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Diesel-Debatte
Neuer Grenzwert soll Fahrverbote verhindern

Mit der Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes will die Bundesregierung erreichen, dass Diesel-Fahrverbote nur dann kommen, wenn der europäische Grenzwert besonders stark überschritten wird. Außerdem sollen manche Fahrzeuge trotz Fahrverbot weiter in Städten fahren dürfen. Die Deutsche Umwelthilfe nennt das europarechtswidrig.

Von Nadine Lindner | 15.11.2018
    Das Foto zeigt die Abgase eines Dieselfahrzeugs in Essen.
    Die Bundesregierung will Fahrverbote in Städten vermeiden. Dazu soll die Novelle des Bundesimmisionsschutzgesetzes beitragen. (dpa-Bildfunk / AP / Martin Meissner)
    Es ist ein neuer Anlauf, um die Dieselkrise zu lösen.
    Die Hoffnungen ruhen nun auf Änderungen im Bundesimmissionsschutzgesetz. Im Kern geht es darum, Fahrverbote in gering belasteten Städten abzuwenden, solchen Städten mit bis zu 50 Mikrogramm Stickoxid-Belastung im Jahresmittel. Bundeskanzlerin Angela Merkel, CDU:
    Geringfügige oder starke Überschreitung?
    "Wir haben, das ist ganz wichtig, keinerlei europäische Grenzwerte verändert, die gelten. Aber wir haben unterschieden zwischen geringeren Überschreitungen der Grenzwerte von 40 Mikrogramm und höherer Überschreitung."
    Das Gesetz, das geht aus dem Entwurf auch hervor, ist eine Reaktion auf die Klage der EU-Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof gegen Deutschland wegen schlechter Luftwerte.
    Mehrere Ausnahmen bei Fahrverboten
    Das Gesetz regelt auch, wer trotzdem in Fahrverbotszonen einfahren darf. Euro 4 und 5 Diesel dürfen nur 270 Milligramm Stickoxid pro Kilometer ausstoßen, das kann mit Hardware-Nachrüstungen gelingen. Interessant ist ein Blick in die Details. Denn in den vergangenen Wochen ist deutlich geworden, dass in den unterschiedlichen Entwürfen immer mehr Ausnahmen hinzukommen. In den Eckpunkten von Ende Oktober wurden gar keine genannt, später sollten Euro 6 Diesel dazu kommen. Und dass, obwohl einige auch kräftig über den Grenzwerten für Stickoxid-Ausstoß liegen. Im aktuellsten Kabinettsentwurf kommen jetzt noch nachgerüstete Nutzfahrzeuge hinzu, deren Umbau staatlich gefördert war.
    Finanzminister Olaf Scholz, Sozialdemokrat ist dennoch zufrieden:
    "Indem wir das tun, schaffen wir ein attraktives Umfeld für Verbesserung, was die Emission der Fahrzeuge angeht. Mit der Neuregelung wird es interessant, sein Fahrzeug nachrüsten zu lassen."
    Deutsche Umwelthilfe übt Kritik
    Das Bundesimmissionsschutzgesetz soll Menschen eigentlich vor schädlichen Umwelteinflüssen schützen. Die Reaktionen auf die Änderung fallen naturgemäß sehr unterschiedlich aus. Die Deutsche Umwelthilfe, die als Klägerin bereits zahlreiche Urteile für Fahrverbote erwirkt hat, ist erbost. Geschäftsführer Jürgen Resch:
    "Ganz offensichtlich befindet sich die Bundesregierung im Panikmodus. Der Vorstoß ist europarechtswidrig."
    Kritik kommt auch von den Grünen. Missliebige Umweltvorschriften würden verwässert, klagt der Verkehrspolitiker Stephan Kühn, die belastete Atemluft in den Städten werde einfach legalisiert. Die Bundesregierung wolle etliche Ausnahmen schaffen.
    Städte fordern nachhaltiges Gesamtkonzept
    Unzufriedenheit auch bei den Städten, die sich nach und nach mit Fahrverboten konfrontiert sehen. Die Koalition müsse ein «Gesamtkonzept für nachhaltige Mobilität» erarbeiten, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städtetages, Helmut Dedy, der dpa. «Das Konzept für saubere Luft der Koalition reicht nicht aus. Wir brauchen einen breiteren Ansatz, für einen stärkeren Umweltverbund aus ÖPNV, Rad- und auch Fußgängerverkehr.»
    Die Bundesregierung, vor allem das Verkehrsministerium hatte in den vergangenen Wochen darauf hingewiesen, dass die Mittel aus dem Fonds saubere Luft nicht abgerufen werden. Die Städte müssten sich mehr engagieren. Die hingegen verwiesen auf komplizierte Förderbedingungen.
    Zuspruch von Seiten der FDP
    Zustimmung erntet die Änderung des Umweltgesetzes bei den Liberalen. Für Verkehrspolitiker Oliver Luksic ist es ein richtiger Schritt:
    "Die Bundesregierung versucht natürlich den negativen Effekt der Fahrverbote zu vermindern. Das ist natürlich gut und richtig, was die Meinung der FDP-Fraktion angeht."
    Die Länder müssten einheitlicher messen, so der Liberale Luksic. Nach der Einigung im Kabinett muss sich jetzt der Bundestag mit der Änderung befassen. Ob die Dieselkrise mit dem neuen Bundesimmissionsschutzgesetz endlich gelöst ist, darf bezweifelt werden.