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Döring: Man wollte "die FDP ein Stück weit desavouieren"

Stil und Zeitpunkt der Aufkündigung der Jamaika-Koalition im Saarland empfinde man als bewusst gegen die Liberalen gerichtet, sagt FDP-Generalsekretär Patrick Döring. Die saarländische CDU-Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer sei mit dem Managing der Koalition heillos überfordert gewesen.

Patrick Döring im Gespräch mit Jürgen Liminski | 09.01.2012
    Jürgen Liminski: Mitten in die Rede des FDP-Parteivorsitzenden Philipp Rösler auf dem Dreikönigstreffen der Partei in Stuttgart knallte die Nachricht, dass die FDP aus der Jamaika-Koalition im Saarland rausgeschmissen worden und diese Koalition also geplatzt ist. War das Zufall? Ein paar Tage zuvor brachte der Deutschlandtrend die nüchterne Erkenntnis, dass die FDP sich im Keller des Umfragetiefs offenbar fest eingerichtet hat. Wie kann sie da rauskommen? Und ein paar Wochen zuvor war ihr auch noch der Generalsekretär abhanden gekommen. Hat der neue ein Programm? – Zu diesen und anderen Fragen begrüße ich jetzt den neuen Generalsekretär, Patrick Döring. Guten Morgen, Herr Döring.

    Patrick Döring: Schönen guten Morgen, Herr Liminski.

    Liminski: Herr Döring, wie fühlt man sich als General von zwei Prozent?

    Döring: Nun, die Lage für die FDP ist nicht leicht, aber ich denke, dass wir in Stuttgart mit der Kundgebung, mit der sehr strategischen, nach vorne gerichteten Rede von Philipp Rösler eine gute Grundlage haben, dass wir im Laufe des Jahres auch die Werte für die FDP verbessern können. Jetzt gilt es, hart und geschlossen und auch entschlossen für die liberale Haltung in 2012 zu arbeiten.

    Liminski: Das klingt mit Verlaub etwas nach Parolen. Die Partei braucht offensichtlich aber keine Parolen, sondern Themen, die sie besetzt, und als Generalsekretär ist das auch Ihr Job. Welche Themen sollen das sein?

    Döring: Wir haben uns fest vorgenommen, drei wesentliche Themen in diesem Jahr in den Mittelpunkt unserer Arbeit zu stellen. Das ist erstens das Thema Wachstum, qualitatives und quantitatives Wachstum in Deutschland, als Grundlage für Chancen für alle, für Wohlstand, aber auch als Grundlage dafür, dass wir dem Ziel, Deutschland mittelfristig unabhängig zu machen von Staatsverschuldung und gar unsere Staatsverschuldung abzubauen, so wie Philipp Rösler das skizziert hat, ein Stück weit näher kommen. Wir sind die einzige Partei, die Wachstum und Fortschritt eben nicht skeptisch sehen, sondern alles dafür tun, dass Deutschlands Wirtschaft weiter wächst, weil das das Beste ist für die Menschen im Land.
    Der zweite Punkt ist, dass wir alles dafür tun wollen, dass wir den Konsolidierungskurs schneller hinbekommen, um auf Staatsschulden zu verzichten. Das ist erst mal der Verzicht auf die Neuverschuldung, aber auch bei der Erarbeitung unseres Grundsatzprogrammes, das wir ja Ende April verabschieden wollen, werden wir dann auch uns auseinandersetzen mit der Vision eines schuldenfreien Staates. Das ist eine Generationenaufgabe, aber ich halte es für vernünftig, nach den Erfahrungen der Euro-Krise, dass wir uns auch diesem wichtigen Anliegen stellen.
    Und der dritte Punkt bleibt: Welche Chancen, welche Möglichkeiten hat man in der Sozialen Marktwirtschaft für jedermann, aus jeder beruflichen und Bildungssituation auch ein Stück weit weiter zu kommen, hier eine offene, eine lebendige Gesellschaft zu haben. – Das sind die drei Themen, mit denen wir in diesem Jahr sozusagen unser politisches Handeln flankieren, die wir bearbeiten. Das Grundsatzprogramm und der Prozess dahin ist ein wesentlicher Teil, der die Partei selbst beschäftigen wird, jedenfalls im ersten Halbjahr dieses Jahres.

