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Dieselmotor
"Es gibt seit Jahrzehnten Alternativen"

Umweltfreundliche Alternativen zum Dieselantrieb hätten sich in Deutschland auch mangels politischer Forderungen nicht durchsetzen können, sagte der Umweltanalytiker Eckard Helmers von der Hochschule Trier im DLF. Dabei gebe es sie schon seit Jahrzehnten. Was gebraucht werde, sei eine inhärent saubere Technik. "Und das ist nicht der Diesel-Pkw."

Eckard Helmers im Gespräch mit Arndt Reuning | 24.01.2016
    Ein Messschlauch eines Gerätes zur Abgasuntersuchung für Dieselmotoren steckt im Auspuffrohr eines VW-Autos.
    Arndt Reuning: Herr Prof. Helmers, Sie haben zusammen mit über zwanzig Kolleginnen und Kollegen aus ganz Europa einen offenen Brief verfasst zur Zukunftsfähigkeit von Diesel-Pkw. Darin heißt es: "Die Umwelt, das Klima und die Gesundheit der Menschen in Europa würden mit jedem Schritt weg vom Dieselauto profitieren". Womit begründen Sie diese Kritik am Diesel-Personenwagen?
    Eckard Helmers: Das eine liegt auf der Hand: Das sind die zusätzlichen Emissionen, die man hat. Insbesondere die jetzt diskutierten Stickoxid-Emissionen, die sind um einen Faktor fünf bis zehn höher als bei einem vergleichbaren Benziner. Das bedeutet fünfhundert bis tausend Prozent. Und das zweite ist ein großer Mythos, der von der Autoindustrie immer wieder verbreitet wird. Nämlich man habe keine Alternative zum Reduzieren der CO2-Emissionen. Das ist ja das große Ziel, und das ist auch falsch. Das ist ein Mythos, der immer noch verbreitet wird. Denn erstens sind inzwischen die CO-Emissionen der Benziner-Modelle nahezu gleichauf. Und zweitens muss man so ein Fahrzeug – ich bin Ökobilanzierer und betrachte deshalb die gesamte Lebenszeit solch eines Fahrzeuges – auch mal im höheren Alter betrachten. Und da kann die sehr komplexe Technik der Abgasnachbehandlung kann und wird nicht mehr in vielen Fällen funktionieren. Das heißt, insbesondere das Dieselauto emittiert dann wieder Ruß. Und dieser Ruß hat dann wieder – in Europa völlig undiskutiert – erhebliche CO2-äquivalente Emissionen. Pro Kilometer sind es bis zu 80 Gramm CO2, die Sie draufrechnen müssen.
    Reuning: Sie haben schon den Wartungszustand und das Alter des Fahrzeuges angesprochen. Welche Rolle spielen die denn in dieser Problematik?
    Helmers: Das ist ganz interessant. Wir tun in Europa so, als ob die Autos immer in dem Zustand sind, in dem sie die Fabrik verlassen. Das sind sie ganz und gar nicht. Jeder, der mal ein gebrauchtes Auto gefahren hat, weiß das. Interessanterweise werden die Emissionen nach europäischem Recht auch nur für 150.000 Kilometer reguliert. Autos mit höherer Laufleistung fahren außerhalb jeder Kilometerleistung. Es gibt relativ wenige Daten darüber, wie sich ältere Fahrzeuge verhalten. Es gibt eine Studie von vorletztem Jahr aus Frankreich. Da hat man mal 168 Diesel-Pkw per Zufall von der Straße genommen und hat festgestellt, dass drei Viertel von denen einen bis vier Motordefekte hatten. Dann kann einfach diese komplexe Abgasreinigungstechnik nicht mehr funktionieren. Das ist einfach so. Und deshalb muss man die gesamte Lebenszeit betrachten. Wir brauchen wirklich, wie man das sagt, inhärent saubere Technik. Und das ist nicht der Diesel-Pkw.
    Reuning: Wie könnte die denn aussehen. Also welches Motorkonzept verbindet denn niedrige CO2-Werte, niedrige Stickoxidwerte und eine hohe Leistung?
    Helmers: Da gibt es Alternativen, mehrere Alternativen. Schon seit Jahrzehnten. Sehr interessant, etwa Japan zu betrachten. In Japan hat man auch in den 1990er Jahren angefangen, die Forderung zu erheben, CO2-Emissionen im Verkehr zu reduzieren. Nur hat in Japan die Autoindustrie nicht die Wahl, mit welcher Technik sie das machen wollte. Wenn man der Industrie die Wahl lässt, wählt sie immer die billigste Technik, und das ist die vorhandene. Sondern die japanische Autoindustrie musste damals etwas Neues entwickeln, und das war der Elektro-Hybrid. Heute sehen wir, wenn wir uns die CO2-Emissionen von neu zugelassenen Fahrzeugen anschauen in Europa und vergleicht mit denen in Japan, dass die dort um 20 Gramm je Fahrzeugkilometer niedriger liegen mit weniger als zwei Prozent Dieselanteil aber mit erheblichem Anteil an diesen sehr effizienten Elektrohybriden. Das ist die erste Stufe der Elektrifizierung. Und die zweite ist, eben ganz auf elektrische Antriebe zu wechseln. Und eine weitere gute Möglichkeit sind Gasantriebe, die es auch schon seit Jahrzehnten gibt. Aber die sich auch in Deutschland mangels politischer Forderungen nicht durchsetzen.
    Reuning: Glauben Sie denn, dass es den deutschen Städten gelingen wird, die NO2-Werte in der Luft kurzfristig auf das gesetzlich vorgeschriebene Maß zu senken?
    Helmers: Kaum. Denn dazu müsste man nahezu alle bisherigen Diesel-PKW an der Einfahrt in die Städte hindern. Denn alle haben diese zu hohen Emissionen. Abgesehen von einigen, die über die modernen Harnstoff-Einspritzsysteme verfügen und Benziner ähnliche Stickoxid-Emissionen haben. Weiterhin muss man sich auch klar machen: Eigentlich ist das auch ein Unding, dass diese Fahrzeuge dann um die Städte herum fahren. Denn die Schadstoffe verschwinden ja nicht sofort, sondern werden ja auch mit dem Wind verfrachtet. Deshalb: Nein, das wird kurzfristig nicht gelingen.