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Dopingskandal
Blutbeutel können zu weiteren Sportlern führen

Am Rande der nordischen Ski-WM fand in Seefeld und parallel in Erfurt die „Operation Aderlass“ statt: Eine Razzia deutscher und österreichischer Behörden, deren Ergebnis zu einem der größten Dopingskandale im Herzen Europas werden könnte.

Von Andrea Schültke | 03.03.2019
Langläufer im Weltcup
Langläufer im Weltcup (picture alliance/Karl-Josef Hildenbrand/dpa)
Die Polizeisonderheit Kobra überrascht einen Athleten auf frischer Tat. Illegal im Netz veröffentlichte Bilder zeigen den Österreicher Max Hauke. Er hat die Kanüle noch im Arm. Über einen dünnen Schlauch fließt Blut in seine Adern. Eigenblutdoping zur Leistungssteigerung.
Nach der Dopingbeichte des österreichischen Langläufers Johannes Dürr in der ARD im Januar befragte die Dopingredaktion auch Max Hauke, wollte wissen, wie er dazu stand.
Reporter: "Gibt es sowas wie eine Dopingkultur, wird sowas angeboten oder ist es ganz fern von Ihnen?"
Hauke: "Für mich ist das völlig fern, also ich kann da gar nichts dazu sagen. Also ich glaube nicht, dass es sowas gibt. Also da kann ich nicht irgendwas dazu sagen."
Reporter: "Und die Aussage, Spitzensport ohne Doping ist nicht möglich?"
Hauke: "Nein, das glaube ich nicht."
"Ja, ich will diese unterstützende Maßnahme. Blutdoping."
Am vergangenen Mittwoch wurde Max Hauke festgenommen. Genauso wie einer seiner Teamkollegen, ein Sportler aus Kasachstan und zwei Esten. Sie sind inzwischen wieder frei, haben Doping gestanden. Der Este Karel Tammjärv sogar auf einer Pressekonferenz.
Sein Trainer habe ihm den Kontakt zu einem deutschen Arzt vermittelt: "Er sagte, es gibt einen Arzt, der solche Sachen organisiert, wenn du schneller skilaufen willst. Und ich habe dann die Entscheidung getroffen. Ja, ich will diese unterstützende Maßnahme. Blutdoping."
Blutdoping ist praktisch nicht nachweisbar
Er habe das Ganze mit Sponsorengeldern finanziert, die Bluttransfusionen hätten auch in Frankfurt und Berlin stattgefunden. Mit dem Geständnis kommt der Este dem zuvor, was die Ermittler um Kai Gräber von der Doping-Schwerpunkstaatsanwaltschaft München wohl ohnehin herausgefunden hätten. Denn die Beweise für Blutdoping sind offenbar erdrückend:
"Also wir haben in einer Garage in Erfurt in einem Kühlschrank solche Blutbeutel im tiefgefrorenem Zustand, befüllt, sicherstellen können, die sind auch mit Kürzeln versehen. Wie viele es sind genau, weiß ich nicht, nachdem ich bis jetzt nicht die Fotos gesehen habe, aber es ist von etwa 40 Blutbeuteln die Rede."
Beweise, die die Ermittler wahrscheinlich zu den Sportlern führen werden. Ohne die gefrorenen Blutbeutel wäre das kaum möglich, denn Blutdoping ist praktisch nicht nachweisbar. Deshalb fielen die festgenommenen Athleten bei Standard-Dopingkontrollen nicht auf.
"Sport hat zur Aufklärung überhaupt nichts beigetragen."
Die Beweise führten zu vier weiteren Festnahmen: Ein Erfurter Arzt, dessen Vater und zwei andere Personen. Sie sollen das Blutdoping organisiert haben. Ein Skandal, in den auch Athleten aus anderen Sportarten verwickelt sein könnten, so die Vermutung.
Erst die Anti-Doping-Gesetze in Deutschland und Österreich lieferten den Behörden die Grundlage für umfassende Ermittlungen die in der Razzia mündeten. Darauf weist auch Dagmar Freitag hin. Die SPD-Politikerin ist Vorsitzende des Sportausschusses im Deutschen Bundestag und folgert:
"Ich denke wir sehen jetzt wieder, nur so geht es. Denn der Sport hat zur Aufklärung überhaupt nichts beigetragen."
Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hatte sich lange gegen die Einführung eines Anti-Doping-Gesetzes gewehrt. Er wollte es lieber alleine regeln. Jetzt hat der Staat das Zepter in der Hand. Beamte untersuchen nun zu welchen Athleten das Blut in den sichergestellten Beuteln gehört. Der DOSB sagt, bisher seien keine seiner Kaderathleten betroffen. Aber die Ermittlungen sind erst am Anfang.
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