Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Digitale Logistik bei der Beumer Group
Die intelligente Lagerhalle

Die Verzahnung von Produktion und digitaler Kommunikation, die Industrie 4.0, ist in der Intralogistik-Branche bereits angekommen. Die Beumer Group stellt automatische Logistik-Systeme her. Maschinen, die miteinander vernetzt sind und automatisch wissen, was sie zu tun haben - beim Verpacken, Verladen, Sortieren und Transportieren von Waren weltweit.

Von Vivien Leue | 19.08.2016
    Eine Mitarbeiterin in einer großen Lagerhalle mit tausenden Kartons in Regalwänden
    In Zukunft werden in einem Unternehmen Lager- und Regalsysteme selbstständig Bescheid geben, wenn Waren fehlen. (dpa / picture alliance / Christoph Schmidt)
    "Wir gehen mal ein Stück da runter." Martin Hörster läuft durch die Produktionshalle der Beumer Group im westfälischen Beckum und zeigt auf die einzelnen Arbeitsstationen. An einer Stelle wird geschweißt, an einer anderen geschraubt und gesägt, überall lagern große Metallteile.
    "Hier befinden wir uns jetzt schon im Herzen der Produktion." Hörster ist Technischer Direktor von Beumer. Die Firma entwickelt und produziert Intralogistik-Systeme, also Anlagen für die interne Abläufe in Produktionsunternehmen: Maschinen zum Verpacken, Verladen, Sortieren und Transportieren von Waren – und das weltweit. Seit nunmehr 80 Jahren besteht das Familienunternehmen:
    "Ich denke, dass wir ein Stück weit die Automatisierung miterlebt haben, die wir gut gemeistert haben. Jetzt geht es darum, diese individuellen Lösungen, die wir geschaffen haben, zu vernetzen. Weil eben auch viele Firmen sich an unterschiedlichen Standorten aufgestellt haben oder aber auch Anlagenteile vernetzen wollen, um die Effektivität und Produktivität zu steigern."
    Effizienz wird gesteigert, die Kosten sinken
    In der Praxis heißt das: In Zukunft werden in einem Unternehmen Lager- und Regalsysteme selbstständig Bescheid geben, wenn Waren fehlen. Diese Waren werden dann nachproduziert und melden sich später eigenständig bei fahrerlosen Transportern, um ihnen mitzuteilen, wann und wo sie abgeliefert werden müssen.
    Die Industrie 4.0, die Verzahnung von Produktion und digitaler Kommunikation – in der Intralogistik-Branche ist sie schon angekommen. Die Beumer-Maschinen sind miteinander vernetzt und wissen automatisch, was sie zu tun haben – es entstehen weniger Leerlaufzeiten, die Effizienz wird gesteigert, die Kosten sinken. Letzteres ist nach Ansicht des Vertriebschefs von Beumer, Detlev Rose, auch ein Entwicklungstreiber der Branche:
    "Intralogistik, Lagerhaltung, Kommissionierung von Waren hat auch immer etwas mit Kosten zu tun. Wer heute nicht in der Lage ist, möglichst effizient im Bereich der Lagerhaltung, im Bereich des Versandes zu agieren, der hat einen Kostennachteil und büßt von daher in der Wettbewerbsfähigkeit ein."
    Intralogistik-Branche wird weiter wachsen
    Laut dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, VDMA, wird die Intralogistik-Branche auch in diesem Jahr merklich wachsen. Drei Prozent werden prognostiziert. Und Beumer-Vertriebschef Detlev Rose ist optimistisch, dass ähnliche Wachstumsraten auch in den kommenden Jahren zu erwarten sind:
    "Dass, was wir in Europa, den USA, ich sage mal den Erste-Welt-Ländern jetzt schon erlebt haben in den letzten zehn Jahren, wird auch in den Zweit- und Drittländern Einzug halten. Das ist für uns ein ganz, ganz wichtiger Trend."
