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Doku "Schöne Scheiße"
Fäkalien - eine Ehrenrettung

Anlässlich des Welttoilettentags, der auf das Fehlen von hygienischen Sanitäreinrichtungen für mehr als 40 Prozent der Weltbevölkerung aufmerksam machen soll, hat der Wissensverlag zusammen mit ARTE jetzt zwei Dokumentationen auf DVD dazu herausgegeben. Die Titel: "Superkraft Urin" und "Schöne Scheiße". Neben wissenschaftlichen Fakten werfen die Filme auch popkulturelle Fragen über Fäkalien auf.

Von Julian Ignatowitsch | 19.11.2015
    Ein begehbares Darm-Modell in einem Krankenhaus in Gera.
    Ein begehbares Darm-Modell in einem Krankenhaus in Gera. (picture alliance / dpa / Bodo Schackow)
    Chinesische Schulkinder singen ein Loblied auf die Toilette, als Ort der Reinigung. Ihr Lehrer hält stolz einen Apfel in die Kamera, den hat er mit Urin gedüngt und gezüchtet. Extra groß, extra saftig.
    Wissenswertes und Kurioses rundum unsere privaten Geschäftigkeiten – wissen Sie, dass Sie in ihrem Leben für gut 200.000 Kölschgläser Wasser lassen werden?! – jetzt also endlich auf DVD zu haben und selbst die schwachen Gemüter können zuschauen:
    "Trotz des wachsenden Erfolges unseres Urins ist es nach wie vor verpönt, ihn zu filmen. Um ihn dennoch zeigen zu können, ohne Abscheu hervorzurufen, haben wir - wo immer möglich – Wärmekameras, Mikroskopkameras und sogar Hochgeschwindigkeitskameras zum Einsatz gebracht. Dies ist die Geschichte der besonderen Wissenschaft vom Urin ... ."
    Und diese erzählt uns viel: von Fäkalien als Arzneimittel, Energieträger oder Rohstoff.
    In Europa fallen die Tabus nur im Museum
    An der Spitze der wissenschaftlichen Aufklärungsbewegung: China und Japan. Man wird das Gefühl nicht los, dass sie in Fernost mal wieder "am geschäftigsten" sind. Akademiker träumen vom urinalen Autoantrieb, Frauen schlucken Pillen gegen übel riechende Abgase – ihre! – und Biogasbauern betreiben mit der Gülle von Mensch und Tier einen ganzen Hofstall energieneutral, die Umwelt dankt's, der Parteigenosse liefert die rhetorische Stilblüte gleich mit:
    "Auf dem Land bevorzugen viele Frauen einen Ehemann, der über eine Biogasanlage verfügt. Schließlich stehen die Frauen in der Küche - und Kochen ohne Biogas ist harte Arbeit."
    In Europa ist das Thema indes ein Fall für die Kunst. Ausgerechnet im Museum fallen die Tabus. Der belgische Künstler Wim Delvoye hat die Verdauungsmaschine "Cloaca" konstruiert, die das gleiche kann, wie der menschliche Darm:
    "Als ich sie in Zürich das erste Mal ausstellte, gab es Beschwerden, weil die Leute nicht mit einem so fürchterlichen Gestank gerechnet hätten. Man kann einstellen, ob fester Kot oder Durchfall produziert werden soll."
    Und Sotheby's versteigert Piero Manzonis Merda d'artista (Künstlerscheiße) für horrende Summen:
    Doku-Szene der Versteigerung:
    "Und nun die Künstlerscheiße von Mazoni. Ich könnte jetzt Witze machen, aber ich beginne gleich bei 13.000 Pfund.
    14.000 Pfund?
    14.000 Pfund.
    19.000 Pfund da hinten.
    Verkauft für 19.000 Pfund."
    War der Nachttopf bei Spitzwegs "Armen Poeten" nur eine Randnotiz, ist bei Paul Mccarthys modern-würsterner Skulptur "Complex Shit" der Haufen längst zur Hauptsache geworden – und die fäkalen Klänge erobern auch die Literatur: Auf das philosophische Traktat "On Bullshit" folgt der Bestseller "Darm mit Charme".
    "Giulia, du studierst doch Medizin: Wie geht kacken?"
    Ja, wie eigentlich? Lesen und schauen sie's nach – und wenn zwischendrin der kleine Hunger klopft. Schon bald im Fastfood-Lokal ihrer Wahl:
    "Ein Kaka-Burger enthält 63 Prozent Proteine, 25 Prozent Kohlenhydrate, neun Prozent Mineralien und drei Prozent Lipide."
    Dazu vielleicht ein Glas Eigenurin. Na dann, Guten Appetit!