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Diversität in Redaktionen
Das "Wann kommt die erste Ostdeutsche"-Bingo

Zwei Jahre nach "Wann kommt der erste Frauenname?"-Bingo stellt unser Kolumnist Matthias Dell einen Nachfolger seiner Spielidee vor. Auch dieses Mal gestaltet sich die Suche nach Vielfalt den Führungsetagen deutscher Medienunternehmen als nicht so einfach.

Von Matthias Dell | 04.09.2019
Die Impressen von Süddeutscher Zeitung, Frankfurter Allgemeiner Zeitung und Spiegel.
Die Impressen von Süddeutscher Zeitung, Frankfurter Allgemeiner Zeitung und Spiegel. (Deutschlandfunk / Michael Borgers)
Vor zwei Jahren habe ich an dieser Stelle ein Spiel empfohlen, das gleich drei Dinge auf einmal verspricht. Es taugt zum Zeitvertreib mit Kindern, es bringt den lieben Kleinen das alte Medium gedruckte Zeitung näher sowie die auf den ersten Blick etwas unnahbar wirkenden Großbegriffe unserer Gegenwart wie: Gleichstellung, Diversität, Repräsentation.
Das Spiel kreist um die brennend heiße Frage: "Welche Gesellschaft soll das eigentlich abbilden?". Und es heißt: "Wann kommt der erste Frauenname?"-Bingo.
Das Spiel geht so: Man nimmt sich eine x-beliebige Zeitung und schlägt die Seite mit dem Impressum auf. Dann liest Kind 1 die dort abgebildete Hierarchie vor und Kind 2 ruft "Bingo", sobald der erste Frauenname auftaucht.
Vier Namen, zwei Männer – ziemlich gut
Das hat vor zwei Jahren mitunter gedauert. Mittlerweile geht es schneller, wie ein zufälliger Blick in das Impressum der Süddeutschen Zeitung zeigt.
Kind 1: "Kurt Kister, Wolfgang Krach, Julia Bönisch."
Kind 2: "Bingo."
Nun wissen alten Hase: Gleichstellung ist noch nicht hergestellt, wenn eine Frau in einer vormaligen Männerdomäne es geschafft hat. Weshalb man hier problemlos zum nächsten Level springen kann: "Wann kommt der zweite Frauenname?"-Bingo.
Kind 1: "Kurt Kister, Wolfang Krach, Julia Bönisch, Iris Mayer."
Kind 2: "Bingo."
Vier Namen, zwei Männer, zwei Frauen, das entspricht der Geschlechterverteilung in der Gesamtgesellschaft ziemlich gut.
Mehr als 17 Namen , eine Ostdeutsche…
Wem es deshalb zu langweilig wird oder auch zu laut, weil Kind 2 dauernd Bingo ruft, dem sei die Jubiläums-Edition dieses Spiels ans Herz gelegt. Die ist für lange Herbstnachmittage im 30. Jahr nach dem Fall der Mauer unbedingt zu empfehlen. Sie heißt: "Wann kommt die erste Ostdeutsche?"-Bingo.
Wo wir die Süddeutsche Zeitung gerade aufgeschlagen haben, fangen wir doch noch mal im Impressum oben an.
Kind 1: "Kurt Kister, Wolfang Krach, Julia Bönisch, Iris Mayer."
Kind 2: "Bingo."
Das ging so fix, dass auch hier zum nächsten Level wechseln können: "Wann kommt der zweite Ostdeutsche?"-Bingo.
Kind 1: "Ulrich Schäfter, Stefan Kornelius, Ferdos Forudastan, Detlef Esslinger, Alexander Gorkow, Karin Steinberger, Bastian Obermayer, Nicolas Richter, Andrian Kreye, Sonja Zekri, Dr. Marc Beise, Klaus Hoeltzenbein, Dr. Patrick Illinger..."
Kind 2: "Mir ist langweilig, ich will nochmal 'Bingo' rufen."

Es kann auch zäh werden

Na, ja, vielleicht tut etwas Abwechslung gut. Greifen wir also zum "Spiegel", diesem Hamburger Flaggschiff, dem Sturmgeschütz der Demokratie, die seit 1990 ja auch östlich der Elbe verteidigt werden muss.
Kind 1: "Steffen Klusmann, Dr. Barbara Hans, Clemens Höges, Jörn Sucher, Armin Mahler, Juliane von Mittelstaedt, Stefan Weigel, Susanne Amann, Ullrich Fichtner, Dirk Kurbjuweit, Dr. Melanie Amann, Martin Knobbe, Wolf Wiedemann-Schmidt, Christian Reiermann, Sebastian Hammelehle, Tobias Rapp, Özlem Gezer, Hauke Goos, Udo Ludwig, Matthias Geyer, Markus Brauck, Isabell Hülsen..."
Kind 2: "Nie kann ich Bingo sagen, ich spiel nicht mehr mit!"
Sie sehen: Grundsätzlich zwar ein Spaß für die ganze Familie, aber es kann auch zäh werden.
Wenn wir in diesem Tempo weitermachen mit FAZ und ARD, Zeit und ZDF oder dem Deutschlandradio und dabei auch noch die Versionen: "Wann kommt die erste Afrodeutsche?"-Bingo oder "Wann kommt der erste Türkeistämmige?"-Bingo spielen – dann sind wir vielleicht erst in einem Jahr durch.