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DIHK zu Ankündigung von Trump
"Das US-Sanktionsrecht kann Unternehmen empfindlich treffen"

Volker Treier von der Deutschen Industrie und Handelskammer (DIHK) rät deutschen Unternehmen von Geschäften mit Iran ab - aufgrund der angekündigten US-Sanktionen. Dazu sei die Lage zu unsicher. Es komme jetzt darauf an, wie die Politik auf die Sanktionen reagiere, sagte er im Dlf.

Volker Treier im Gespräch mit Philipp May | 09.05.2018
    Der stellvertretende DIHK- Hauptgeschäftsführer Volker Treier.
    Der stellvertretende DIHK- Hauptgeschäftsführer Volker Treier. (pa/dpa/Jensen)
    Philipp May: Deutschland und die EU wollen am Abkommen festhalten. Das heißt auch weiter Handel mit dem Iran. Doch zieht die deutsche Wirtschaft da mit, angesichts der Sanktionsdrohung aus Washington? – Am Telefon ist jetzt Volker Treier, Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie und Handelskammer. Schönen guten Tag.
    Volker Treier: Guten Tag.
    May: Herr Treier, der neue US-Botschafter – Sie haben es gehört -, Richard Grenell, rät der deutschen Wirtschaft, sofort die Geschäfte mit dem Iran runterzufahren. Nehmen Sie den Rat an?
    Treier: Wir nehmen den Rat ernst. Ob wir ihn annehmen, das ist auch eine Frage, wie die Politik reagiert und jetzt den Rahmen weiterhin setzt. Wir unterliegen ja zum Glück dem Rechtsrahmen Deutschlands und damit auch der Europäischen Union und dem Vorgehen, und hier müssen wir sicherlich auch noch nachjustieren, damit wir nicht durch neu erhobene, wieder eingeführte und sogar verschärfte, was auch immer das dann heißt, Sanktionen der USA ins Visier kommen, dass Strafen womöglich lauern, die nichts mit unserem Rechtsrahmen zu tun haben. Hier, glaube ich, braucht die deutsche Wirtschaft auch von der Politik ein konzertiertes Vorgehen. Das ist jetzt auch ermutigend, wie sich deutsche und andere europäische Politiker jetzt geäußert haben. Aber wir müssen vielleicht auch darüber nachdenken, wie wir andere Formen des Schutzes der Geschäfte, die ja angebahnt wurden, weil es die Aufhebung der Sanktionen gab, wie wir diesen Schutz hinkriegen.
    "Gegen die Regeln der Welthandelsorganisation"
    May: Wie sollte denn dieser Schutz aussehen? Welches Vorgehen erwarten Sie?
    Treier: Wir bewegen uns jetzt in einem fast neuen Feld. Oder man kann auch sagen: Ich meine, das Bedauerlichste an dem Vorgehen jetzt, oder ein Bedauerliches aus der wirtschaftlichen Sicht ist, die Amerikaner halten sich nicht mehr an internationale Verabredungen. Das sehen wir bei der Einführung von Strafzöllen auf Stahl und Aluminium, mit der Begründung, dass zum Beispiel Stahl aus deutscher Produktion die nationalen Interessen der USA bedrohen würde, was absolut gegen die Regeln der Welthandelsorganisation ist. Wir sehen das bei den verschärften Sanktionen der USA gegen Russland, die gar nicht die US-Unternehmen betreffen – die haben kaum Engagement in und mit Russland -, aber die vor allem europäische Unternehmen treffen, und wir sehen es jetzt als dritten Meilenstein - und man kann da wirklich schon von einem Strukturbruch reden …
    May: Wobei man fairerweise bei den Sanktionen gegen Russland sagen muss: Die sind jetzt nicht, mal salopp formuliert, auf dem Mist von Donald Trump gewachsen, sondern vor allen Dingen natürlich auf Druck des Kongresses.
    Treier: Ja. Die inneramerikanischen Beweggründe sind das eine. Wir müssen ja das Resultat sehen und das befürchtete Resultat ist, dass diese, im April jetzt verschärften Sanktionen auf bestimmte Personen Russlands abzielen, die großen Unternehmen vorstehen, und mit den Unternehmen werden dann andere Unternehmen, zum Beispiel deutsche, unter Strafandrohung gestellt, wenn sie mit den Unternehmen Handel treiben oder von denen Aluminium abnehmen.
    "Es haben sich viele Geschäftskontakte entwickelt mit dem Iran"
    May: Im Umkehrschluss: Die USA sind kein verlässlicher Handelspartner mehr für die deutsche Wirtschaft?
    Treier: Das ist jetzt etwas, es ist eine Entwicklung, die hoffentlich nicht dazu führt, dass wir das sagen können. Im Moment besorgt uns aber das am stärksten, dass die USA diese Verabredungen nicht mehr machen und dass sie ihre eigenen Sanktionen auch dazu verwenden – das ist womöglich nicht ihre Absicht -, dass andere Länder, die diese Sanktionen nicht erheben gegen ein anderes Land, stärker betroffen sind als die Amerikaner selbst. Das beunruhigt uns, weil wir ja einen eigenen Rechtsrahmen haben und im Iran jetzt die Sanktionen abgesenkt haben und zurecht deshalb viele Geschäftskontakte sich jetzt entwickelt haben. Es gibt manche Länder, weil Sie nach den Instrumenten fragen: Was schon immer schwierig war, auch die letzten drei Jahre, war die Finanzierung von größeren Geschäften. So gibt es europäische Länder, die dann gesagt haben, wenn wir schon keine internationale Geschäftsbank haben, die Finanzierungen machen, dann haben wir eine staatseigene Bank, die auch Kredite finanziert mit dem Iran, Kredite für Geschäfte, die erlaubt sind, weil sie nicht mehr unter das Sanktionsregime fallen.
