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Digitales Logbuch

Wir verließen Kyoto nach Norden.

Von Maximilian Schönherr | 28.02.2004
    "Wollen wir Nudeln essen, oder in dieses sonderbar entlegene Tofu-Restaurant fahren?” fragte Ushihiro.

    "Tofu!” schallte es von den Rücksitzen zurück. Vor uns die Klapptische, auf denen wir unsere Handys gelegt hatten. Ushihiro fuhr etwas langsamer, kramte aus ihrer Handtasche die Visitenkarte des Restaurants heraus und tippte die Telefonnummer ins Navigationssystem ein. Sekunden später sagte Männerstimme in fast forderndem Ton: "Bitte wenden und dann gleich links abbiegen.”

    Wie, der weiß, wo das Restaurant ist, ohne dass du die Adresse eingibst?

    Ushihiro erzählte uns später beim Essen bizarrer Sojabohnenkäsegebilde, dass die Telefonnummer nun einmal den Ort eindeutig definiert, und dass Restaurants in Japan nicht nur nicht die Telefonnummer wechseln, sondern auch nicht den Besitzer und auch nicht den Standort. In Japan, sagte sie, nehmen wir Telefonnummern auch nicht mit, wenn wir umziehen. Wir ziehen nicht um. Wir bleiben immer da.

    Beim Nachtisch – Eis aus grünem Tee und Kaffee – zirpte ihr Handy. Sie führte das Gerät an ihr Ohr. Ihre Stirn legte sich in Falten.

    "Widerlich, dieser Typ!” sagte sie später, sichtlich betroffen.

    "Er belästigt dich mit Anrufen?” Ushihiro nickte still.

    Wieder im Auto gab ich die Telefonnummer des Anrufers ins Navigationssystem ein. Es war – wie Ushihros Nummer – keine Festnetznummer.

    "Folgen Sie der Straße 111 Kilometer.”

    Ich bat Ushihiro, die Stimme des Ansagers wechseln zu dürfen. Eine Stunde später führte uns eine warme Frauenstimme auf eine Autobahn südöstlich, dann südlich von Kyoto. Wir schienen die Stadt zu umkreisen.

    Dann, nach Minuten des Schweigens, plötzlich: "Wechseln Sie die Spur nach links, lassen Sie den roten Audi A4 und dann den metallic-grauen Nissan überholen. Der Nissan ist Ihr Ziel.”