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Dlf-Sportgespräch
"Athleten Deutschland" gegründet

Bei der Athletenvollversammlung 2017 in Köln stimmten Sportlerinnen und Sportler einstimmig für die Gründung eines vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) unabhängigen Vereins, um ihre Interessen besser- und auf Augenhöhe mit dem Dachverband vertreten zu können. Der Name: "Athleten Deutschland".

Von Andrea Schültke | 15.10.2017
    Synchronschwimmerin Amelie Ebert, Rollstuhlsprinter Marc Schuh, Kanutin Silke Kassner und Radrennfahrerin Mieke Kröger vor einem Fenster im Gruppenfoto.
    Synchronschwimmerin Amelie Ebert, Rollstuhlsprinter Marc Schuh, Kanutin Silke Kassner und Radrennfahrerin Mieke Kröger im Dlf-Sportgespräch. (Andrea Schültke)
    Am Rande der Versammlung sprach die Dlf-Sportredaktion mit Athletinnen und Athleten verschiedener Sportarten über die neue Interessensvertretung, die Leistungssportreform und die Probleme in ihren jeweiligen Disziplinen.
    Den Anfang machte eine Gruppe um Silke Kassner, Kanutin und stellvertretende Vorsitzende der DOSB-Athletenkommission. Ein Jahr hatte sie mit anderen auf die Gründung des Vereins "Athleten Deutschland" hingearbeitet. Sie habe Zuversicht gewonnen, "dass wir in Zukunft eine gute Arbeit machen können. Da fehlt natürlich sehr, sehr viel. Wir werden jetzt an einer Finanzierung für den Verein arbeiten, aber wir haben heute sicherlich einen ganz, ganz wichtigen Grundstein dafür gelegt." Es sei fantastisch, wie viele Athleten gekommen seien und welch konstruktive Gespräche man geführt habe."
    Radrennfahrerin Mieke Kröger ergänzte: "Es war ein unglaublich spannendes Wochenende. Emotionsgeladen. Ich glaube, wir haben einen sehr guten Beschluss gefasst, um gerade auch in den Umbruchzeiten der Leistungssportreform eine starke Stimme zu haben und uns professionell aufzustellen."
    Im Leben der Athleten gebe es viele Fragestellungen, so Kassner. Deshalb sei es wichtig, dass Athleten sich einbrächten um darzustellen, wie der Athletenalltag ablaufe. "Wir wollen auch einen Bratungsbereich schaffen mit dem Verein, wo die Athleten einfach mal Dinge auch erklärt bekommen. Oder wenn sie zum Beispiel in ein Schiedsverfahren kommen, wie läuft das praktisch ab? Das ist für einen Athleten ein völlig unbekanntes Terrain."
    Zukunft besser gestalten
    Neu gewählt in die Athletenkommission des DOSB wurde Synchronschwimmerin Amelie Ebert. Ihre Motivation sei hoch, sagte sie, weil man auf dieser Ebene mehr erreichen könne. "Alle Synchronschmimmer kämpfen seit Jahren dagegen, dass uns die Förderung komplett gestrichen wird. Und seit zehn Jahren versuchen wir auch zu beteuern, was das für ein trainingsintensiver Sport ist. Aktuell sieht es nicht gut aus. Deshalb habe ich im vergangenen Jahr versucht, meine Arbeit zu intensivieren." Sie versuche, die Situation zu verbessern.
    Nach der Leistungssportreform ist Synchronschwimmen nicht mehr förderungswürdig. "An der Entscheidung jetzt wird man wahrscheinlich nichts ändern können, aber gerade zu gucken, wie sieht die Zukunft des Synchronschwimmen aus: Kann man da was tun, um das in Zukunft auch wieder zu verändern."
    Die Athletenkommission habe ihr immer zur Seite gestanden, obwohl die Mitarbeiter ehrenamtlich beschäftigt sind. Von einer Porfessionalisierung dieser Strukturen verspricht sich auch Rollstuhlsprinter Marc Schuh einiges. Gleichzeitig ist er Aktiven-Sprecher im Deutschen Behindertensportverband (DBS).
