ohne zum Beispiel den brasilianischen Behörden absprechen zu wollen, dass das ganz heroische Anstrengungen sind und waren, aber muss man sich natürlich trotzdem fragen, ob das denn wirklich ausreicht."
    Jan Felix Drexler und andere Forschergruppen untersuchen gerade, ob sich Zika und Chikungunya in südamerikanischen Affen festsetzen können. Sollte den Erregern das gelingen, dürfe es alle paar Jahrzehnte erneute Ausbrüche der Krankheiten geben. Falls nicht, ist nach den aktuellen Epidemien Schluss.