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Dimethylsulfid - in Trüffeln und Wolken

Das Molekül dieser Woche heißt Dimethylsulfid. Eine weitgehend unbekannt gebliebene Verbindung. Dabei begegnet sie uns an vielen Stellen und hinterlässt dabei ihre ganz besondere Duftmarke, könnte man sagen. Das schwefelhaltige Molekül ist nämlich ein Naturstoff, der unsere Sinne reizt, oder genauer: unsere Nase, in der Natur wie auch beim Essen.

Von Volker Mrasek | 25.05.2011
    "Meine scharfe Messer ist mein größte Liebe."

    Klar, dass Jean-Marie Dumaine das sagt. Der Franzose ist leidenschaftlicher Koch und Chef eines Feinschmecker-Restaurants in Sinzig an der Ahr. Jetzt greift er aber erst einmal zu einem Küchenhobel. Dumaine bereitet ein Gericht mit kostbaren Muskat-Trüffeln vor.

    "Oh, hier hab' ich gut 500 Gramm. Das ist schon ein Vermögen wert. Aber damit komm' ich schon eine gute Zeit aus. Ich gebe ungefähr fünf Gramm in eine Portion."

    Fünf Gramm Trüffeln in fein gehobelten Scheiben.

    "Die Geschmacksmoleküle öffnen sich viel besser, als wenn wir die in dicke Stücke schneiden."

    Es sind insbesondere Schwefelverbindungen, die unseren Gaumen kitzeln, wenn wir die Edelpilze genießen. Die Wichtigste von ihnen ist Dimethylsulfid.

    "Weil es sehr konzentriert im Aroma vorkommt","

    sagt der Heidelberger Naturstoffchemiker und Universitätsprofessor Bernhard Tauscher.
    "
    "Trüffel bietet mehr wie ein Pilz."

    "Dimethylsulfid ist ein ganz einfaches Molekül."

    "Die können schön nach Nüssen schmecken, nach Käse gar!"

    "Das ist das kleinste Molekül einer Serie solcher Schwefelverbindungen."

    "Manchmal leicht nach Knoblauch."

    "Dimethylsulfid hat ein Schwefelatom."

    "Sogar nach Bärlauch."

    "Das Dimethyldisulfid hat zwei Schwefelatome."

    "Nach Malven."

    "Und das Dimethyltrisulfid hat drei Schwefelatome. Und je mehr Schwefelatome in einem Molekül drin sind dieser Art, umso hässlicher stinkt es."

    Da kann man ja von Glück sagen, dass Trüffeln das schwefelärmste Molekül von allen als Haupt-Aromakomponente abbekommen haben. Und das seine Wirkung noch durch andere Faktoren modelliert wird.

    Dumaine: "In Trüffeln spielt die Jahreszeit, der Boden, das Klima, welche Sorte das ist - alles spielt eine Rolle."

    Das kaum bekannte Dimethylsulfid steckt aber nicht nur in kulinarischen Aromen wie denen von Trüffeln oder auch von Spargelspitzen, sagt Tauscher:

    "Sie kommen an die Küste, es riecht nach Meer. Was ist das? In der Hauptsache Dimethylsulfid."

    Ein chemisches ähnliches Molekül wird nämlich von Meeresalgen produziert.

    "Wenn diese nun absterben, kommen Mikroorganismen und zersetzen dieses Vorläufermolekül zu Dimethylsulfid."

    So entsteht nicht nur der typische Meeresgeruch. Das Sulfid reagiert weiter mit dem Luftsauerstoff und wird zu Sulfat oxidiert. Daran lagert sich Wasser an, es entstehen Schwefelsäure-Tröpfchen in der Atmosphäre.

    "Und dann haben wir etwas, das ist ein Aerosol. Und diese Aerosole sind verantwortlich für die Wolkenbildung über den Ozeanen."

    Ein vielseitiges Molekül also, dieses Dimethylsulfid. Aroma-Komponente, Wetter-Regulator, schließlich auch noch Sexuallockstoff. Als solcher steckt es im Vaginalsekret von Hamsterweibchen. Damit bezirzen sie ihre männlichen Artgenossen.

    Dimethylsulfid hätte es auf jeden Fall verdient, bekannter zu sein, findet Naturstoffchemiker Tauscher:

    "Also, das ist schon ein sehr wichtiges Molekül im Aromenbereich, aber auch in unserer Umwelt."

    Dumaine: "Meine scharfe Messer ist mein größte Liebe. Nach meiner Frau, muss ich sagen."

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    Deutschlandfunk-Reihe zum UN-Jahr der Chemie 2011