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Dieselstreit
VDA: Messwertabweichungen waren kein Betrug am Kunden

Im Dieselstreit setzt der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Bernhard Mattes, auf Bestandserneuerung. Diese solle mit gezielten Aktionen gefördert werden, sagte er im Dlf. Sollten Fahrverbote kommen, müssten Menschen, die sich kein neues Fahrzeug leisten können, andere Maßnahmen ergreifen, wie sie in eine Stadt fahren.

Bernhard Mattes im Gespräch mit Jasper Baherenberg | 05.10.2018
    Bernhard Mattes sitzt an einem Tisch und spricht. Seine Hände sind ineinander verschränkt.
    Für VDA-Präsident Bernhard Mattes geht das Diesel-Konzept der Bundesregierung "genau in die richtige Richtung". (imago)
    Er sei froh, dass die Bundesregierung und die Automobilindustrie gleiche Ziele hätten, sagte Mattes. Man wolle Fahrverbote unbedingt vermeiden und dafür voll auf Bestandserneuerung setzen. Dies sei "die schnell wirksame Möglichkeit für saubere Luft in den Städten". Nachrüstungen würden kurzfristig nicht wirken.
    Um die Bestandserneuerung schneller zu bewerkstelligen, werde es gezielte Aktionen für Diesel-Besitzer in Städten geben, in denen Fahrverbote drohten. Dafür würden Hersteller Mittel aufwenden. Wie die neuen Rabatte aussehen, könne er aber noch nicht sagen.
    Viele Dieselbesitzer nicht betroffen
    Wenn über Betrug am Kunden gesprochen werde, sei es wichtig, zwei Dinge zu unterscheiden: Zum einen Manipulationen, die gemacht und sanktioniert worden seien, und zum anderen das Auseinanderfallen von Messwerten, Straßenzulassungen und tatsächlichem Verbrauch. Letzteres sei kein Betrug am Kunden, sondern eine Tatsache, die schon lange bekannt sei.
    Viele Dieselbesitzer seien auch gar nicht betroffen, weil sie ihr Fahrzeug in Gegenden fahren würden, die von den "Intensivstädten" nicht berührt würden. Menschen, die sich keinen neues Fahrzeug leisten können, "müssen andere Maßnahmen ergreifen, wie sie in eine Stadt einfahren oder wieder ausfahren, wenn ein Fahrverbot besteht und sie ein Fahrzeug haben, dass von einem solchen Fahrverbot betroffen ist".

    Jasper Barenberg: Vor dieser Sendung hatte ich Gelegenheit, über die Pläne der Bundesregierung mit dem Präsidenten des Verbandes der Automobilindustrie zu sprechen. Ich habe Bernhard Mattes gefragt, wie erleichtert er denn ist, dass auf die Autoindustrie absehbar kaum Belastungen zukommen, dafür aber die Aussicht, viele neue Wagen zu verkaufen.
    Bernhard Mattes: Zunächst einmal bin ich darüber froh, dass Bundesregierung und auch die Automobilindustrie gleiche Ziele haben. Es geht hier um Bestandserneuerung, es geht um saubere Luft in den Städten und es geht darum, Fahrverbote zu vermeiden. Das Programm, das Konzept, das die Bundesregierung vorgelegt hat und natürlich intensiv auch mit den einzelnen Herstellern diskutiert hat, geht genau in die richtige Richtung.
    Barenberg: Dann kommt noch obendrauf, dass Sie noch ein Sonderkonjunkturprogramm geschenkt bekommen für Ihre Hersteller.
    Mattes: Es geht hier gar nicht um Geschenke, sondern es geht darum, dass wir mit gezielten Aktionen insbesondere in den besonders gefährdeten Städten versuchen wollen, die Bestandserneuerung noch schneller zu bewerkstelligen. Denn das ist das am intensivsten wirkende Mittel, wenn es um saubere Luft geht, und dafür werden die Hersteller auch entsprechende Mittel aufwenden, wie sie das ja auch schon mit den Maßnahmen, vereinbart beim Forum Diesel im August letzten Jahres, gemacht haben.