    Die Beumer Group ist deswegen in Dutzenden Ländern vertreten, unter anderem in Indien, China, Brasilien und Russland. Ein Großteil der Aufträge stammt schon jetzt aus dem Ausland. Als Beumer 1935 gegründet wurde, war das noch ganz anders. Die Maschinenfabrik stellte vorrangig Anlagen für die westfälische Zement- und Kalkindustrie und für den Bergbau des Ruhrgebiets her:
    "In den letzten 15 Jahren hat dann aber der Bereich Logistik und Airport-Technik signifikant an Bedeutung gewonnen und heute macht der Bereich Logistik von der Bedeutung ein Drittel des Auftragseingangs der Firma Beumer aus, Airport ist ein weiteres Drittel und das letzte Drittel entfällt auf die klassische Schüttgut-Technik."
    Verarbeitung von Daten ist eine große Herausforderung
    Zurück zu Martin Hörster, dem Technischen Direktor von Beumer. Er steht mittlerweile in der Forschungs- und Entwicklungs-Halle – bis zu 60 Mitarbeiter tüfteln hier an neuen Maschinen, zum Beispiel im Bereich Flughafentechnik. "Das ist jetzt das sogenannte Autover-System."(*) Hörster zeigt auf ein Netz aus Schienen und Weichen. Ein wenig erinnert es an eine Kartbahn. Darauf fahren unbemannte Fahrzeuge hin und her, stoppen, nehmen Koffer auf, fahren weiter, überholen sich gegenseitig und liefern die Koffer an anderer Stelle wieder ab.
    "Jedes Fahrzeug hat einen eigenen PC an Bord und ist intelligent und kommuniziert mit den unterschiedlichsten Fahrzeugen. Das Fahrzeug, das am nächsten am Beladepunkt ist, fährt dort hin, nimmt den Koffer und sucht sich letztlich den Weg zum Ziel."
    Solche Systeme verkauft Beumer an Flughafen-Betreiber weltweit. Sie sind aber auch bei anderen Intralogistik-Anbietern beliebt – denn letztlich können sie in allen Bereichen eingesetzt werden, in denen Waren innerhalb eines Betriebes kostengünstig und schnell transportiert werden müssen. Und: Mittlerweile forschen Wissenschaftler, zum Beispiel am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik in Dortmund, an fahrerlosen Transportsystemen – ohne Schiene. Eine große Herausforderung für diese Art der automatischen Logistik-Systeme ist die Verarbeitung von Daten:
    "Was ist möglich, was ist nötig, was darf ich, wie muss ich mich verhalten in den jeweiligen Netzen, um eben auch die Daten sicher handeln zu können, aber auch nicht beeinflusst zu werden von anderen Daten, die von außen kommen."
    So beschreibt Hörster die Aufgaben, die seine IT-Abteilung lösen muss.
    Kommunikation zwischen Produkten und Anlagen
    Bei immer mehr und immer größeren Datenströmen wird auch die IT-Infrastruktur, also zum Beispiel die Ausstattung an schnellen Datenleitungen, immer wichtiger. Hier sind die Unternehmen auch an die Ausstattung der jeweiligen Länder gebunden, wie Vertriebschef Detlev Rose erklärt:
    "Da sieht’s dann in Indien vielleicht ein bisschen anders aus oder in den Vereinigten Arabischen Emiraten, wo immer unsere Auslandsgesellschaften sind. Ich glaube, dass diese Infrastrukturthemen in Zukunft ganz wesentlich für Deutschland sein werden und da muss man permanent dran bleiben."
    Deutschland sei da aber schon gut aufgestellt, sagt Rose. Und so wird es wohl bald noch normaler werden, dass Produkte und Anlagen untereinander kommunizieren – ganz ohne menschliches Eingreifen.
    (*) In einer früheren Version hieß es: "Das ist jetzt das sogenannte Auto-Fähr-System." Wir haben diesen Fehler korrigiert.