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Dokumentarfilm "Zen for nothing"
Auf der Suche nach der Illusion

Stundenlang mit dem Gesicht zur Wand sitzen: Der Zen-Buddhismus ist Faszination und Rätsel zugleich. Der Dokumentarfilm "Zen for nothing", der jetzt auf DVD erscheint, nimmt den Zuschauer mit in ein japanisches Zen-Kloster - und schafft es ohne viele Worte, ein Gefühl davon zu vermitteln, was Zen ist.

Von Christian Röther | 14.11.2016
    Innenraum des Antaiji Klosters, nordwestlich von Kyōto.
    Ein Raum im Antaiji Kloster, nordwestlich von Kyōto: Einfach sitzen und atmen (Norbert Hübner)
    Für den Zen-Buddhismus muss man offenbar körperlich belastbar sein. Zentrale Übung ist das Zazen, was bedeutet: einfach nur sitzen. Nicht meditieren, nicht einnicken. Einfach sitzen und atmen.
    Das Zen-Kloster Antaiji an den Bergen der japanischen Westküste. Hier wird Zazen jeden Tag praktiziert, mehr als vier Stunden. Morgens um vier geht es los. Tagsüber wird gearbeitet, im Haus, im Garten und im Wald. Danach wieder Zazen und um 21 Uhr "Licht aus". Für einen solchen Tagesablauf braucht man vermutlich Durchhaltevermögen. Das verlangt der Dokumentarfilm "Zen for nothing" auch vom Zuschauer. Der begleitet die Klosterbewohner durch ihren Alltag - und im ersten Drittel des Films wird so gut wie nicht gesprochen. Zazen für die Augen. Es gibt im gesamten Film überhaupt nur eine einzige Interviewsequenz.
    Aus Olaf wird Muhō
    "Was unterscheidet einen Zen-Meister, einen sogenannten Zen-Meister, von einem gewöhnlichen Zen-Mönch?", fragt Muhō Nölke. Er wurde 1968 als Olaf Nölke in Berlin geboren. Seit 14 Jahren leitet er als Zen-Meister das Kloster Antaiji. Nölke erklärt: "Ein bisschen ist das glaube ich so, wie der Unterschied zwischen einem Studenten an der Uni und einem Professor. Die Studenten, die wirklich was drauf haben, die gehen nach fünf Jahren oder spätestens nach zehn Jahren von der Uni ab und die, die hängenbleiben, das werden dann die Professoren. So ein bisschen ist das auch im Zen-Kloster, also wer den Absprung nicht schafft, der wird irgendwann einfach Zen-Meister."
    Ein Mönch im Antai-ji Kloster
    Ein Mönch im Antai-ji Kloster (Norbert Hübner)
    In dem Kloster leben Menschen aus dem Westen und Japaner. Manche kommen für ein paar Tage, manche womöglich für ein ganzes Leben. Wer langfristig bleiben möchte, sollte gesund sein, nicht älter als 40 und körperlich hart arbeiten können; außerdem Grundkenntnisse in Japanisch besitzen. So schreibt es das Kloster auf seiner Internetseite. Der Film kontrastiert das Klosterleben mit Zitaten des Zen-Meisters Kōdō Sawaki, einem früheren Abt des Klosters. "Es fängt damit an, dass wir 'ich' sagen. Alles, was danach kommt, ist Illusion", sagte Sawaki.
    Wer langfristig bleiben möchte, sollte gesund sein, nicht älter als 40 und körperlich hart arbeiten können: Sabine Timoteo beim Reisanbau auf den Feldern des Klosters Antaiji.
    Wer bleiben will, sollte fit sein: Filmemacherin Sabine Timoteo beim Reisanbau auf den Feldern des Klosters Antaiji. (Norbert Hübner)
    Hauptperson des Films ist Sabine Timoteo. Die Schweizerin ist Ende 30 und arbeitet als Schauspielerin. Jetzt nimmt sie für ein paar Monate eine Auszeit im Kloster – oder spielt sie die Auszeit? Die Kamera ist Timoteo zumeist sehr nah: Filmemacher Werner Penzel setzt sie in Szene wie in einem Spielfilm. Das wirft Fragen auf: Ist "Zen for nothing" tatsächlich eine Dokumentation oder werden die Grenzen zur Fiktion überschritten?
    Alles ist Illusion
    "Hide behind the tree, without speaking, without moving – sorry." Die emotionalste Szene des Films: Sabine Timoteo trägt ein Gedicht vor von Jacques Prévert. Das hat sie angeblich zufällig in einem Buch entdeckt. Sie schnieft, weint und lacht – aber schauspielert sie dabei? "Sometimes the bird comes quickly, but he may take long years before deciding."
    Sabine Timoteo bei der Zazen-Meditation. Diese steht im Mittelpunkt der täglichen Praxis des Zen.
    Sabine Timoteo bei der Zazen-Meditation, der Mittelpunkt der täglichen Zen-Praxis. (Zorro Film)
    Vielleicht ist die Schauspielerin in dem Dokumentarfilm ein geschickter Kniff, der beim Zuschauer eine Frage provoziert: Was ich da auf der Leinwand sehe, ist das wahr oder fiktiv? So verweist "Zen for nothing" auf die zentrale Lehre des Buddhismus: Alles ist Illusion.
    Für Abt Muhō Nölke ist bei dem Film allerdings noch eine ganz andere Frage wichtig, wie er in einem seiner Internet-Videos erklärt: "Ich fürchte, dass sich viele Zuschauer die wirklich wichtige Frage nicht stellen werden und einfach nur sich denken: 'Was machen denn die ganzen Ausländer da im Osten? Die sitzen den ganzen Tag gegen die Wand.' Dabei ist es ja der Zuschauer, der die Wand anguckt, und oft vergisst dabei sich zu fragen: 'Was mache ich eigentlich mit meinem Leben?'"