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Dinner-Hopping in Göttingen
Wenn der Autonome mit dem Burschenschaftler kocht

In Göttingen haben sich über 1.000 Studierende zum Dinner-Hopping getroffen. Schnibbelten sie für die Vorspeise mit einem Partner noch in der eigenen Küche, ging es anschließend für Hauptspeise und Dessert in fremde Wohnungen. Bei dem Event kommt es immer wieder zu ungewöhnlichen Begegnungen.

Von Julian Theilen | 25.10.2017
    Zwei Studenten kochen zusammen in einer WG-Küche
    "Gutes Essen und gute Leute": Für viele Erstsemester eine Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen - das Dinner-Hopping in Göttingen (Ute Grabowsky / imago)
    Hereinspaziert zum ersten von insgesamt drei Gängen beim Dinner-Hopping in Göttingen. Unter den zwei Gastgeberinnen und vier Gästen ein kurzes Abtasten, Smalltalk zu Studiengang und Semester und schon kann es losgehen am hergerichteten Tisch. Heute auf dem Speiseplan: Kürbissuppe. Genau das richtige also an kalten Oktobertagen.
    Insgesamt 1.200 Studierende haben sich in diesem Semester beim Dinnerhopping angemeldet, so viel wie noch nie. Gekocht wird mit einem Partner - entweder Vorspeise, Hauptgang oder Dessert müssen die Teilnehmer zubereiten.
    Nach jedem Gang geht es dann mit dem Fahrrad weiter in die nächste Wohnung, wo wieder neue Studierende warten. Bis zu 12 andere Teilnehmer lernt also jeder während seiner kulinarischen Reise kennen. Für den Veranstalter Jan Schlüter ist genau das besonders ideal für Studienanfänger.
    "Gerade für Erstsemester hochinteressant"
    "Eigentlich sollte es auch eine Pflichtveranstaltung für Erstsemester sein, nur wir hätten dann natürlich das Problem, dass wir zu viele Erstsemester hätten", sagt Jan Schlüter und lacht. "Für Erstsemester ist es natürlich ganz toll, weil die dann auch mal Tipps kriegen, so 'Ah bei der Uni kann ich auch Skikurse machen', sagen dann die älteren Studenten, oder man kriegt auch noch mal mal mit, wie man sich irgendwo anmeldet, man kriegt einen Ratschlag, wo man günstige Wohnungen bekommt, deswegen: Gerade für Erstsemester ist es hochinteressant."
    Dazu zählen natürlich auch Master-Ersties wie Markus Kissing, der erst vor einem Monat nach Göttingen gekommen ist.
    "Also, ich hab das schon mal in Freiburg gemacht, und ich mach das, um neue Leute kennenzulernen und gutes Essen zu kriegen, klar. Gutes Essen und gute Leute."
    "Einfach super-cool"
    Aber nicht nur bei frisch Zugezogenen ist das Dinner-Hopping beliebt. Auch viele höhere Semester wie die die Lehramtsstudentin Jennifer Laas machen mit. Für sie zählt aber nicht nur gutes Essen oder nette Kommilitonen, sondern auch die Location.
    "Ich find zum Beispiel super-cool zu sehen, wie die Leute so wohnen, zum Beispiel hier haben wir gerade eine Dusche in der Küche, was ich höchst spektakulär finde, und ich freue mich auch, wenn ich mal Leute bei mir habe, und die in meiner Wohnung sind. Einfach super-cool."
    In der Küche von Wiebke Lilje geht es indes hektisch zu, die neuen Gäste stehen gleich vor der Tür. Geschnibbelt haben sie und ihre Partnerin Anna einiges an Gemüse für das Pizza-Raclette, das sie gleich anbieten werden. Am Tisch plauschen sie dann über Politik, Zukunftsträumereien und den grimmigen Physikprofessor. Eine entspannte Atmosphäre, die sogar eigentlich verfeindete Lager an einen runden Tisch bringen kann, erzählt Veranstalter Jan Schlüter. Bei einem Hauptgang in einer studentischen Verbindung hat er es selbst erlebt.
    Ein lustiger "Clash of Cultures"
    "Und dann", erzählt er laut lachend, "macht da einer auf, mit so langen Dreadlocks, ich denke hm, naja, Verbindung hier, komisch. Dann war das eben einer aus der Verbindung und einer, sagen wir mal, aus dem linksautonomen Spektrum hier in Göttingen, und die haben dann zusammen gekocht und das war witzig, die haben sich dann die ganze Zeit gegenseitig so ein bisschen verarscht, aber in einer netten Art und Weise. Sie mussten dann natürlich zusammen kochen, haben die auch gemacht, und am Ende des Abends haben wir die dann zusammen auf der Party gesehen, die hingen dann da Arm in Arm und haben ein Bier nach dem anderen getrunken."
    Genau dahin, zur After-Party, gehen die meisten Dinner-Hopper nach Dessert und dem ein oder anderen Absacker. Beim lockeren Tanz sehen sie dann ihre alten Tischnachbarn wieder, klönen weiter und sprechen vielleicht auch schon über das ein oder andere alkoholische Rezept: Im November treffen sich die Göttinger Studierende nämlich wieder - zum Cocktail-Hopping.