Dienstag, 19. März 2024

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Dlf-Sportgespräch zu 125 Jahre IOC
Erfolgsgeschichte mit Reformbedarf

Die Olympischen Werte sind aktuell wie nie, doch das Interesse an den Spielen lasse gerade bei den Jugendlichen nach, sagte Ruder-Olympiasieger Wolfgang Maennig im Dlf. Das IOC müsse am Puls der Zeit bleiben. Das heißt auch, die Athleten finanziell zu beteiligen und die Jugend stärker anzusprechen.

Wolfgang Maennig und Christian Wacker im Gespräch mit Erik Eggers | 23.06.2019
Die Olympischen Ringe.
Alte Werte, so modern wie nie: "Im Kampf gegen Diskriminierung ist die olympische Familie viel weiter als alle anderen", sagte Ruder-Olympiasieger Wolfgang Maennig im Dlf (imago sportfotodienst)
Am 23. Juni 1894 gründete sich an der Sorbonne in Paris das Internationale Olympische Komitte. Aus einem kleinen Verein, der vorwiegend aus Adeligen bestand, entwickelte sich durch die enorme Zugkraft der Olympischen Spiele eine der mächtigsten und vermögendsten Sportorganisationen der Welt.
Pierre de Coubertin hatte sich intensiv mit Reformpädagogik befasst und wollte eigentlich erstmal die Sportpädagogik in französischen Schulen einführen, sagte Christian Wacker, Vizepräsident der Internationalen Gesellschaft der Olympiahistoriker, im Dlf. Eigentlich ging es darum, mit internationalen Mitstreitern über Amateursport zu diskutieren, dann kam man aber schnell auf das Thema Neuaufnahme der Olympischen Spiele - als reine Amateurspiele. Dazu wurde ein Komitee gegründet.
Fernsehrechte und Marketing spülten Geld in die Kasse
In den 80ern-Jahren erkannte das zu diesem Zeitpunkt fast bankrotte IOC, dass man mit Olympischen Spielen Geld verdienen kann. "Man hat festgestellt, dass man Fernsehrechte ganz anders vermarkten kann, Marketing betreiben kann, man hat Top-Sponsorenprogramme aufgelegt und die Einnahmen aus diesen beiden Hauptbereichen haben sich vermehrfacht. Los Angeles war einer der Wendepunkte in der Olympischen Disziplin", sagte Wolfgang Maennig, Professor für Wirtschaftswissenschaften in Hamburg und Ruder-Olympiasieger von 1988.
Der ehemalige Ruderer und heutige VWL-Professor Wolfgang Maennig in seinem Hamburger Büro.
Der ehemalige Ruderer und heutige VWL-Professor Wolfgang Maennig (dpa/picture alliance/Christian Charisius)
"Manchmal wird das IOC heute dafür kritisiert, dass es soviel Milliarden Dollar angespart hat. Aber das IOC hat ein Credo: Wir müssen soviel Geld haben, dass wir zur Not, falls es wieder mal so sein sollte, dass wir keinen Bewerber haben, diese Spiele allein organisieren können. Erst dadurch wird das IOC nicht erpressbar und unabhängig." Doch auch die Athleten müssten stärker finanziell profitieren.

Er selbst habe sich damals nicht für sportpolitische Themen interessiert, das sei erst später erwachsen. Man müsse sich sehr auf das Sportliche fokussieren – viele hätten damals auch parallel studiert, sodass man eine gewisse Engsichtigkeit entwickle. Das gelte auch für heutige Athleten.
Olympische Werte heute aktuell wie nie
Beim Korruptionsskandal um Salt Lake City wurde 1998 enthüllt, dass IOC-Funktionäre Geld für ihre Stimme genommen haben sollen. "Damals ging es nicht um die Millionen für die Ausrichtung der Spiele, sondern um Milliarden, die in die Städte flossen zur Stadtentwicklung", sagte Maennig. "Wo so viel Geld fließt, ist immer eine potenzielle Korruptionsgefahr." Danach habe es Konsequenzen gegeben: Zehn Mitglieder mussten gehen, es wurde demokratisiert, man begrenzte die Amtszeiten und führte Altersgrenzen ein. "Was das Thema Korruption betrifft, ist das IOC seitdem sehr deutlich vorangekommen."
Auch die olympischen Werte von früher seien aktuell wie nie. "Stärker, weiter, höher ist immer noch eine wichtige Komponente – aber immer unter fairen Bedingungen", sagte Maennig. "Dazu gehört Doping- und Korruptionsfreiheit und - da ist das IOC wirklich Vorbild - ohne jegliche Diskriminierung. Da ist die olympische Familie viel weiter als alle anderen."
Porträtfoto von Christian Wacker, Vizepräsident der Internationalen Gesellschaft der Olympiahistoriker
Christian Wacker, Vizepräsident der Internationalen Gesellschaft der Olympiahistoriker (Privat)
Wacker fand es "bemerkenswert, dass es einer kleinen Gruppe von Menschen vor 125 Jahren gelungen ist, diese Ideale bereits zu formulieren, in einer Zeit, in der Kolonialismus eine große Rolle spielte, in der Rassismus gesellschaftlich durchaus anerkannt war. Das zeigt letztlich auch, wie aktuell die Ideen des Pierre de Coubertin waren."
Jugendliche müssen einbezogen werden
Maennig sieht der Zukunft des IOC jedoch nicht so euphorisch entgegen: "Der Stellenwert Olympischer Spiele fällt. Heute definieren sich viele Jugendliche über die Zahl der Likes und Follower in den Sozialen Netzwerken. Es gibt den E-Sport, der bisher nicht in die Olympische Agenda passt, aber einen Großteil der Jugend absorbiert." Das IOC müsse sich Gedanken machen, wie es sein Programm so innoviert, dass es an dem Puls der Jugendlichen bleibt.

Die Sportaffinität bei Jugendlichen sei sehr hoch, sagte Wacker. "Aber die Bereitschaft, sich im Sportverein zu organisieren, ist geringer geworden." Da stecke ein zentrales Problem. Sport, der sich nicht organisieren lasse, sei Sport, an den Organisationen schlecht herankommen.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.