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"Diese Sperrung kann umgangen werden"

Bernhard Rohleder vom Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (BITKOM) begrüßt die Absicht der Regierung, gegen Kinderpornografie im Internet anzugehen. Die Sperrung von Seiten sei allerdings zu umgehen - und bringe eine Haftungsproblematik für die Provider mit sich.

Bernhard Rohleder im Gespräch mit Silvia Engels | 25.03.2009
    Silvia Engels: Im Kabinett wird heute über eine Änderung des Telemediengesetzes beraten. Hinter dieser langweiligen Überschrift verbirgt sich ein heikles Thema. Die Änderung ist Teil des Versuchs von Familienministerin Ursula von der Leyen, den Zugang zu kinderpornografischen Seiten im Internet zu erschweren. Daneben will sie auch mit Internet-Anbietern Regelungen treffen, damit die Provider solche Seiten künftig freiwillig sperren.
    Am Telefon ist nun Bernhard Rohleder. Er ist Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien, kurz BITKOM. Guten Morgen, Herr Rohleder.

    Bernhard Rohleder: Guten Morgen, Frau Engels.

    Engels: Beginnen wir erst einmal mit den freiwilligen Vereinbarungen. Das ist ja ein Teil des Gesamtkonzepts. Mit den Internetanbietern in Deutschland sollen Vereinbarungen getroffen werden, freiwillig den Zugang zu kinderpornografischen Websites zu sperren. Wie weit sind denn diese Verhandlungen gediehen?

    Rohleder: Die Verhandlungen sind sehr weit gediehen, insbesondere wenn wir bedenken, dass die Gespräche erst am 13. Januar begonnen haben. Wir reden also hier nicht seit Jahren über ein bekanntes Problem mit der Politik, sondern die Politik kam sehr kurzfristig auf uns zu, nach dem Jahreswechsel. Wir haben sofort dieses Gespräch geführt und die Internet-Serviceprovider, die Internet-Zugangsanbieter sind jeweils jetzt in Einzelgesprächen mit der Politik, um solche freiwilligen Vereinbarungen zu schließen und in diesem Rahmen auch Risiken, die für die Internet-Serviceprovider damit einhergehen, auszuschließen.

    Engels: Schauen wir erst einmal auf das Technische. Ist es machbar, den Zugriff zu sperren, eine Sperre zu errichten, die auch nicht so leicht zu umgehen ist?

    Rohleder: Ja und nein. Sie können selbstverständlich für einen technisch völlig unversierten, unerfahrenen Benutzer des Internets eine Seite sperren, aber jemand, der keine ausgeprägte technische Expertise hat, sondern der weiß, wie man ein so genanntes Peer-to-Peer-Netzwerk, eine direkte Verbindung von einem PC auf den anderen, aufbaut, den werden sie mit dieser Zugangssperre nicht erreichen. Und sie werden auch jemanden nicht erreichen, der die so genannte DNS-Adresse – das ist eine Abfolge von Zahlen, also nicht die Buchstabenfolge, wie wir sie aus dem "World Wide Web" kennen – benutzt. Wenn diese Zahlenfolge direkt eingegeben wird, dann ist jemand auch direkt auf der Website, und dagegen können wir letztlich nichts tun.

    Engels: Ministerin von der Leyen argumentiert, Internet-Anbieter in Skandinavien, England oder der Schweiz würden die Sperrung beherrschen. Ist das so?

    Rohleder: Nun, es wird dort genau das gemacht, was ich eben versucht habe zu beschreiben. Es werden einzelne Webseiten gesperrt, aber diese Sperrung kann umgangen werden. Das gilt in der Schweiz und in Skandinavien genauso wie in Deutschland.

    Engels: Nun haben einzelne Internetprovider, beispielsweise die Deutsche Telekom, gesagt, sie seien bislang nicht bereit, dem Nutzer eine Stoppseite anzuzeigen, falls er auf eine Solche Website surft. Wo liegen da die Hintergründe?

    Rohleder: Der Hintergrund ist in der Haftungsproblematik zu sehen, die dadurch entsteht, dass ein Unternehmen eben nicht die einzelne Webseite sperren kann, sondern nur eine DNS-Adresse, hinter der sich dann eine Reihe von anderen Webseiten verbergen können. Wir brauchen hier eine klare gesetzliche Grundlage, die die entsprechenden Haftungsrisiken ausschließt. Ich nehme mal ein Beispiel: Es wird die Webseite des Amazon-Shops für eine Seite mit gesperrt, dadurch dass eine DNS-Adresse eingegeben wird; dann ist die Frage, wer trägt die Risiken für diese Haftung. Die kann sehr einfach ausgeschlossen werden, aber dazu braucht es eben eine gesetzliche Grundlage und ich hoffe, dass wir die auch sehr schnell bekommen.

    Engels: Das heißt, die Gefahr besteht, dass andere Seiten mit gesperrt werden, wenn es eigentlich nur um diese Pornoseite gehen soll? Habe ich das richtig verstanden?

    Rohleder: Genau, so ist es.