    Liminski: Wachstum, Konsolidierung, Bildung – das wollen die anderen Parteien auch und alle Parteien bezeichnen sich mittlerweile auch als freiheitlich. Was ist denn das Alleinstellungsmerkmal der FDP? Warum soll man noch FDP wählen?

    Döring: Also zunächst würde ich widersprechen, dass alle Parteien Wachstum wollen. Wir nehmen wahr, dass sowohl die Parteien der politischen Linken, aber auch Teile unseres Koalitionspartners extrem wachstumskritische Töne in ihren Programmen, in den Reden ihrer Spitzenpolitiker, in ihrem Handeln erkennen lassen. Hier wird ganz offensichtlich doch ein anderes Bild einer Gesellschaft gesehen, und das gleiche gilt für die Liberalität. Wenn Sie sich überlegen, dass sowohl die Sozialdemokraten als auch die Grünen auf ihren letzten Parteitagen auf die Probleme der Zeit nur zwei Antworten gegeben haben, nämlich Verbote und Steuererhöhungen, dann ist das das Gegenteil von einer liberalen Politik, und darum gibt es weder andere liberale Parteien im Parteienspektrum, noch Parteien, die voll und ganz auf das Thema Wirtschaftswachstum setzen. Nein, mit beiden Themen hat die FDP ein Alleinstellungsmerkmal im Parteienspektrum der Republik.

    Liminski: Herr Döring, die stellvertretende Parteichefin Homburger hat die Aufkündigung der Jamaika-Koalition als Unverschämtheit von CDU-Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer bezeichnet. Vermuten Sie auch hinter dem Zeitpunkt Absicht, also dass die Union damit der FDP schaden und ein Signal für eine Große Koalition senden wollte, ein Signal, das die SPD jetzt mit dem Angebot eines Konsenskandidaten für den Fall des Rücktritts von Bundespräsident Wulff positiv erwiderte?

    Döring: Also zunächst muss man das Stilempfinden der Frau Ministerpräsidentin schon als merkwürdig empfinden. Unser Landesvorsitzende, der Kollege Luksic, befand sich bei der Entbindung seiner Frau im Kreißsaal, der grüne Koalitionspartner war ebenfalls ausschließlich über SMS beziehungsweise die DPA-Meldung informiert worden. Das ist alles ein Umgang miteinander, der zeigt, dass ganz offensichtlich die Frau Ministerpräsidentin mit dem Managing einer Dreierkonstellation, wie es nun mal eine Jamaika-Koalition ist, heillos überfordert war.
    Außerdem gilt auch, so haben wir es jedenfalls immer verstanden, dass man, bevor man bekannt gibt, dass eine Koalition beendet ist, wenigstens mit allen Koalitionspartnern noch einmal spricht, sich auch anhört, wie man gemeinsam weiter arbeiten könnte. Alles das hat nicht stattgefunden.
    Viel dramatischer finde ich, dass die Frau Ministerpräsidentin ganz offensichtlich schon am Tag zuvor allerdings den Sozialdemokraten Signale gegeben hat, dass es nun alsbald zu Koalitionsgesprächen kommen kann. Da muss ich dann schon sagen, wird überdeutlich: Hier wollte man ganz bewusst auch die FDP ein Stück weit desavouieren.
    Aber hängen wir es auch nicht zu hoch. Das Saarland hat die Größe eines Landkreises in Sachsen oder Niedersachsen, und deshalb ist das eine sehr ärgerliche regionale politische Entscheidung, aber sie ist zurückzuführen auf die wirkliche Überforderung der Frau Ministerpräsidentin.

    Liminski: Aber der Zeitpunkt muss ja doch Absicht gewesen sein, wenn sozusagen vorher schon Signale ausgesendet wurden?

    Döring: Ja. Wir empfinden das als ganz bewusste Störung einer der wichtigsten Jahresauftaktveranstaltungen der FDP, und wenn die Frau Ministerpräsidentin meint, so mit den Liberalen umgehen zu müssen, im eigenen Land und auch mit anderen Partnern, aber auch bundesweit dieses Signal aussenden zu müssen, dann kann man sich darüber ärgern. Ich glaube, es fällt alles am Ende auch auf die Frau Ministerpräsidentin zurück. Warum eigentlich sollten die Sozialdemokraten mit so einer Partnerin ein Bündnis eingehen, wenn man sieht, wie sie schon die anderen Partner behandelt hat.
    Für die FDP heißt das aber auch, sie nimmt im saarländischen Landtag jetzt die Oppositionsrolle an und wird auch die Erfahrungen aus der gemeinsamen Regierungszeit sicher in diese Oppositionsarbeit einfließen lassen. Es gibt ja auch einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss im saarländischen Landtag zu manchen Fragen, die auch die Frau Ministerpräsidentin betreffen. Also insofern muss man immer sehen, wie es dann weitergeht. Für uns heißt das aber, so was merkt man sich, ohne dass man jetzt in Sack und Asche durch die Republik läuft.