    "Den Amerikanern zeigen, dass wir ähnlich agieren könnten"
    May: Das wäre eine Garantie, die Sie jetzt fordern von der EU beziehungsweise von der Bundesrepublik?
    Treier: Für uns ist das auch alles neu seit gestern Abend. Wissen Sie, wir sollten darüber nachdenken, und natürlich ist ein gewisser Zeitdruck da, um das Nachdenken dann auch in Handlungen zu bringen. Das ist noch keine Forderung; das ist aber etwas, worüber wir jetzt sprechen sollten.
    Was anderes ist: Es gab mal eine sogenannte Blocking-Verordnung der Europäischen Union, dass nämlich Unternehmen gezwungen werden, sich ausschließlich nach unseren Exportkontrollgesetzen und Sanktionen gegenüber dritten Ländern zu verhalten. Diese Verordnung, über die könnte man auch sprechen und überlegen, ob man den Amerikanern nicht zeigt, dass wir ähnlich agieren könnten, wie sie es jetzt tun, nämlich dass wir Sanktionen erheben und die dann unter Umständen anders sind als die Sanktionen, die die Amerikaner erheben, und dementsprechend auch US-amerikanische Unternehmen, die mit uns in Verbindung stehen, Strafen zahlen müssen. Ich weiß nicht.
    "Wir wollen keinen Handelskrieg"
    May: Wenn ich Sie richtig verstehe, sollte Deutschland auf jeden Fall die Konfrontation mit den USA suchen, und im Zweifel endet das Ganze in einem Handelskrieg?
    Treier: Wir wollen keinen Handelskrieg. Die deutsche Wirtschaft ist international so aufgestellt, dass sie es sich am allerwenigsten leisten kann, einen Handelskrieg zu führen oder Opfer eines Handelskrieges zu werden. Wir brauchen Gespräche. Wir brauchen aber gleichzeitig auch immer wieder anscheinend mit dem Gesprächspartner der neuen US-Administration, der neuen US-Regierung, dass wir auch etwas haben, was den Amerikanern schaden könnte. Wir wollen das überhaupt nicht erheben. Die Amerikaner sind unser wichtigster außereuropäischer Handelspartner und auch Investitionsstandort für die deutsche Wirtschaft. Das will gar keiner. Aber es hat den Anschein, als müssen wir auf Basis der Welthandelsorganisation Gegenmaßnahmen zumindest mal verdeutlichen, ins Schaufenster stellen und dann hoffen und gleichzeitig verhandeln und mit den Amerikanern sprechen, dass sie in der Zukunft nicht einseitig Dinge machen, die uns sehr schaden und wir sie gar nicht mittragen. Und gestern sagt der US-Präsident noch, das wäre alles mit den Alliierten in Vereinbarung oder in Abstimmung. Wir hören heute, dass das nicht der Fall ist.
    "Wir brauchen die Unterstützung der Politik"
    May: Würden Sie derzeit deutschen Firmen zu Geschäften mit dem Iran raten?
    Treier: Nein! Das kann man in der jetzigen Situation nicht tun. Dazu ist die Situation viel zu unsicher. Sie ist auch viel zu frisch. Da brauchen wir Klarheit.
    Das andere ist aber, dass Geschäfte ja schon abgeschlossen sind, dass Verpflichtungen aus den Geschäften resultieren, dass Lieferungen geleistet werden müssen, dass von der Seite auch eine Verantwortung bei den Unternehmen besteht, ihre Verträge zum Beispiel mit iranischen Geschäftskunden zu erfüllen. Auch das beim US-Sanktionsrecht steht jetzt unter Vorbehalt, weil hier gibt es nicht diesen Altbestandsschutz. Insofern: Im Moment würde ich erst mal empfehlen, ruhig weitermachen bei dem, was man begonnen hat, und auch hier brauchen wir die Unterstützung der Politik, dass zumindest dieser Altbestandsschutz gewahrt wird.
    "Das US-Sanktionsrecht kann Unternehmen ganz empfindlich treffen"
    May: Eines dieser großen Geschäfte ist ja ein Flugzeug-Deal. Die beiden Flugzeugbauer Airbus und Boeing, die teilen sich ja einen 38 Milliarden schweren Auftrag zur Lieferung von Passagiermaschinen in den Iran. Jetzt habe ich gelesen, dass der US-Finanzminister Steven Mnuchin beiden Firmen schon die Lizenz für diesen Auftrag entziehen will. Bei Boeing denke ich noch, okay, das ist deren Sache, das ist ja ein US-Konzern. Aber warum kann ein US-Minister einem europäischen Luftfahrtkonzern wie Airbus eine Lizenz zum Verkauf von Flugzeugen an den Iran entziehen?
    Treier: Das ist dieses sperrige Wort der Exterritorialität der US-Sanktionen, weil Airbus Beziehungen hat mit den USA – völlig zurecht, das ist eine gute Sache – und dementsprechend sind sie verwundbar, ist Airbus verwundbar, wie viele andere Unternehmen auch, bis runter in den Mittelstand hinein. Wenn sie mit den USA Beziehungen haben, dann kann sie das US-Sanktionsrecht ganz empfindlich treffen, mit hohen Strafen. Finanzinstitute können da ein ganz übles Lied davon singen.
    May: … sagt Volker Treier, Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie und Handelskammer. Herr Treier, vielen Dank für das Gespräch.
    Treier: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.