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Die Zwiebel

Im Volksmund nennt man sie Bülle oder Bölle, Zippel oder Zipolle. Im alten Ägypten war sie Nahrungsgrundlage und Stärkungsmittel für die gequälten Sklaven beim Pyramidenbau. Bei wechselhaftem Wetter ist sie Vorbild für’s richtige Anziehen und sie ist vor allem eins: sehr gesund! Die Speisezwiebel, die nicht nur Würz- sondern vor allem auch Heilmittel ist. Alle inneren Organe profitieren vom Zwiebelgenuss, aber auch äußerlich angewandt ist das vielhäutige Gemüse ein wunderbares Hausmittel bei vielen Erkrankungen.

von Anke Ulke | 21.11.2002
    Es ist doch immer wieder zum Heulen, das Zwiebel-Schneiden. Kaum entsteigen die ätherischen Lauch- und Senföle den Zwiebelhäuten, beginnen die Tränen zu laufen. Das lässt sich - will man nicht mit Taucherbrille in der Küche stehen - auch kaum vermeiden - zu reizend sind die Inhaltsstoffe. Verantwortlich dafür ist in erster Linie das scharfe Allicin, das übrigens auch in Knoblauch, Porree und Bärlauch vorkommt. Das Allicin reizt jedoch nicht nur die Augen-, sondern auch die Magenschleimhaut und kurbelt die Produktion von Magensäure an, betont Kräuterfachfrau Monika Rothenkirchen:

    Diese Salzsäure baut Eiweiße an, macht damit aber auch alle Eiter erregenden Bakterien und sonstigen schädliche Stoffe im Körper kaputt. Dann geht es weiter in Richtung Darm – es reizt auch die Darmschleimhäute, die bei Reizung ein ganz wichtiges Hormon abgeben, das Sekretin. Dieses Sekretin wirkt wiederum auf die Bauchspeicheldrüse, die ist wiederum für die gesamte Verdauung wichtig, weil es Ferment hat, die einmal für den Fettstoffwechsel, für den Kohlehydratstoffwechsel und für den Eiweiß-Stoffwechsel – also alle drei komplett erfüllt.

    Zwiebeln sind außerdem ein natürliches Antibiotikum: Beim Zerkleinern bilden sich aus bestimmten schwefelhaltigen Aminosäuren so genannte Thiosulfinate, die eine starke, Bakterien hemmende Wirkung haben. Schon vor mehr als 5.000 Jahren wusste man um den heilsamen Einfluss der Zwiebel zum Beispiel auf Infektionskrankheiten. Und dieses Wissen hat sich bis heute erhalten. Monika Rothenkirchen:

    Man kann beispielsweise bei Husten oder Bronchialerkrankungen Zwiebeln auch mit Kandis kochen, ganz altes Hausrezept - dass das ein ganz wirksamer Hustensaft ist. Mehrfach täglich ein bis zwei Esslöffel davon einnehmen, oder auch mehr, je nachdem, wie man’s verträgt. Das ist ein Supermittel bei Husten. Und wenn Sie das Ganze noch mit Milch kochen, haben Sie ein prima Mittel gegen Magen-Darm-Probleme.

    Die braune Küchenzwiebel steht nach Tomaten und Gurken an dritter Stelle der beliebtesten Gemüsesorten: Der Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland liegt bei etwa 6 Kilo im Jahr. Doch Zwiebel ist nicht gleich Zwiebel. Neben den kleinsten Perlzwiebeln, gibt es die großen, milden Gemüsezwiebeln, ideal für Zwiebelsuppe oder Zwiebelkuchen. In Italien und Spanien liebt man die rote und die weiße Zwiebel und die Gourmet-Küche ist ohne die feinen Schalotten undenkbar. Sascha Henkes, Einkaufsleiter eines Bio-Großhandels, empfiehlt auch die Winterzwiebel:

    Das sind sehr ausdauernde, winterharte Gewächse, die einfach zu erkennen sind, an ihren röhrenförmigen Blättern, und einen langgezogenen Blütenstiel haben; genutzt wird das Laub wie z.B. Schnittlauch und ist manchmal auch in Bündeln in den Geschäften zu bekommen. Es gibt z.B. um diese Jahreszeit relativ wenig Schnittlauch noch aus heimischem Anbau und dann geht man teilweise dazu über, dieses Zwiebelgrün wie Schnittlauch zu verkaufen und auch zu verwenden.

    Weil Zwiebeln für bestimmte Krankheiten wie falschen Mehltau oder Zwiebelfliege sehr anfällig sind, wird im konventionellen Anbau alle 9 bis 10 Tage gespritzt. Zudem ist das konventionelle Saatgut auch gebeizt, das heißt: Gegen Pilzbefall chemisch behandelt. Bei Biozwiebeln fällt die chemische Keule weg und Unkraut jäten macht mehr Arbeit - daher sind sie mit einem Kilopreis von etwa einem Euro dreißig auch teurer als Zwiebeln aus dem Supermarkt. Von außen sieht man es einer Zwiebel nicht an, ob sie Bio ist oder aus dem herkömmlichen Anbau stammt. Aber gute Qualität ist hörbar:

    Der Verbraucher erkennt eine sehr gute Zwiebel daran, dass sie von der Außenschale her sehr raschelt , dass sie trocken ist und dass diese äußeren Schalen der Zwiebel schon abfallen oder brechen. Zwiebel muss sehr trocken gelagert werden und dunkel. Das Schlimmste wäre Feuchtigkeit, das kann die Zwiebel überhaupt nicht vertragen, dann fängt sie sofort an zu schimmeln und zu faulen.

    Wer frische Zwiebeln nicht verträgt, kann auch auf getrocknete zurückgreifen - die Inhaltsstoffe sind teilweise noch stärker konzentriert und die heilsame Wirkung in jedem Fall gegeben, vorausgesetzt, man kauft eine gute Qualität im Kräuterfachhandel. Will man von den kleinen braunen Kraftpaketen wirklich profitieren, dann muss man Zwiebeln vor allen Dingen mit einem guten, scharfen Messer schneiden. Beim Zerkleinern mit der Maschine gehen nämlich viele wertvolle Inhaltsstoffe verloren. Und wer nicht mit Taucherbrille schnippeln möchte, atmet am besten durch den Mund oder behält während des Schneidens einen Schluck Wasser darin. Ob’s hilft? Ausprobieren!