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"Dies darf kein paralleler Vertrag werden"

Der CDU-Europapolitiker Elmar Brok übt scharfe Kritik am neuesten Entwurf für den Fiskalpakt. Gegenüber früheren Entwürfen solle darin die Beteiligung der Parlamente beschnitten werden. Brok mahnt, man dürfe nicht dazu kommen, "dass die Europäische Union de facto geteilt wird".

Elmar Brok im Gespräch mit Jasper Barenberg | 12.01.2012
    Jasper Barenberg: Neue strenge Haushaltsregeln sollen in Europa eingeführt werden. Das wurde auf dem letzten EU-Gipfel kurz vor Weihnachten beschlossen. Es geht um strikte nationale Schuldenbremsen und um scharfe und automatische Strafen für Defizitsünder. Eine Änderung der Verträge von Lissabon scheiterte bekanntlich am Widerstand von Großbritannien. Stattdessen sollen jetzt möglichst alle anderen 26 untereinander einen völkerrechtlichen Vertrag schließen. Die Verhandlungen über den Text für diesen sogenannten Fiskalpakt sind in vollem Gange, auch Abgeordnete des Europäischen Parlaments sind beteiligt. Die allerdings halten den jüngsten und letzten Entwurf für diesen Haushaltspakt für inakzeptabel. Dazu gehört auch der CDU-Europapolitiker Elmar Brok, er ist jetzt am Telefon. Schönen guten Morgen.

    Elmar Brok: Guten Morgen, Herr Barenberg.

    Barenberg: Herr Brok, im Vorfeld weiterer Gespräche heute wurden Sie gestern mit den Worten zitiert, die Verhandlungen gehen in die richtige Richtung. Jetzt also diese Pressemitteilung zusammen mit anderen Europaparlamentariern, wonach der Entwurf inakzeptabel ist. Was ist geschehen?

    Brok: Wir haben am Dienstagabend einen Entwurf bekommen, der nicht das Ergebnis der Verhandlungen vom Freitag reflektierte. Das geht übrigens nicht nur dem Europäischen Parlament so, sondern auch anderen Regierungen so, dass dieses in einer Art und Weise hier im Sekretariat des Rates oder wo auch immer geschrieben worden ist, was nicht hinnehmbar ist.

    Barenberg: Inwiefern?

    Brok: Aus unserer Sicht beispielsweise sind die klaren Zusagen, die parlamentarische Verteilung an das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente, nicht in der Weise reflektiert. Wir müssen sehen, dass die Durchsetzung der Gemeinschaftsmethode, die Nutzung der Gemeinschaftsinstitutionen wie Parlament und Kommission im Rahmen der Gesetzgebung und manches andere dort nicht in wirklich guter Weise geregelt ist, sondern dies eher ein Rückfall gegenüber dem ist, was bis Freitag verhandelt worden ist.

    Barenberg: Herr Brok, wir haben kurz vor Weihnachten gesprochen, auch über diese Frage, über diese Fiskalpolitik, und da haben Sie gemahnt, es müsse klar sein, dass durch den Vertrag nicht die anderen EU-Verträge ausgehebelt werden, insbesondere der Vertrag von Lissabon, dass eine neue Art von Europäischer Union entsteht, die dann intergouvernemental ist, also zwischenstaatlich. Mit anderen Worten: Haben sich jetzt Ihre Befürchtungen bewahrheitet und die Länder ignorieren die Rechte von Parlament und Kommission?

    Brok: Ich habe nicht den Eindruck, dass es so sehr die Länder oder die Mehrzahl der Länder ist, sondern ich habe den Eindruck, dass hier das Ratssekretariat zurückgeschlagen hat, nach dem alten Filmtitel "Das Imperium schlägt zurück", und dass deswegen hier eine Grundsatzauseinandersetzung in Brüssel stattfindet, und so steht zu hoffen, dass man doch Verbündete hat, um das heute bei den Verhandlungen wieder zurückzudrehen, denn auf die Art und Weise müssen wir dafür Sorge tragen, dies darf kein paralleler Vertrag werden, dies darf nur eine vorübergehende Angelegenheit sein, hier können nicht neue Institutionen geschaffen werden, wir dürfen nicht dazu kommen, dass die Europäische Union de facto geteilt wird.

    Barenberg: Und das ist die Befürchtung, die Sie vor allem haben?

    Brok: Das ist die Befürchtung, die wir haben, und deswegen mussten wir hier, glaube ich, deutlich machen, dass die Dinge sich wieder zurückentwickelt hatten, seit letzter Woche. Und ich glaube, dass das auch nutzt, dadurch, dass jetzt wir doch gestern schon viele Kontakte hatten, die es hoffentlich möglich machen, dass wir zu einem vernünftigen Ergebnis kommen. Aber ich bin nach dem Erlebnis vom Dienstagabend sehr skeptisch geworden.

    Barenberg: Sie sind als Beobachter beteiligt an diesen Verhandlungen. Welchen Einfluss können Sie in Ihrem Sinne denn überhaupt geltend machen bei den Verhandlungen, die heute, so weit ich es weiß, weitergehen werden?

    Brok: Wir sitzen am Verhandlungstisch wie jeder andere, wir reden wie jeder andere, sind also daran beteiligt. Aber das Europäische Parlament ist natürlich nicht Vertragspartner. Die Vertragspartner sind nur die Mitgliedsstaaten, die sich an diesem Vertrag beteiligen wollen. Insofern sind natürlich da unsere Einwirkungsmöglichkeiten begrenzt. Aber in den Verhandlungen selbst haben wir eine volle Rolle, mit Änderungsanträgen und mit Wortmeldungen, mit den Formulierungen, die wir machen können, und ich hoffe, dass wir das heute bei den Verhandlungen so nutzen können, dass man dort noch zu einer Übereinstimmung kommt. Denn wenn das Europäische Parlament - und der Aufschrei gestern war über alle Fraktionsgrenzen hinweg -, wenn das Europäische Parlament sich negativ aussprechen sollte, dann wird es natürlich noch schwerer, diesen Vertrag überall in den nationalen Parlamenten ratifiziert zu bekommen.

    Barenberg: Elmar Brok, Mitglied der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, Mitglied auch im Auswärtigen Ausschuss. Vielen Dank für das Gespräch heute Morgen.

    Brok: Ich danke auch.