    Engels: Nun ist ja im Kabinett jetzt der Plan, das Telemediengesetz zu ändern. Ist das Ihrer Meinung nach jetzt ausreichend?

    Rohleder: Das wäre ausreichend, wenn, wie gesagt, diese Haftungsthematik mit behandelt wird. Hier sind auch die Internet-Serviceprovider – es gibt etwa 1.500 in Deutschland – unterschiedlich aufgestellt. Es gibt kleine, mittelständische Internet-Zugangsanbieter, die hier mit solchen Haftungsrisiken sehr viel schwerer umgehen können, als es andere können, aber die Unternehmen wollen eines vermeiden, dass dieses Argument vorgetragen wird, um weiterhin Kinderpornografie im Internet zugänglich zu machen. Wir sagen schon, dass Unternehmen in Deutschland hier weder Inhalte einstellen, noch damit irgendein Geld verdienen, sondern dass sie eben diesen gesetzlichen Rahmen brauchen, und den können wir leider nicht selbst setzen, sonst hätten wir das längst getan, sondern hier brauchen wir die Politik und insofern begrüßen wir sehr, dass die Politik diese Initiative zu Jahresbeginn ergriffen hat.

    Engels: Ihnen fehlt aber nach wie vor diese Regelung zur Haftung. Bundesjustizministerin Zypries war bis vor kurzem auch bei den Skeptikern. Nun sei sie zuversichtlich, eine Regelung zu finden, und damit liegt der schwarze Peter doch wieder bei den Anbietern, oder?

    Rohleder: Die Anbieter sind hier letztlich technischer Dienstleister der Strafverfolgungsbehörden. Das heißt, das Bundeskriminalamt muss den Anbietern täglich, vielleicht auch in kürzeren Intervallen als täglich, eine Liste mit zu sperrenden Webseiten zur Verfügung stellen und sobald diese Liste vorliegt, ist es Aufgabe der Internet-Diensteanbieter, diese Webseiten auch tatsächlich zu sperren. Darauf müssen sie sich organisatorisch einstellen. Das heißt, sie müssen Personal dafür abstellen, sie müssen es entsprechend schulen und sie müssen sich technisch darauf einrichten. Das dauert etwa drei Monate, bei einigen Unternehmen auch etwas länger, aber sobald diese Voraussetzungen geschaffen sind, können die Internet-Diensteanbieter hier auch unterstützend zur Seite stehen und werden das auch tun.

    Engels: Herr Rohleder, in letzter Zeit hörte man gerade eben von Providern vor allen Dingen Bedenken. Ist es nicht auch im Interesse der Internet-Anbieter, das Internet sicherer vor solchen kriminellen Websites zu machen? Das heißt, müssten sie sich nicht auch konstruktiv einsetzen, nicht nur immer die Bedenken nehmen, sondern auch zu schauen, was kann man technisch noch verbessern, denn da sind sie ja eigentlich viel weiter als die Politik?

    Rohleder: Mit technischen Verbesserungen aus Deutschland heraus ist es an der Stelle nicht getan. Das Internet ist nun mal ein globales Medium, das eben nicht von deutscher Technik geprägt ist, wo wir sehr stark auch eingebunden sind in die internationalen Entwicklungen, von denen hier viele aus den USA kommen. Hier können wir, was die Technik angeht, aus Deutschland im Grunde genommen nicht viel tun, aber wir können die verfügbare Technik entsprechend einsetzen, und dazu sind die Unternehmen auch bereit. Aber wir wollen an der Stelle durchaus eines vermeiden, dass die Internet-Wirtschaft eine Art Hilfspolizei im Internet wird. Wir sehen hier eine Reihe von Entwicklungen; das beginnt bei der Telekommunikationsdatenüberwachung über die Diskussion, die wir zu dem Thema Online-Bundestrojaner geführt haben, also die Zurverfügungstellung von Schnittstellen bei der Software, so dass von den Strafverfolgungsbehörden direkt auf einzelne PCs von extern zugegriffen werden kann, bis jetzt zu diesem Thema. Wir sehen eine lange Liste von Anspruchsstellern aus ganz anderen Bereichen. Dort geht es dann um Rechtsradikalismus, es geht um Antisemitismus bis hin zu einfachen urheberrechtlichen Verletzungen. Und wir sehen die dringende Notwendigkeit, dass wir hier eine Diskussion führen in Deutschland über die Frage, wie frei darf das Internet sein und wo sind die Grenzen dieser Freiheit.

    Engels: Aber Frau von der Leyen hat doch deutlich gemacht, es geht hier nur um Kinderpornografie.

    Rohleder: Das ist bei diesem Gesetz absolut richtig und das begrüßen wir auch sehr, dass eine scharfe Trennlinie gezogen wird. Aber die Diskussion wird in den nächsten Monaten, in den nächsten Jahren weitergehen. Darauf können Sie sich verlassen.

    Engels: Wir sprachen mit dem Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien, kurz BITKOM. Ich bedanke mich herzlich bei Bernhard Rohleder.

    Rohleder: Danke, Frau Engels.