    "Die Struktur, die jetzt mit diesem Verein geschaffen wird als Informationsquelle – woher kommt beispielsweise das Geld, das der DOSB bekommt, aber auch am Ende der DBS – das sind sehr ähnliche, wenn nicht sogar identische Kanäle." Es sei in der Satzung verankert, dass auch die Paralympischen Aktiven-Vertreter gleichzeitig automatisch Mitglied in diesem Verein sein sollten. Profitieren könne der DBS von Wissen, dass hauptamtliche Mitarbeiter anhäufen könnten. Nach seiner Einschätzung dürfte sich der Leistungssport im paralympischen Bereich mittel- bis langfristig dem DOSB annähern.
    Die Haltung des Dachverbandes war mit Spannung erwartet worden. Im Vorfeld hatten der Präsident des DOSB, Alfons Hörmann, und sein Vorstandsvorsitzender Michael Vesper einen Brief an die Mitgliedverbände geschickt, der auch als Drohung interpretiert werden konnte. Davon war während der Athletenvollversammlung aber keine Rede mehr. Stattdessen sagte Radrennfahrerin Mieke Kröger:
    "Es muss ja nicht immer auf Konfrontation hinauslaufen. Es wäre ja wünschenswert, dass eine gemeinsame Entscheidungsfindung für alle Parteien möglich ist." Ein professionelleres Niveau für Athleten sei einfach nötig. "Ich meine, wir sehen alle die erschöpften Gesichter von Silke Kassner und Max Hartung, die da wirklich ihr Herzblut reingesteckt haben und für einen aktiven Athleten im Ehrenamt ist das einfach unglaublich schwer zu meistern. Ich denke, das ist der richtige Schritt."
    DOSB vermeidet Konfrontation
    Anwesend war auch Michael Vesper, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Olympischen Sportbundes. Er sagte: "Weder wir noch die Athleten sind auf Konfrontation aus. Das, was wir heute so diskutiert haben, kann so funktionieren. Man kann die Frage stellen, warum braucht man eine solche Parallelstruktur, aber das ist nicht unsere Entscheidung, sondern die Entscheidung der Athleten und jetzt schauen wir mal, wie dieser Verein mit Leben gefüllt wird."
    Zu der DOSB-Position fand Sascha Leutloff, Athletenvertreter des Deutschen Basketballbundes: "Ich hab's so empfunden, dass es Offenheit unserem Anliegen gegenüber gibt, dass der DOSB das nicht aktiv unterstützt aber sagt, wir sind dafür, dass ihr euch organisiert, aber es muss auch im Rahmen stattfinden, dass man gemeinsame Ziele verfolgt und dass man sich nicht in diesen Zielen behindert."
    Ein anderer Mannschaftssport-Vertreter, Max Günthör vom Deutschen Volleyballverband sieht Parallelen zur Entwicklung in den Vereinen: "Wir merken, der Sport wird professioneller und deshalb ist es der logische Schritt, dass sich auch die Athletenvertreter professionalisieren. Das haben wir mit dem Verein gemacht. Ich erhoffe mir für den Volleyballverband, dass wir ne Anlaufstelle haben, die uns beratend zur Seite stehen kann bei den wichtigen Entscheidungen, die wir in den Gremien haben."
    Im DOSB habe es schon satzungsbedingt keine weitere Möglichkeit gegeben, sich weiter zu professionalisieren, so Rollstuhltennisspielerin Sabine Ellerbrock. Unter anderem in der Diskussion um Doping in Russland habe man sehr deutlich gemerkt, wo man da an Grenzen komme. "Ich glaube, dass das Thema vielen an die Nieren gegangen ist weil wir sehr, sehr hart dafür arbeiten, faire Wettkämpfe zu haben und ich glaube, dass das nochmal den letzten Impuls gegeben hat. Wo es einfach ein Thema gab, wo klar war, es ist halt nicht so, dass wir uns als Athleten so positionieren können, dass wir eine Möglichkeit haben, dass unsere Stimme gehört wird." Sie erhoffe sich duch den Verein "Athleten Deutschland" unabhängig von einem Organ die Meinung äußern zu können.
