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Doping
„Der arme Athlet wird zum Opfer“

Am Dienstag will das IOC entscheiden, wie es mit der russischen Mannschaft in Pyeongchang umgehen wird. Im Dlf-Sportgespräch diskutieren das der unabhängige Ermittler der Welt-Anti-Dopingagentur Richard McLaren und der Journalist Hajo Seppelt. Die wichtigsten Einschätzungen.

Von Marina Schweizer | 03.12.2017
    Richard McLaren, Russland-Sonderermittler der Welt-Anti-Doping-Agentur
    Richard McLaren, Russland-Sonderermittler der Welt-Anti-Doping-Agentur (dpa-Bildfunk / AP / Keystone / Valentin Flauraud)
    Russland hat einige wichtige Schritte gemacht, aber es gibt noch viel zu tun. So schätzt WADA-Sonderermittler Richard McLaren die Fortschritte im russischen Anti-Doping-Kampf ein. Knapp ein Jahr nach der Vorstellung seines zweiten Reports:
    "Was mich enttäuscht ist ihr fortwährendes Leugnen. Und dass sie nicht bereit sind, tiefer zu graben, um wirklich aufzubrechen, was im Land passiert."
    Richard McLaren macht vor der Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees zu einem möglichen Olympia-Ausschluss Russlands einen Wendepunkt aus – etwa in einem aktuellen Urteil der IOC-Disziplinarkommission zur lebenslangen Olympiasperre des Ski-Langläufers Legkow:
    "Wir sehen jetzt eine sehr starke Reaktion auf der individuellen Seite. Aber es gibt auch die ganzen Personen oberhalb der Sportler: die Trainer, Doktoren und höheren Offiziellen. Die sind von diesen individuellen Entscheidungen nicht betroffen. Es ist nur die Person am Ende der Kette. Der arme Athlet wird zum Opfer. Und das IOC steht jetzt vor der Entscheidung, welche Maßnahmen es gegen das Kollektiv verhängt, wenn überhaupt. Und bisher sind es nur die Athleten. Aber wegen der starken Wortwahl in der Entscheidung werden sie jetzt Schwierigkeiten haben, zu sagen, dass es keine kollektive Verantwortung gibt."
    "Starke Beweislage"
    In der Begründung zur Sperre von Alexander Legkow hatte sich die IOC-Kommission unter anderem hinter McLarens Bericht gestellt und dessen starke Beweislage gelobt. Eine Empfehlung, ob sich das IOC nun für eine Kollektivstrafe oder wie vor eineinhalb Jahren in Rio gegen ein generelles Startverbot entscheiden sollte, will der Kanadier nicht abgeben.
    "Falls es wirklich eine Geldstrafe gibt, dann finde ich, dass sie an die WADA gehen sollte und nicht an das IOC. Und sie sollte die Ausgaben abdecken. Vielleicht auch die Ausgaben des IOC für ihre Doping-Kommissionen. Und es sollte auf jeden Fall die Kosten für meine Ermittlungen und die von Richard Pound in Sachen russische Leichtathletik decken. Und es muss noch mehr als das sein – das ist nicht genug."
    Erst vor wenigen Monaten hatte das IOC die Möglichkeit einer Geldstrafe bei Dopingvergehen in seine Charta aufgenommen. Für viele Beobachter ein Fingerzeig für die Entscheidung. Ebenfalls im Raum steht ein möglicher Boykott der Russen.
    "Ein Komplettausschluss wäre rechtlich möglich"
    Im Deutschlandfunk Sportgespräch diskutiert Richard McLaren die Möglichkeiten des IOC mit dem ARD-Journalisten Hajo Seppelt. Dieser hatte Ende 2014 in einer Dokumentation die Ausmaße des Dopings in Russland aufgedeckt. Für Seppelt ist klar: Ein Komplettausschluss wäre rechtlich möglich:
    "Es ist keine Frage der Berechtigung an der Teilnahme, sondern eine Frage des Zugangs. Das ist ein Unterschied. Das IOC ist frei in seiner Entscheidung, wen es bei den Spielen dabei haben will, und wen nicht. Sie können das einfach entscheiden. Das ist keine Frage der Rechtsprechung, Politik. Sie müssen einfach nur ihren eigenen Regeln folgen."
    Egal wie die Entscheidung am Dienstag ausfallen wird – es wird ein Paukenschlag, so Hajo Seppelt:
    "Falls sie den Russen die Teilnahme erlauben, werden sie mit der großen Mehrheit der Anti-Doping-Welt eine starke Opposition gegen sich haben. Falls sie den Russen die Teilnahme nicht erlauben, weiß ich nicht, was Herr Putin tun wird. Also stehen wir vor einer wirklich großen, olympischen Sportkrise."
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.