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Dieselkrise
Auch Berlin könnte von Fahrverboten betroffen werden

In einigen deutschen Ballungszentren drohen wegen der schlechten Luft Fahrverbote - was die Bundesregierung unbedingt verhindern will. Doch noch ist unklar, ob ihr beschlossenes Diesel-Maßnahmenpaket wirklich funktioniert. Dabei könnte selbst Berlin von Fahrverboten betroffen sein.

Von Panajotis Gavrilis | 05.10.2018
    Hamburg: Ein Fahrverbotsschild für Fahrzeuge mit Diesel-Motor bis Euro 5 steht an der Stresemannstraße.
    Fahrverbote auch in Berlin? (dpa / picture-alliance)
    Nun könnte es vermutlich auch die Hauptstadt treffen: Fahrverbote für Dieselfahrzeuge. Der Berliner Senat prüfe Fahrverbote für 21 Straßen. Das berichtet zumindest der "Rundfunk Berlin-Brandenburg" und beruft sich auf interne Senatsunterlagen, die dem Sender vorliegen. In einem Dokument vom September 2018 soll es heißen, Fahrverbote seien an einigen dieser 21 Straßen "unausweichlich".
    Konkret hieße das: Ab September 2019 dürften Diesel mit der Schadstoffklasse Euro-5 und niedriger mehrere Hauptverkehrsstraßen nicht mehr nutzen. Das würde fast jeden sechsten Berliner Autofahrer oder Autofahrerin treffen.
    Hardware-Nachrüstungen oder Umtauschen
    In einer Mitteilung der Senatsverwaltung heißt es, "Fahrverbote können nur die letzte Option sein". Noch stehe nicht fest, ob an diesen belasteten Straßenabschnitten die Grenzwerte auch ohne Fahrverbote zu erreichen seien.
    "Es kann sein, dass das Verwaltungsgericht uns Fahrverbote auferlegt", so die Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz. Gemeint ist die Klage der Deutschen Umwelt Hilfe, die nächsten Dienstag in Berlin verhandelt werden soll.
    Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch von der DUH: "Hier meinen wir, dass es eben nicht ausreicht, ein paar Straßenabschnitte zu sperren. Denn das führt dann ja eher dazu, dass die Autofahrer sportlich versuchen, über Nebenstraßen dort drum herum zu fahren und wir möchten erreichen, dass die Diesel-Stinker, die wirklich giftigen Dieselfahrzeuge ausgesperrt werden. Oder eben, dass es einen Druck gibt auf Nachrüstungen, dass sie dann eben nach einer Reparatur sauber wieder in die Stadt einfahren können."
    Hardware-Nachrüstungen oder Umtauschen. Das sind laut Konzept der Bundesregierung die zwei Möglichkeiten für Fahrer der Euro-4- oder Euro-5-Diesel. Doch das gilt nur für besonders belastete Städte – Berlin zählt nicht dazu.
    Das Bundesumweltministerium geht aber davon aus, dass Betroffene trotzdem auf die zwei Alternativen zurückgreifen könnten, so der Sprecher Nikolai Fichtner: "Was jetzt dieses doppelte Angebot Umtauschprämie und Nachrüstung angeht, so gibt es in der Koalitionseinigung von Montagabend einen Passus, der sagt, dass in Städten, wo trotz all dieser Anstrengungen Fahrverbote nicht abzuwenden sind – jetzt umgangssprachlich gesprochen – dieses doppelte Angebot auch gilt. Man muss jetzt natürlich die große Klammer drum ziehen, dass die Autohersteller jetzt noch mitmachen müssen."
    Automobilindustrie lehnt Nachrüstung ab
    Denn: Die Automobilindustrie bleibt dabei bei Ihrer Haltung: Hardware-Nachrüstung auf unseren Kosten – eher nicht zu machen. So lehnen Opel und BMW diese nach wie vor ab. Volkswagen und Daimler wollen sich an Nachrüstungen beteiligen, sofern zertifizierte und zugelassene Systeme existieren.
    Das werde aber noch dauern, so der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, kurz VDA, Bernhard Mattes im Deutschlandfunk: "Bis diese Hardware-Nachrüstungen vollständig entwickelt sind in den Fahrzeugen, um dann auch freigegeben werden zu können, so vergeht hier ungefähr ein Zeitraum von zwei, teilweise sogar mehr als zwei Jahren. Und zum anderen verbrauchen die Fahrzeuge dann auch mehr. Das heißt, wir haben höhere CO2-Ausstöße durch diese Nachrüstungen. Beides gilt es zu vermeiden. Und deswegen kommen wir da zurück auf das, was die Priorität ist, nämlich Bestandserneuerung."
    Die Frage der Nachrüstungen müsse in den kommenden Wochen geklärt werden, so eine Sprecherin des Verkehrsministers Scheuer.
    Das letzte Wort sei hier noch nicht gesprochen, ergänzt Fichtner, Sprecher der Bundesumweltministerin Svenja Schulze: "Der Kampf ist also noch nicht gewonnen an dieser Stelle. Aber die Siegchancen sind besser als je zuvor, weil die Konzerne jetzt wissen, dass sie sich eben nicht nur mit der Bundesumweltministerin anlegen und verscherzen würden, sondern eben auch mit dem ganzen Rest der Bundesregierung."
    Eine "Deadline" für Umbauten am Motor sei spätestens im September 2019 erreicht. Ab dann wäre es nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts möglich, ganze Zonen in Innenstädten für Euro-5-Autos zu sperren.