Freitag, 29. März 2024

Archiv

Doppelausstellung von Paul Klee
Zwischen Buddha und Bauhaus

Die Münchner Pinakothek der Moderne eröffnet eine große Schau zum Werk Paul Klees mit Schwerpunkt auf seiner Zeit am Bauhaus. Der Mystiker Klee erscheint dabei greifbarer und diesseitiger - und wird dadurch noch größer. Klees Landschaftsbilder abseits von Kunsttheorie und Konstruktion gibt es gleichzeitig in Kochel am See zu sehen.

Von Julian Ignatowitsch | 01.03.2018
    28.02.2018, Bayern, München: Eine Journalistin geht im Rahmen einer Pressevorstellung zur Ausstellung "Paul Klee. Konstruktion des Geheimnisses" an dem Werk "Erzengel" (1938) vorbei. Die Schau der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen zeigt rund 150 Werke in der Pinakothek der Moderne. Die Ausstellung geht vom 01.03.2018 bis zum 10.06.2018.
    "Raum der Häuser" von Paul Klee aus dem Jahre 1921 in einer Münchner Ausstellung (dpa / picture alliance / Lino Mirgeler)
    Wenn ein Bild prototypisch für die große Paul-Klee-Schau in der Münchner Pinakothek steht, dann ist es das "Abenteurerschiff", entstanden 1927. Paul Klee lehrte damals am Bauhaus in Dessau - und die Zeit der Maler, seine Zeit, schien dort schlichtweg "vorbei zu sein", wie Ise Gropius, Ehefrau von Gründer Walter Gropius, notierte. Erneuerer wie der Konstruktivist und Fotograf Laszlo Moholy-Nagy oder der ein Jahr später neuberufene Bauhaus-Direktor Hannes Meyer wollten Schluss machen mit den expressionistischen (Alt-)Meistern, den Klees, Kandinskys und Feiningers. Ihre Ecken und Kanten waren keine Pinselstriche auf der Leinwand, sondern die technischen Neuerungen der Zeit: Kino, Optik, Mechanik, "Telephondrähte, Starkstromleitungen und Funktürme".
    Für Klee eine schwierige Zeit und gleichzeitig eine Zeit der Selbstvergewisserung, erklärt Kurator Oliver Kase: "Weil die Tendenzen am Bauhaus in den späteren 20er-Jahren ihn sehr herausgefordert haben in seinem künstlerischen Selbstverständnis. Weil die Maler keine große Rolle mehr gespielt haben und gesagt wurde, Individualisten, Expressionisten, Romantiker brauchen wir hier nicht mehr."
    Unter diesem Eindruck schuf Klee also 1927 ein Werk wie das "Abenteuerschiff", ein naiv, fast kindlich gezeichnetes Segelboot mit Kapitän, bunten Fahnen, Bullaugen, Masten und Leitern, das auf magisch blau leuchtendem Wasser dahinzieht. Ein verspieltes Bild, auf den ersten Blick ein typischer Klee, der gegen alle Bauhaus-Grundsätze von klarer Gestaltung, Stringenz und Sachlichkeit verstößt. Auf den zweiten Blick aber fällt die ausgeglichene Farbgebung nach Bauhaus-Art auf: Blau, Rot und Gelb. Dazu verwendete Klee bei der Fertigung ein Verfahren, das er ebenfalls am Bauhaus kennengelernt hatte: die Spritztechnik mit Bürste und Schablone, die den individuellen Strich des Künstlers eliminiert.
    Klees Werk ist vom Bauhaus geprägt
    Experimentierte da einer mit neuen Techniken? Machte er sich lustig? Oder versuchte er - ganz im Gegenteil - zu vermitteln? Eindeutig lässt sich das nicht beantworten, wahrscheinlich von allem etwas. Wesentlich aber ist diese Erkenntnis, die die Ausstellung in München an vielen Stellen zu Tage fördert: Klees Leben und Werk sind maßgeblich geprägt von den elf Jahren am Bauhaus, deren Einfluss oft unterschätzt wird, wenn man vom Schöpfergott, vom Maler-Genie spricht:
    "Er hat sich schon sehr bemüht zu beweisen, dass er nicht nur ein romantischer Spinner ist, weil Klee ist durch Schlemmer zunächst an der Stuttgarter Akademie für eine Professur vorgeschlagen worden und genau mit diesem Punkt abgelehnt worden, dass ihm niemand zugetraut hat, dass er unterrichten kann, weil seine Kunst so weltfremd, so individualistisch ist, also nicht rational vermittelbar. Und ich glaube, dass er gerade deshalb daran gearbeitet hat zu zeigen, dass er ein Meister der rationalen Gestaltung des Unterrichts ist."
    Studenten beteten Klee geradezu an
    Klee propagierte unter den Studenten die "Konstruktion des Geheimnisses", wollte Verstand und Gefühl, Diesseits und Jenseits miteinander vereinen. Die Schüler beteten ihren Lehrer geradezu an, so zeigt es zum Beispiel eine humorvolle Zeichnung, die den Titel "Bauhausbuddha" trägt.
    Kurator Kase glaubt, "dass diese These des Bauhausbuddhas ein Ergebnis der erfolgreichen Konfliktbewältigung in seinem Werk ist. Er braucht sein freies künstlerisches Werk neben seiner Lehre um damit umzugehen und deshalb ist er auch so ausgeglichen, selbstbewusst und diplomatisch, weil er immer einen Weg findet sich anzupassen."
    Architektonische Formen wie in "Geplante Bauten" (1922), bunte Quadrate wie "Blühender Baum" (1925), gen Himmel strebende Diagonalen wie in "Grenzen des Verstandes" (1927) oder schwebende Quader wie in "Stadtperspective" (1928) - all diese Bilder zeigen, wie Klee sich von Konzept und Lehre am Bauhaus inspirieren ließ und wie er daraus sein ganz eigenes mystisches Universum weiterentwickelte. Daneben zeigt die umfangreiche Schau in zehn Kapiteln mit 150 Kunstwerken auch Früh- und Spätwerk und legt einen 450 Seiten starken, textlastigen Katalog ebenfalls mit Schwerpunkt Bauhaus dazu. Ja, man fühlt sich schon ein bisschen erschlagen nach dieser Tour durch den gesamten, abgedunkelten Westflügel der Pinakothek der Moderne, in jedem Fall schlauer, einsichtiger.
    Klees Landschaften in Kochel
    Und wer sich dann nach dem Klee abseits von Kunsttheorie und Konstruktion sehnt, der fährt direkt nach Kochel am See. Dort tanzen und flirren die Farben und Formen von Klees Landschaften: verwunschene Dünen, leuchtende Wiesen. Ansichten wie Musik. "Gemauertes, Geschupptes. Einstimmigkeit. Mehrstimmigkeit. Sich verlierende, erstarkende Linie". Paul Klee - er bleibt einfach ein Geheimnis und ist dabei so etwas wie der Gegenentwurf zum Scheinriesen: Je näher man ihm kommt, umso größer wird er.