Dienstag, 16. April 2024

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Digitales Krankenhaus
Wie der Computer die Krankenpflege verändert

Die Digitalisierung hat längst die Krankenhäuser erreicht. Für Pfleger heißt das nicht nur die Patienten zu versorgen, sondern es bedeutet auch mehr Arbeit am Computer und in der Krankenverwaltung. Doch die digitale Technik wird nicht von allen geschätzt.

04.01.2018
    Zwei Personen betreten am Mittwoch (05.01.2011) das Universitätsklinikum Leipzig.
    Patienten der Universitätsklinik in Leipzig werden mittels Chipkarte aufenommen (dpa / Jan Woitas)
    Universitätsklinikum Leipzig. Kathrin Kannegiesser kommt auf die Station der Psychiatrie.
    "Morgen, guten Morgen allerseits."
    Kathrin Kannegiesser leitet das Pflegedepartment hier. Sie läuft durch den Flur hinter den Empfangstresen zu Schwester Claudia, die gerade am Computer arbeitet.
    "So, also Digitalisierung heißt, wenn man mal von der Pflege ausgeht, wenn wir einen Patienten neu aufnehmen, läuft das alles über unser KIS System, über das SAP."
    Patientenaufnahme per Chipkarte
    Pflegekraft hier im Universitätsklinikum Leipzig zu sein, bedeutet nicht nur, die Patienten zu versorgen, sondern auch, das Krankenhausinformationssystem, kurz KIS, zu bedienen.
    "Die Patienten werden also aufgenommen mittels Chipkarte, die Daten werden eingelesen. Es gibt ganz viele Bereiche, die über das SAP erfasst werden. Das ist also das Entlass-Management, das Aufnahme-Management, über das SAP können wir Leistungsanforderungen mittels einem sogenannten KLAU machen, das heißt, wenn wir die Patienten zum Röntgen schicken wollen, zum CT schicken wollen, dann müssen wir also nicht mehr wie früher mit Zettel und Fax, sondern das geht also alles jetzt über unser KIS-System."
    Die Pflegekräfte verbringen immer mehr ihrer Arbeitszeit am Computer, auch hier in der Psychiatrie in Leipzig.
    "Daniela, wie viel Zeit am Computer?"
    "Zwei Stunden."
    "Zwei Stunden pro Dienst. Zwei Stunden von acht genau. Also es ist schon viel."
    Die Bürokratisierung der Pflege wird vielfach beklagt: Immer mehr Zeit gehe "für Papier- und Computerkram" drauf, heißt es dann – und dass doch Datenerfassung nicht wichtiger sein könne als die Arbeit mit den Menschen. Doch Pflegeleiterin Kathrin Kannegiesser stellt die Vorteile der modernen Techniken heraus: Der Austausch mit anderen Abteilungen sei wesentlich einfacher, auch in der Logistik sparten die Schwestern erheblich Zeit ein. Sie konnten das System testen und sagen, was sinnvoll und was weniger sinnvoll für ihre Arbeit war, berichtet Kannegiesser. Deshalb sind sie auch zufrieden damit, auch wenn Kathrin Kannegiesser gerne noch weiter gehen würde.
    "Man muss dazu sagen, dass wir hier noch keine vollständige elektronische Patientenakte haben. Wir haben also noch die Hälfte in Papier und die andere Hälfte im Computer. Das erschwert es natürlich ein bisschen zunehmend. Weil man hat so zwei verschiedene Systeme."
    Dieses Nebeneinander von digitaler Verwaltung und alten papierbasierten Vorgängen ist typisch für Krankenhäuser, das hat Michaela Evans in einer Studie für die Hans-Böckler-Stiftung herausgefunden. Sie ist Direktorin am Institut für Arbeit und Technik an der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen.
    "Also die wirkliche Digitalisierungsstrategie, das ist heute noch die große Ausnahme in den Krankenhäusern. Was wir beobachten, ist, dass wir es vielmehr mit so Insellösungen zu tun haben. In einzelnen Abteilungen wird eine neue Technik eingeführt, aber die wirkliche Digitalisierungsstrategie, das ist heute eher noch die Ausnahme. Von daher ist das Spektrum, wie Krankenhäuser konkret mit digitalen Techniken umgehen, heute noch sehr, sehr breit gefächert."
    Nicht alle schätzen die Vorteile des Systems
    Und das liegt nicht an den Angestellten. Auch das hat die Studie gezeigt, so Michaela Evans.
    "Gerade in der Pflege wird ja häufig das Argument gebracht, dass Pflegefachkräfte nicht besonders affin sind, was den Einsatz und den Umgang mit digitaler Technik angeht. Das konnten wir in der Befragung überhaupt nicht feststellen."
    Allerdings hat die Studie auch einige Probleme aufgezeigt. Anders als auf der Station von Kathrin Kannegiesser in Leipzig werden die Pflegekräfte oft nicht in die Einführung und die Weiterentwicklung der digitalen Technik einbezogen. Das kann zu Frust führen – und dazu, dass das System schlecht funktioniert. Manchmal bereitet dann eine frisch und teuer eingeführte Software mehr Arbeit als vorher. Außerdem dokumentieren manche Systeme jeden Handgriff und geben Handlungsanweisungen. Dadurch fühlen sich die Pflegekräfte in ihrer beruflichen Autonomie eingeschränkt, es führe zu Hetze und dem Gefühl, überwacht zu werden, so Michaela Evans.
    "Und man möchte sich eben nicht von einem digitalen Expertensystem vorgeben lassen, was ist jetzt eigentliche der nächste Arbeitsschritt, was ist jetzt die richtige therapeutische oder pflegerische Entscheidung."
    Pflegekräfte werden geschult
    Allgemein aber nehmen die Pflegekräfte demnach die neue Technik an und schätzen die Vorteile. So auch in der Universitätsklinik in Leipzig. Jede neu eingestellte Pflegekraft wird hier erst einmal in der nötigen Software geschult. Dass jemand in Gänze nicht mit einem Computer umgehen konnte oder wollte, daran kann sich Kathrin Kannegiesser nicht erinnern.
    "Ich glaube, das ist eher selten, heute so jemanden zu finden. Aber wir haben viele Schulungsprogramme am Haus, die auch, ich sage mal, die auch bei der Basis und bei den Grundlagen am Computer anfangen, also das bekommen wir auf jeden Fall hin."
    Es klingt, als hätte Kannegiesser keine Sorge, dass die Digitalisierung der Pflegewelt jemanden überfordern könnte. Dabei bedingt der Pflegenotstand, dass auch schlechter qualifizierte Kräfte stark geschult werden müssen. In der Ausbildung der Pflegekräfte spielt die digitale Technik mittlerweile eine wichtige Rolle. Ein Viertel der Zeit, wie es in der Arbeit auf der Station in Leipzig bereits der Fall ist, nimmt das aber noch nicht ein.