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Aufbruch von Stereotypen
Schwarze Musiker in den Country-Charts

Weiße Männer mit Stetson und Gitarre, die von Pick-up-Trucks, Partys und der einzig wahren Liebe singen - Countrymusik hat weiße Protagonisten und Fans, dabei gehen die Ursprünge auf afroamerikanische Musik zurück. Seit November letzten Jahres mischen zwei afroamerikanische Sänger die Country-Charts auf.

Von Anke Behlert | 06.01.2019
    Ein Mann in einer lila Jacke steht vor einer Wand und lächelt in die Kamera.
    Kane Brown bei der Verleihung des American Music Award (picture alliance / dpa)
    Musik: Jimmie Allen - "Best Shot"
    Wer sich ein bisschen mit der Geschichte des Genres auskennt, weiß, dass Country niemals so blütenweiß gewesen ist, wie es oberflächlich lange den Anschein hatte. Seine Wurzeln hat Country in Folk und Blues, bekannte Country-Sänger wie Hank Williams und Bill Monroe haben ihr Handwerk bei Bluesmusikern gelernt. Der afroamerikanische Gitarrist Lesley Riddle hatte großen Einfluss auf die Musik der Carter Family und hat damit das Genre entscheidend mitgeprägt. Riddle zog mit A.P. Carter durchs Land, um Songs zu sammeln und aufzunehmen.
    Musik: Carter Family - "I know what it means to be lonesome"
    Musik nach Ethnien sortiert
    Das kulturelle Erbe vormaliger Sklaven ist also immer schon da gewesen im Country. Der Industrie ist es zu verdanken, dass im segregierten Amerika auch Musik nach Ethnien sortiert vermarktet wurde: sogenannte Race-Music und Blues auf der einen, Country auf der anderen Seite. Musiker wie Ray Charles, Tina Turner oder die Pointer Sisters haben zwar in den 60er und 70er Jahren Country-Platten veröffentlicht. Dennoch reagierten viele Leute empört, als im März 1979 James Brown im legendären Grand Ole Opry House in Nashville auftrat. Auf Einladung von Country-Legende Porter Wagoner spielte er ein Medley aus verschiedenen Hits und schloss mit seinem eigenen Song "I feel good" ab. Für einige vermeintliche Traditionshüter ein Affront.
    Musik: James Brown - "I feel good"
    Und als Jimmie Allen 2007 von der Ostküste nach Nashville umzog, um im Musikbusiness Fuß zu fassen, musste auch er einige dicke Bretter bohren. Er fand lange kein Label, schlief in seinem Auto und jobbte als Kellner und Hausmeister. Nach dem Erfolg seiner ersten Single dürfte das zukünftig nicht mehr nötig sein.
    Musik: Jimmie Allen - "All tractors ain't green"
    Kritik an Polizeigewalt
    Im Song "All tractors ain't green" auf seinem Debütalbum "Mercury Lane" thematisiert Allen vorsichtig seine Hautfarbe: "Kind of like the cover in a book/ I might sound a little different than I look". Sein Kollege Kane Brown ist weniger zurückhaltend: in "American Bad Dream" kritisiert er ausdrücklich Polizeigewalt - und das in einem Country-Rock-Song.
    Musik: Kane Brown - American Bad Dream
    Browns Album "Experiment" landete auf Platz eins der Country- und der Popcharts, er hat über eine Million Fans auf Facebook und auch sonst scheint ihm dieser Tabubruch nicht geschadet zu haben. Überhaupt fallen die Reaktionen auf die Musik von Jimmie Allen, Kane Brown oder auch der Sängerin Mickey Guyton durch die Bank positiv aus. Allens erster Auftritt in der Grand Ole Opry im Mai 2018 wurde mit stürmischem Applaus gefeiert. In Kommentaren auf YouTube heißt es sinngemäß: endlich etwas mehr Diversität im Country! 40 Jahre nach dem Opry-Auftritt von James Brown ist es dafür auch allerhöchste Zeit.