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Dieselskandal
Verfahren gegen VW-Manager eingestellt

Das Strafverfahren wegen möglicher Marktmanipulation gegen VW-Konzernchef Herbert Diess und Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch wird gegen eine Zahlung von neun Millionen Euro eingestellt. Die Entscheidung kommt überraschend - und weckt Zweifel.

Von Klemens Kindermann | 20.05.2020
Herbert Diess (r), Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG, und Hans Dieter Pötsch, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Volkswagen AG im Jahr 2018
Herbert Diess (r), Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG, und Hans Dieter Pötsch, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Volkswagen AG im Jahr 2018 (dpa/ Swen Pförtner)

Warum kommt das Verfahrensende gegen die VW-Manager so überraschend?

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hatte gegen die beiden VW-Manager erst im September vergangenen Jahres Anklage erhoben. Normalerweise zieht sich ein komplexes Verfahren länger hin. Genau genommen lief jetzt erst das Zwischenverfahren, das heißt: über die Zulassung der Anklage hatten die Richter noch gar nicht entschieden.
Man sieht zwei Hände in weißen Stoffhandschuhen, die das Logo anbringen.
Strafverfahren gegen VW-Manager eingestellt
Juristische Grundsätze hätten bei der Einstellung des Verfahrens gegen die VW-Manager Diess und Pötsch eine wesentliche Rolle gespielt, berichtet DLF-Wirtschaftsredakteurin Silke Hahne. Ihre Einwilligung zur Einstellung hätten die beiden mit der schwierigen Lage des Unternehmens begründet.
Dass das jetzt schon in diesem Stadium gestoppt wird, kommt überraschend - und weckt Zweifel, ob die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gegen die beiden VW-Manager tatsächlich so stichhaltig waren, dass sie in einem Verfahren Bestand gehabt hätten, also möglicherweise eine Niederlage der Anklage. Das Verfahren ist von VW bestätigt, die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft steht allerdings noch aus.
VW-Logo steht auf dem Verwaltungshochhaus vom Volkswagen Werk
VW-Dieselskandal - Hoffnung auf Klarheit vor Gericht
2015 wurde bekannt, dass Volkswagen in Diesel-Modellen illegale Abschalteinrichtungen installiert hatte. Der Wolfsburger Konzern musste daraufhin weltweit mehr als elf Millionen Autos zurückrufen.

Worum geht es bei diesem Strafverfahren?

Es geht um eine ganz zentrale juristische Untersuchung rund um das Bekanntwerden des VW-Abgasskandals im Herbst 2015. Im Kern dieses Verfahrens steht die Frage, ob die Anleger zu spät über die drohenden finanziellen Folgen der Stickoxid-Manipulationen informiert worden sind, und sie somit durch den Wertverlust der VW-Aktie geschädigt worden sind.
Es geht nicht – um die beiden juristischen Stränge auseinanderzuhalten – um die geschädigten Dieselfahrer. Das ist der juristische Komplex, der mit der Manipulation der Motorsteuerung zu tun hat, also der Täuschung von Verbrauchern und Behörden. In diesem Bereich gibt es weitere Verfahren: Am kommenden Montag zum Beispiel verkündet der Bundesgerichtshof das Urteil im Fall der ersten Klage eines betroffenen Diesel-Käufers. In dem jetzt eingestellten Verfahren gegen die beiden VW-Manager ging es darum nicht, sondern ausschließlich um die angebliche Täuschung von Anlegern.

Warum konnte der Vorwurf der Marktmanipulation nicht erhärtet werden?

Marktmanipulation und Insiderhandel sind schwierig nachzuweisende Delikte. Die Staatsanwaltschaft muss belegen, dass jemand zu einem bestimmten Zeitpunkt bestimmte Kenntnisse hat, die nicht öffentlich sind, aber die Börsen- oder Marktpreise erheblich beeinflussen können, wenn die anderen Marktteilnehmer sie erfahren.
Im konkreten Fall war es so, dass der heutige VW-Vorstandschef Herbert Diess erst im Juli 2015 in den Konzern kam - und dass er zunächst nur Chef der Volkswagen-Kernmarke war. Dass er hier sofort das entsprechende Wissen gesammelt hat, das mussten ihm die Ermittler nachweisen. Ganz offenbar ist ihnen das auch bei Hans Dieter Pötsch nicht gelungen – und der war immerhin damals Finanzvorstand und damit für die Kommunikation mit den Finanzmärkten direkt zuständig.

Welche Rolle spielt der frühere VW-Chef Martin Winterkorn?

Auch gegen Martin Winterkorn läuft ein Strafverfahren wegen möglicher Marktmanipulation. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur könnte auch dieses Verfahren gegen Auflagen schon bald beendet werden. Winterkorn ist allerdings noch in einem weiteren Verfahren wegen schweren Betrugs im Zusammenhang mit der Dieselaffäre angeklagt: Das ist dieser beschriebene zweite juristische Strang.
Mit der raschen Einstellung gegen Geld in einem der wichtigsten Vorwürfe im VW-Dieselskandal hat sich die Staatsanwaltschaft möglicherweise keinen Gefallen getan, wenn sie nicht genug in der Hand hatte.