Donnerstag, 28. März 2024

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Doping-Kommission Freiburg
Vorsitzende Letizia Paoli droht mit Rücktritt

Seit 2007 prüft eine unabhängige Kommission, inwieweit die Uni Freiburg in systematisches Doping verwickelt war. 2014 sollte der Abschlussbericht vorliegen, doch jetzt wirft die Kommissionsvorsitzende der Uni Behinderung ihrer Arbeit vor. Die Vorwürfe seien für ihn "sehr überraschend", sagte Universitätsrektor Hans-Jochen Schiewer im DLF.

Hans-Jochen Schiewer im Gespräch mit Kate Maleike | 20.10.2014
    Eine Blutprobe wird am 30.10.2013 bei einem Journalisten-Workshop der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA) in Bonn (Nordrhein-Westfalen) in einen speziellen Transportzylinder verpackt. Bildunterschrift Geben Sie eine individuelle Bildunterschrift ein ode
    Eine Kommission untersucht, ob die Uni Freiburg an Dopingvorgängen im Radsport beteiligt war. (dpa / Marius Becker)
    Kate Maleike: War die Universität Freiburg beziehungsweise waren Freiburger Uniärzte in systematisches Doping zum Beispiel im Radrennbereich verwickelt, und wenn ja, wie? Auf diese Fragen sucht man nach dem Auftauchen entsprechender Vorwürfe seit 2007 mit einer unabhängigen Gutachterkommission Antworten, und evaluiert und gesucht wird in der entsprechenden Abteilung der Universität, der Abteilung "Rehabilitive und präventive Sportmedizin".
    Im genannten Jahr 2007 übrigens erhielt die Universität auch den Titel Exzellenzuniversität, der für herausragende Forschungsleistungen beträchtliche zusätzliche Gelder von Bund und Ländern mit sich bringt. Und seit dem Wochenende nun macht die Universität Schlagzeilen: Die amtierende Vorsitzende der Doping-Gutachterkommission Letizia Paoli wirft der Hochschule Behinderung ihrer Arbeit vor und droht nun mit Rücktritt. Professor Hans-Jochen Schiewer ist Rektor der Uni Freiburg. Guten Tag, Herr Schiewer!
    Hans-Jochen Schiewer: Guten Tag, Frau Maleike!
    Maleike: Was sagen Sie denn zu den Vorwürfen?
    Schiewer: Also ich bin sehr überrascht gewesen von diesen Vorwürfen, denn wir hatten uns ja im vergangenen Jahr in einem Gespräch mit der Ministerin darauf geeinigt, dass alle Unstimmigkeiten beigelegt sind und nun die Evaluierungskommission Sportmedizin mit einem klaren Zeitplan und ganz klar definierten Gutachten die Arbeit bis Mai 2014 abschließen sollte.
    Maleike: Das heißt, Sie haben eigentlich im Mai schon mit dem Abschlussbericht gerechnet. Der ist nicht gekommen, stattdessen kommen jetzt wieder neue Vorwürfe und auch das Ultimatum, wenn bis nächste Woche Sie nicht reagieren, sie dann zurücktritt.
    Schiewer: Also ich hatte selbstverständlich im Mai dann bei der Kommissionsvorsitzenden, bei Frau Paoli, angefragt, wie der Arbeitsstand ist, und sie hat dies dann auch mir mitgeteilt und auch der Presse mitgeteilt, dass der Kommission wesentliche Gutachten vorliegen, zum Beispiel zu den Medizinern Keul und Klümper, und dass man jetzt diese Gutachten noch in der Kommission bewerten und dann dem Auftraggeber übergeben kann, und deswegen habe ich eigentlich damit gerechnet, dass wir diese wertvollen Gutachten jetzt auch erhalten.
    Maleike: Was ist denn mit den Vorwürfen, die Universität hätte nicht so richtig, sagen wir mal, offengelegt, also hätte die Arbeiten behindert? Ist da was dran?
    Schiewer: Ich kann nur sagen, dass ich in der ganzen Zeit bemüht war, alle Anforderungen, die mir bekannt geworden sind von der Kommissionsvorsitzenden zu erfüllen. Ich habe auch in den letzten Monaten immer wieder mit den Kommissionsmitgliedern gesprochen, die die Gutachten erstellt haben, habe von keinem Kommissionsmitglied gehört, dass er in seiner Arbeit behindert ist, dass er noch zusätzliche Unterlagen benötige oder zusätzliche Hilfeleistungen, die ich jeweils angeboten habe. Insofern, muss ich gestehen, hat mich das wirklich sehr überrascht, dass Frau Paoli sich mit diesem Rechtfertigungsschreiben gemeldet hat.
    Maleike: Auf welcher Vertragsbasis arbeitet sie eigentlich mit Ihnen? Oder andersherum gefragt: Stimmt es, dass sie eigentlich bis 2012 nur einen Vertrag hatte?