    "Überhaupt kein Sonderkonjunkturprogramm"
    Barenberg: Nun gibt es ja auch für Kunden, die einen neuen Wagen bei einem deutschen Hersteller kaufen wollen, durchaus heute schon Rabatte. Wodurch sollen sich denn die Rabatte, die jetzt versprochen sind von der Industrie, von den ohnehin üblichen unterscheiden?
    Mattes: Das werden wir sehen, sobald die einzelnen Unternehmen ihre Maßnahmenpakete kommunizieren. Dem kann und will ich nicht vorgreifen, weil das wiederum die einzelnen Unternehmen tun. Aber es wird gerade für diese Intensivstädte um sehr, sehr attraktive Möglichkeiten der Kunden gehen, bestehende ältere Dieselfahrzeuge in neue Dieselfahrzeuge oder auch junge gebrauchte Dieselfahrzeuge tauschen zu können.
    Barenberg: Das ist so eine Art Rabattaktion, die Sie da planen?
    Mattes: Das ist eine Tauschaktion, das ist richtig, und die wird finanziell von den Herstellern unterstützt.
    Barenberg: Insofern ist ja auch der Ausdruck Umtauschprämie eigentlich irreführend. Das sagen jedenfalls Verbraucherschützer. Denn am Ende geht es ja tatsächlich darum, dass Sie ein Auto, das man schon gekauft hat, in Zahlung nehmen – jedenfalls dann, wenn der Kunde dafür ein neues oder ein junges gebrauchtes kauft.
    Mattes: Richtig! Ein älteres Dieselfahrzeug in ein neueres Dieselfahrzeug oder auch in ein Benzinerfahrzeug tauschen zu können, das ist die Aktion. Bestandserneuerung ist das Stichwort. Das wirkt am schnellsten, wenn es um saubere Luft in den Städten geht.
    Barenberg: Also doch ein Sonderkonjunkturprogramm?
    Mattes: Überhaupt kein Sonderkonjunkturprogramm, sondern ein Programm zur sauberen Luft in Intensivstädten.
    Barenberg: Aber Sie werden ja mehr Autos dadurch verkaufen, weil viele Millionen Kunden sitzen ja jetzt in Autos, mit denen sie betrogen worden sind im Grunde.
    Mattes: Zunächst einmal geht es darum, dass wir den Bestand erneuern, saubere Luft in den Städten haben und den Menschen die Möglichkeit geben, durch diese Aktionen weiterhin mobil zu sein und mobil sein zu können auch in den Städten, die von Fahrverboten betroffen sein könnten. Diese gilt es einfach zu vermeiden damit.
    Messwertabweichungen "kein Betrug am Kunden"
    Barenberg: Warum fällt es Ihnen eigentlich so schwer, auch wenn wir jetzt miteinander sprechen, einfach mal klipp und klar zu sagen, dass deutsche Hersteller Millionen von Dieselfahrern und Dieselkunden kalt enteignet haben mit den Betrügereien, und dass Sie Ihre Händler belogen haben und Ihre Kunden betrogen? Warum ist das so schwer?
    Mattes: Vielleicht können wir zwei Dinge auseinanderhalten. Erstens einmal: Es sind Manipulationen an Fahrzeugen gemacht worden. Das ist zurecht nicht nur bemängelt, sondern auch ja klar mit Rückrufaktionen und Ähnlichem sanktioniert worden. Das ist das eine.
    Das andere ist, dass Fahrzeuge, die auf der Straße fahren, einen höheren Verbrauch haben, als sie für die Straßenzulassung getestet wurden. Das lag aber in der Natur der Tests, die wir in der Vergangenheit durchgeführt haben, die so staatlich sanktioniert waren und die auch zu einer ganz ordentlichen Zulassung der Fahrzeuge für den Straßenverkehr geführt haben. Beides darf man nicht miteinander vermengen. Wir wollen jetzt mit unseren Aktionen dafür unseren Beitrag leisten, dass wir saubere Luft in den Städten haben.
    Barenberg: Ob das Straftaten waren, das müssen ja erst überhaupt noch die Gerichte klären. Aber würden Sie nicht zustimmen, wenn man sagt, es mag am Ende sogar gedehnt, aber doch am Ende noch legal gewesen sein, weil es immerhin Zulassungen für diese Fahrzeuge gab, aber ein Betrug am Kunden bleibt es trotzdem?