    Liminski: Dieses Signal hat Ihren Auftakt in Stuttgart gestört, muss man sagen. Der Applaus für Ihren Parteichef war allerdings mäßig bis schütter, jedenfalls in der Presse, und sicher ist, das Dreikönigstreffen hat wohl keinen Aufbruch gebracht. Brauchen, um das mal etwas salopp zu formulieren, die Kellerkinder für einen Aufbruch zu den, ich würde mal sagen, mindestens acht Prozent, um an der Macht zu bleiben, nicht eher alte bewährte Köpfe?

    Döring: Philipp Rösler hat in seiner fast einstündigen Rede aufgezeigt, mit welchen Themen und mit welchem Weltbild wir das nächste Jahr gestalten. Er hat mit dem Thema Wachstum, dem Thema schuldenfreier Staat und Aufstiegschancen durch Bildung und Marktwirtschaft wichtige thematische Grundlagen gelegt. Er hat eine kluge, eine nachdenkliche Rede gehalten. Das alles ist eine hervorragende Grundlage für den Wiederaufstieg der FDP, und deshalb arbeiten alle in der Führung der FDP, Rainer Brüderle, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Guido Westerwelle, Dirk Niebel und Daniel Bahr als Minister und Fraktionsvorsitzende, aber auch alle übrigen Kolleginnen und Kollegen, die in den Ländern Verantwortung tragen, an dem Wiedererstarken der FDP. Es gibt keinen Generationenkonflikt und auch keinen Konflikt zwischen jungen und alten Köpfen, wie Sie es eben ausgedrückt haben, sondern wir alle haben ein Ziel, dass die FDP am Ende dieses Jahres deutlich besser dasteht als derzeit.

    Liminski: Kluge und nachdenkliche Rede, sagen Sie. In der Politik braucht man aber auch ein gerüttelt Maß an Ruchlosigkeit. Ist Rösler zu brav für die Politik? Sie selbst bezeichnen ihn ja als Wegmoderierer.

    Döring: Philipp Rösler ist jemand, der sehr genau weiß, was für eine Gesellschaft er will. Er ist politisch stark in der Formulierung, er ist extrem nachdenklich und vielleicht manchmal für den Außenstehenden jemand, der nicht gleich mit dem ganz lauten Wort agiert. Aber er macht auch mit seiner Rede deutlich – und das ist doch das, worauf es ankommt -, der FDP geht es darum, auch in Zukunft die drei wesentlichen Säulen unseres Landes, nämlich die Soziale Marktwirtschaft als Handlungsprinzip weit mehr als nur der Wirtschaft, ein Staatswesen, das gesundet, und Aufstiegschancen für Jedermann, in den Mittelpunkt ihrer Politik zu rücken, und da haben wir in Dreikönig mit der Kollegin Homburger, dem Kollegen Niebel, dem Kollegen Rösler und mir selbst vier ganz unterschiedliche Politiker gesehen und gehört, wir haben ganz unterschiedliche Reden gehört, und alle vier gehören zusammen und die FDP steht geschlossen und gemeinsam, um diese politischen Inhalte zu transportieren. Deshalb bleibe ich dabei: Philipp Rösler hat mit seiner Rede eine hervorragende Grundlage gelegt, um im Jahre 2012 alles dafür zu tun, dass die FDP schon zur Wahl in Schleswig-Holstein am 6. Mai ganz anders dasteht als zu dieser Zeit, und darauf kommt es an. Und deshalb bin ich ganz zuversichtlich, dass Dreikönig, auch wenn die Störung aus dem Saarland sehr ärgerlich war, am Ende ein guter Jahresauftakt war, um die FDP nach vorne zu bringen.

    Liminski: Wie die FDP aus dem Keller des Umfragetiefs kommen will – das war Patrick Döring, Generalsekretär der FDP. Besten Dank für das Gespräch, Herr Döring.

    Döring: Herzlichen Dank Ihnen!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.