Freitag, 29. März 2024

Archiv

Digitalisiertes Kulturerbe
"Bertolt Brecht wollte ins Kino"

Das Brecht-Archiv hat filmisches Material aus der Frühzeit des Berliner Ensembles digitalisiert. Das Kino war für den Dramatiker Brecht ein willkommenes Ausdrucksmittel, seine Kunst unter die Leute zu bringen. Man sehe wie "lebendig, witzig, klug" diese Theaterkunst war.

Erdmut Wizisla im Gespräch mit Anja Reinhardt | 05.10.2019
Ausschnitt aus dem Film "Baal" von Bertolt Brecht, verfilmt von Volker Schlöndorff 1969. Zu sehen sind im schwarzweiß Portrait zwei Personen, Rainer Werner Fassbinder und Hanna Schygulla, die an der Kamera vorbei schauen.
"Baal" mit Rainer Werner Faßbinder und Hanna Schygulla im Film von Volker Schlöndorff (Volker Schlöndorff)
Der 1898 in Augsburg geborene Bertolt Brecht war nicht nur an der Erneuerung des Theaters interessiert, er hat sich auch für das aufkommende Massenmedium Film interessiert. Als Drehbuchautor hat er nicht nur die "Dreigroschenoper" oder "Kuhle Wampe" geschrieben, er hat mit Regisseur Fritz Lang gearbeitet oder mit Schauspielern wie Ernst Busch, Karl Valentin oder Peter Lorre.
Brecht hat seine Theaterarbeiten dokumentiert und auch private Filmaufnahmen zugelassen - ein reiches Konvolut aus Filmaufnahmen, die die Akademie der Künste in Berlin digitalisiert hat – in der Reihe "Brecht in echt" sind die Filme im Kino Babylon in Berlin zu sehen, teilweise zum ersten Mal überhaupt für ein öffentliches Publikum. Über Brechts Verhältnis zum Film habe ich vor der Sendung mit dem Literaturwissenschaftler Erdmut Wizisla gesprochen, dem Leiter des Brecht-Archivs.
Wir kennen Brecht natürlich vor allem als Theaterautot, als Dramatiker, als den Erfinder des Epischen Theaters. Was wollte er mit seinen Filmen?
Dokumente großartiger Theaterkunst
"Ja, ich glaub´ nichts anderes. Er wollte seine Idee von Kunst, seine Idee von Theater, Theater soll die Welt verändern, Theater soll Spaß machen, wollte er an viele bringen. Und da war ihm klar, dass im Kino mehr erreicht werden kann als im Theater", sagt Erdmut Wizisla.
Er habe nicht zwischen U- und E-Kultur unterschieden, "er wollte ins Kino". Zur ästhetischen Qualität der Filmdokumente sagt der Brecht-Archivar: "Es geht nicht um Filmkunst bei den Dokumentationen, sondern es geht um das Festhalten der Inszenierungsidee und das zum Teil in Einzelbildern. Das ist nicht groß kulinarisches Kino, aber es ist unglaublich als Dokument. Und die Bilder entfalten auf einer Kinoleinwand eine unglaubliche Faszination."
Auf die Frage, in welchem Zustand das Material war und wie lange es gedauert hat, alles zu digitalisieren, antwortet Wizisla: "Das hat zwei Jahre gedauert. Das Material war in einem besseren Zustand als anfangs befürchtet. Es ist alles auf Zelluloid, was man kaum noch macht. Es ist ein Luxus gewesen. Es ist auf haltbares Filmmaterial kopiert worden und digitalisiert. So, dass wir das jetzt wirklich in einer so guten Form haben, dass man für die nächsten Generationen nichts mehr machen muss."
Sinn des Projektes ist der Erhalt des Kulturerbes aus der Frühzeit des Berliner Ensembles und dessen Präsentation. "Man sieht auf diesen Aufnahmen, was für eine großartige Theaterkunst das war, wie lebendig, wie witzig, wie klug."