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Digitale-Versorgung-Gesetz
Umstrittene Datensammlung im Gesundheitssektor

Der Bundestag soll heute das sogenannte Digitale-Versorgung-Gesetz von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) beschließen. Umstritten ist die Sammlung von Daten der gesetzlich Versicherten für Forschungszwecke - zumal Versicherte der Weitergabe nicht widersprechen können.

Von Johannes Kuhn | 07.11.2019
ARCHIV - ILLUSTRATION - 27.03.2018, Niedersachsen, Braunschweig: Ein Arzt misst in der Notfall-Triage-Praxis im Klinikum an der Salzdahlumer Straße den Blutdruck einer Patientin. Seit einem Jahr sollen Hausärzte in Braunschweig die Notaufnahme im Klinikum entlasten. Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa | Verwendung weltweit
Künftig noch digitaler statt nur analog: Das Gesetz zur digitalen Versorgung von Patienten wird Abläufe in Praxen und der Forschung verändern (dpa)
Die Gesundheitsversorgung soll digitaler werden. Und so zählt Jens Spahn (CDU) gleich eine ganze Reihe von Neuerungen auf, die der Bundestag im Rahmen des Digitale-Versorgung-Gesetz beschließen soll. Der Gesundheitsminister sagte im ZDF-Morgenmagazin: "Ein Thema ist Online-Sprechstunden, dass ich die Möglichkeit habe, direkt einen Arzt zu kontaktieren, der möglicherweise in einer ganz anderen Stadt sitzt, aber mir helfen kann. Eine elektronische Patientenakte. Wir wollen eine Weltneuheit heute beschließen: Dass es digitale Apps auf Rezept gibt für die Gesundheit."
"Weltneuheit" mit Fragezeichen und neue Chancen
Einige Teile des Gesetzes sind unumstritten: So sollen Ärzte mehr Geld für Online-Sprechstunden erhalten, um die Versorgungslücken im ländlichen Raum zu schließen. Doch schon bei der Weltneuheit, den kassenbezahlten Gesundheitsapps, gibt es Kritik: Die werden zwar wie Medikamente künftig durch eine zentrale Stelle zugelassen, die Anbieter müssen aber erst nach einem Jahr die Wirksamkeit nachweisen. Die Grünen-Sprecherin für Gesundheitspolitik, Maria Klein-Schmeink, sagte dazu: "Das ist Wirtschaftsförderung auf Rezept. Weil diese Apps schon in den Verkehr gebracht werden, ohne dass nachgewiesen ist, dass sie überhaupt einen Nutzen haben."
Kritik aus der Teilen der Ärzteschaft gibt es daran, dass sie ihre Praxen ebenso wie Apotheken und Kliniken an ein separates Netzwerk anschließen müssen, um Patientendaten und Rezepte elektronisch austauschen zu können. Grundsätzlich biete die Digitalisierung hier Chancen, so am Morgen im Deutschlandfunk die Medizinethikerin Sabine Salloch: "Es gibt hier das Potenzial einer Steigerung von Effektivität. Es gibt hier das Potenzial, das weniger Informationen verloren gehen. Es gibt die Möglichkeit, dass zum Beispiel Doppeluntersuchungen vermieden werden durch die Bündelung von Informationen, was sehr, sehr im Interesse von Patienten ist."
Datenweitergabe nur von gesetzlich Versicherten
In den vergangenen Tagen hatte die Weitergabe der sogenannten Sozialdaten von 73 Millionen gesetzlich Versicherten Kritik hervorgerufen. Die gehen künftig an eine zentrale Sammelstelle beim GkV-Spitzenverband und sollen zur Gesundheitsforschung verwendet werden. Jens Spahn verteidigt dies: "Wichtig ist: Es geht nicht um Behandlungsdaten, sondern um Abrechnungsdaten. Das sind also Daten, die eh genutzt werden um abzurechnen mit den Krankenkassen."
Dabei handelt es sich Informationen wie Alter, Geschlecht, Wohnort und verordnete Behandlungen. Die Datensätze sollen nun nicht wie geplant im Klartext, sondern bereit pseudonymisiert weitergegeben werden. Eine staatliche Forschungsdatenstelle soll dann entscheiden, welche Medzinprojekte auf sie zugreifen dürfen. Das soll auch verhindern, dass Rückschlüsse auf die Identität möglich sind. Ob dies prinzipiell zu verhindern ist, gilt als umstritten.
Gesetzlich Versicherte können der Weitergabe nicht widersprechen. Für Medizinethikerin Salloch ist das eine schlechte Lösung: "Für mich wäre eine Opt-Out-Lösung, also mindestens die Möglichkeit des Widerspruchs, eine minimale Anforderung an das Kriterium der Freiwilligkeit. Und selbst das ist bisher, soweit ich weiß, nicht gegeben", sagte sie ebenfalls im Deutschlandfunk. Für Gesundheitsminister Spahn ist das jedoch kein Argument: "Da es Abrechnungsdaten sind, die auch heute schon genutzt werden, braucht es diese Möglichkeit nicht. Das ist im Übrigen auch mit den Datenschutzbeauftragten geklärt." Private Firmen gehören laut Gesetzentwurf übrigens nicht zu den Forschungsgruppen, die auf die Daten zugreifen sollen.