    Mattes: Noch mal auseinanderhalten. Das eine ist die Manipulation an Fahrzeugen. Das wird gerichtlich untersucht. Hier gab es aber schon Rückrufe und entsprechende Software-Updates. Das andere ist das Auseinanderfallen von Messwerten, Straßenzulassung und tatsächlichem Verbrauch. Das ist kein Betrug am Kunden, sondern das ist eine Tatsache, die schon lange bekannt ist und der wir auch Rechnung tragen, alle zusammen, auch auf Basis der EU. Denn es gibt ein neues Messverfahren, den WLTP, der zwar auch ein Rollenprüfstands-Messverfahren ist, aber deutlich näher an die realen Fahrsituationen herankommt.
    Barenberg: Sie würden sagen, das ist kein Betrug, auch derjenigen Kunden nicht, die vor Jahren ein Dieselfahrzeug gekauft haben, das auf der Straße tatsächlich aber, sagen wir, das Fünffache von dem ausstößt, was eigentlich auf dem Papier steht?
    Mattes: Zunächst einmal: Das Fünffache ist ja nicht der richtige Begriff. Es gibt Fahrzeuge, die mehr Emissionen und auch Verbrauch haben als angegeben, aber nicht das Fünffache.
    Das andere ist, dass das kein Betrug ist im Sinne des Betruges, sondern es ist eine Abweichung, die sich ergeben hat, einfach durch das Testen für die Straßenzulassung, das anders verfährt als das reine Fahren auf der Straße. Wir haben schon lange viele Hersteller-Trainings gemacht, um Spritspar-Programme umzusetzen, und dabei festgestellt, dass viele Kunden, allein wenn sie anders fahren, bis zu 25 Prozent weniger verbrauchen können. Vieles kann man erreichen und wir wollen unseren Beitrag dazu leisten.
    "Nachrüstung nicht das Mittel, das kurzfristig wirkt"
    Barenberg: Über die möglichen Rabatte haben wir schon gesprochen. Sprechen wir über die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen, ein von den Herstellern ungeliebtes Thema, das jetzt auch nur noch für eine ganz kleine Gruppe vorgesehen sein soll. Da erwartet die Regierung allerdings, dass die Hersteller dafür vollständig die Kosten übernehmen. Sind Sie dazu bereit?
    Mattes: Ich kann nicht für die Hersteller sprechen. Ich kann aber eins sagen, und deswegen ist die Hardware-Nachrüstung auch nicht das Mittel, das tatsächlich kurzfristig wirkt. Bis diese Hardware-Nachrüstungen vollständig entwickelt sind in den Fahrzeugen, um dann auch freigegeben werden zu können, vergeht hier ungefähr ein Zeitraum von zwei, teilweise sogar mehr als zwei Jahren.
    Zum anderen verbrauchen die Fahrzeuge dann auch mehr. Das heißt, wir haben höhere CO2-Ausstöße durch diese Nachrüstungen. Beides gilt es zu vermeiden, und deswegen kommen wir wieder zurück auf das, was die Priorität ist, nämlich Bestandserneuerung und insbesondere der Dieseltechnologie wieder zu dem zu verhelfen, was sie ist, nämlich ein hervorragender Problemlöser, wenn es um CO2-Reduzierung geht.
    Barenberg: Sie wissen ja, dass BMW und Opel bereits abgewunken haben, wenn es um die Kostenübernahme für eine Nachrüstung geht. Mercedes ist da noch zurückhaltend, hat sich noch nicht so festgelegt, und VW, wenn ich das richtig weiß, war jedenfalls ursprünglich bereit, so etwas wie 80 Prozent der Kosten zu übernehmen. Wenn wir Ihnen zuhören, dann können wir nicht glauben, dass die Gespräche, die jetzt noch mit der Bundesregierung geplant sind und anstehen, dass da noch irgendwas sich ändern wird? Auf den Kosten für die Nachrüstung wird dann der jeweilige Kunde sitzen bleiben?
    Mattes: Ich kann nicht für die Unternehmen sprechen. Das sehen Sie mir bitte nach. Da muss jedes einzelne Unternehmen selber für sich entscheiden, auch was es in noch möglichen Gesprächen mit der Bundesregierung dann tun wird.