    Schiewer: Frau Paoli hatte einen Vertrag, der in der Tat im Jahre 2012 ausgelaufen ist, und insofern ist das, was jetzt mit den Abschluss der Arbeiten zu erwarten ist, eigentlich die Erfüllung des Vertrags.
    Maleike: Sie haben als Uni jetzt angekündigt, am Freitag nämlich, eine Forschungsstelle Sportmedizin einzurichten. Heißt das, Sie nehmen die Aufklärung jetzt selbst in die Hand und verzichten auf die Evaluierung von außen?
    Schiewer: Die Forschungsstelle Sportmedizin ist schon lange geplant und ich habe jetzt noch mal deutlich gemacht, dass wir selbstverständlich davon ausgehen, dass allein der Bericht der Evaluierungskommission nicht abschließend sein kann, sondern dass hier natürlich ein entsprechender Schnitt gemacht wird und dann erfährt man, wie die Dinge jetzt bewertet werden, und auf dieser Basis soll dann die Geschichte der Freiburger Sportmedizin weiter wissenschaftlich aufgearbeitet werden.
    Maleike: Das heißt, die Ergebnisse der Kommission fließen definitiv als Basis in die Forschungsstelle ein?
    Schiewer: So ist der Plan.
    Geschichte der Sportmedizin weiter transparent machen
    Maleike: Und wie genau soll diese Forschungsstelle arbeiten?
    Schiewer: In dieser Forschungsstelle wird es – geplant – zwei Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter geben, die dann die weitere Untersuchung vornehmen, denn es ist ja so, dass archivrechtlich auch immer wieder neue Materialien zugänglich werden, dass auch die Kommission sicherlich in ihrem Bericht sagen wird, die Evaluierungskommission: Hier und dort gibt es noch Material, das wir nicht aufgearbeitet haben, nicht aufarbeiten konnten, und da wird dann diese Forschungsstelle ansetzen und diese Dinge aufarbeiten, um damit wissenschaftlich die Geschichte der Sportmedizin weiter transparent zu machen.
    Wir wollen keine Missverständnisse entstehen lassen
    Maleike: Herr Schiewer, die aktuellen Schlagzeilen dürfen Ihnen als Rektor nicht gefallen. Die Universität Freiburg nimmt ja auch sozusagen öffentlich Schaden, wenn sie denn die Dopingvergangenheit nicht lückenlos aufklären kann. Was tun Sie als Rektor, um da noch mehr Aktion reinzubringen?
    Schiewer: Also ich habe ja ganz deutlich gemacht, dass ich erwarte, dass die vorliegenden Gutachten, die in der Kommission erarbeitet worden sind, mir als Auftraggeber zur Verfügung gestellt werden. Das halte ich eigentlich auch für eine Notwendigkeit gegenüber der Öffentlichkeit, die auch um diese Gutachten weiß. Und ich habe auch immer deutlich gemacht und unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass die Geschichte der Sportmedizin in Freiburg so nachhaltig aufgearbeitet werden muss, wie es irgend möglich ist.
    Deswegen wird auch diese Forschungsstelle Sportmedizin eingerichtet, damit hier kein Missverständnis entstehen kann. Es gibt keinen Schlusspunkt mit dem Ende der Arbeit der Evaluierungskommission, sondern die Aufarbeitung setzen wir dann fort.
    Maleike: Und über welche Ergebnisse reden wir bis dato, welche Erkenntnisse haben Sie zum jetzigen Zeitpunkt zu der Frage, die ich eingangs genannt hatte, also wie stark war Freiburg beim systematischen Doping beteiligt?
    Schiewer: Es gibt natürlich den Bericht der Expertenkommission zur Aufklärung von Dopingvorwürfen gegenüber Ärzten der Abteilung Sportmedizin des Universitätsklinikums, und dieser Bericht liegt ja schon seit 2009 vor, und dort kann man nachlesen, welches ärztliche Fehlverhalten hier festzustellen ist.
    Hinsichtlich der gesamten Bewertung der Freiburger Sportmedizin warte ich auf das Ergebnis der Evaluierungskommission, deren Leiterin Frau Paoli ist, und erst dann kann ich dazu eine Stellungnahme abgeben.
    Gutachten müssen für den Auftraggeber freigegeben werden
    Maleike: Und was werden Sie jetzt tun in den nächsten Tagen?
    Schiewer: Ich werde Frau Paoli nochmals schreiben, dass ich erwarte, dass jetzt eine abschließende Sitzung der Kommission stattfindet, in der die Gutachten für den Auftraggeber freigegeben werden.
    Maleike: Zu den aktuellen Entwicklungen an der Universität Freiburg in Sachen Aufklärung der Dopingvergangenheit war das der Rektor Professor Hans-Jochen Schiewer. Vielen Dank für das Gespräch!
    Schiewer: Danke, gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.