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    Rollstuhltennisspielerin Sabine Ellerbrock: "Wir waren an eine Grenze gekommen". (Andrea Schülke)
    "Wir als paralympische Athleten sind nur ein ganz kleiner Baustein, aber haben mit den gleichen Ängsten zu kämpfen wie die nichtbehinderten Sportler. Was so Existenzängste anbelangt, ich glaube, da können wie Behindertensportler auch ein Lied von singen. Von daher freue ich mich, dass es da jetzt ein Organ gibt, wo ich in Zukunft sehe, dass es vorangeht."
    Auch in Sachen Leistungssportreform soll der Verein Ansprechpartner sein. Der Deutsche Ruderverband setzt die Leistungssportreform bereits um und konzentriert Athleten an bestimmten Stützpunkten - auch dann, wenn die Bedingungen am neuen Stützpunkt schlechter sind als an dem bisherigen. Florian Menningen, stellvertreter Athletensprecher des deutschen Ruderverbandes beschreibt die "Übergangslösungen":
    "Das ist für den einzelnen Sportler immer extrem ungünstig, weil die Sportkarriere gar nicht so lange andauert, dass der Athlet so eine Übergangsphase heil übersteht. Die Forderung innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre umziehen zu müssen, ist ganz schwer zu realisieren, wenn man an seinem Heimatstützpunkt schon eine Sturktur aufgebaut hat. Und das Ganze an einem neuen Stützpunkt genauso aufzubauen, ist extrem schwierig."
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    Die Ruder-Olympiasieger Carina Bär und Florian Menningen. (Andrea Schültke)
    Carina Bär, Olympiasiegerin von Rio im Doppelvierer und stellvertretende Athletensprecherin im deutschen Ruderverband, sagte zur ursprünglichen kritischen Äußerungen des DOSB vor der Vereinsgründung:
    "Eigentlich kann ich das nicht nachvollziehen. Dieser Verein in nicht dazu gedacht Gegenwind zu konstruieren. Es ist einfach um die Position stärken zu können und die Meinung ausreichend vertreten zu können. In sofern verstehe ich nicht was vom DOSB aus deren Sich dagegen spricht. Es ist eigentlich begrüßenswert mündige Athleten zu haben deshalb macht mich das auch son bißchen emotional, dass das so kleingehalten werden soll."
    Lieber was Vernünftiges machen
    Ähnlich problematisch ist die Lage bei Beachvolleyballerin Karla Borger: Der Sport sollte in Hamburg zentralisiert werden, Borger und ihre Partnerin Margareta Kozuch ihr gewohntes Umweld in Stuttgart samt Trainern verlassen. "Wir haben uns dagegen ausgesprochen, weil für uns die Rahmenbedingungen nicht gegeben waren. Das war relativ schwer dieses Jahr. Wir konnten einige Turniere nicht bestreiten. Andere Teams wurden bevorzugt nominiert, die in Hamburg trainieren."
    Auf die Frage, ob sie zwischendurch darüber nachgedacht habe, ihre Karriere zu beenden, antwortete Borger: "Definitiv. Weil ich auch im Training stand und mich selber fragen musste, was ist denn jetzt mein Ziel? Ich weiß, ich werde die nächsten vier Wochen nicht spielen. Das ist unangenehm gewesen."
    Als Borger von Schülern neulich gefragt wurde, ob sie dazu raten würde, Sport professionell zu betreiben, habe sie Schlucken müssen: "Zur Zeit kann ich das echt nicht wirklich empfehlen. Meinen eigenen Kindern würde ich zum jetzigen Zeitpunkt sagen, macht lieber was Vernünftiges."
    Zurück zu Silke Kassner von der DOSB-Athletenkommission. Sie betonte noch, wie viel internationale Aufmerksamkeit man für die Vereinsgründung bekommen habe: "Wir wussten nicht, dass das so eine Resonanz bekommt. Aber wir haben so viel Zuspruch bekommen von internationalen Institutionen, Anti-Doping-Agenturen, viele internationale Athleten, viele Athletenkommissionen in Europa und Übersee. Da wussten wir, das ist möglicherweise ein Präzedenzfall für andere Initiativen."
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.