    Barenberg: Sie haben auch keine Haltung zu der Frage, ob die Industrie, ob die Hersteller sich da etwas bewegen sollten, um das gemeinsame Ziel, das Sie am Anfang skizziert haben, saubere Luft in den Städten, dann auch zu erreichen?
    Mattes: Doch, ich habe eine. Wir werden alles mit Priorität darauf setzen, den Bestand zu erneuern, weil das die schnell wirksame Möglichkeit für saubere Luft ist. Hardware-Nachrüstungen dauern länger und sie verbrauchen mehr CO2.
    "Andere Maßnahmen ergreifen, wie sie in eine Stadt fahren"
    Barenberg: Herr Mattes, das bedeutet ja, darüber haben wir gesprochen, dass die Kunden sich einen neuen Wagen oder einen neuen Gebrauchten anschaffen sollen. Aber was raten Sie denn denen, was sollen die machen, die jetzt nicht 20.000 oder 30.000 Euro auf dem Konto haben, um sich ein neues Auto zu kaufen?
    Mattes: Es kommt natürlich darauf an. Wir haben viele, viele Dieselbesitzer, die ihr Fahrzeug fahren in Gegenden, die von diesen Intensivstädten überhaupt nicht berührt sind. Und ja, wenn es darum geht, dass Fahrverbote kommen oder kommen sollen, dann schaffen wir es, mit einer schnellen Bestandserneuerung wahrscheinlich noch mehr Städte davon auszunehmen, dass sie gar keine Fahrverbote haben. Und das ist unser Ziel. Wir wollen keine Fahrverbote, dass die Leute auch weiterhin fahren können.
    Barenberg: Und die, die sich dann keinen neuen Wagen leisten können oder wollen, die müssen dann draußen bleiben?
    Mattes: Wenn Sie es so sehen wollen, müssen sie dann andere Maßnahmen ergreifen, wie sie in eine Stadt einfahren oder wieder ausfahren, wenn ein Fahrverbot besteht und sie ein Fahrzeug haben, das von einem solchen Fahrverbot betroffen ist. Das ist richtig.
    "Konzentrieren auf die ganz besonders gefährdeten Städte"
    Barenberg: Sie haben es erwähnt. Fahrverbote zu vermeiden, das ist im Grunde genommen mit eines der wichtigsten Ziele bei diesem ganzen Maßnahmenpaket, und das ist ja ein interessanter Punkt, dass die Angebote zum Tausch oder auch zur Nachrüstung im Moment nur geplant sind für 14 besonders bedrohte Städte von Fahrverboten. München, Stuttgart, Köln, Hamburg zum Beispiel gehören dazu, nicht aber Hannover oder Dortmund, die knapp unter diesem Wert liegen, oder Berlin, und schon gar nicht Menschen, die auf dem Land leben. Finden Sie das eigentlich gerecht, dass jetzt einigen das Angebot gemacht wird, attraktive Angebote, wie der Verkehrsminister sagt, und andere gehen leer aus, die aber auch das gleiche Problem im Grunde genommen haben, dass sie einmal ein Auto gekauft haben, das sie für umweltfreundlich hielten, und das hat sich dann als falsch erwiesen?
    Mattes: Ich halte es für richtig, dass wir uns konzentrieren insbesondere auf die Städte, wo wir Luftreinhaltewerte haben, die noch deutlich über den Grenzwerten liegen, damit wir auch dort Fahrverbote vermeiden können. Wenn es uns gelingt, Fahrverbote generell zu vermeiden, ich glaube, dann haben wir für die Mobilität der Menschen am meisten gesorgt.
    Barenberg: Das heißt, als zweiter Schritt dieses Angebot zu erweitern auf alle, die betroffene Fahrzeuge der Normen vier und fünf sich mal angeschafft haben, dafür wären Sie nicht?
    Mattes: Ich halte jetzt viel davon, sich zu fokussieren, sich zu konzentrieren auf die ganz besonders gefährdeten Städte.
    Barenberg: Der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, Bernhard Mattes hier im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Ich bedanke mich!
    Mattes: Ich danke Ihnen auch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.