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Doppeltes Doppel am Himmel

Die Planetensuche zählt zu den aktivsten Bereichen der Himmelskunde und spielt daher auch auf dem Weltkongress der Astronomen in Peking eine wichtige Rolle. Etwa 800 Exoplaneten sind bereits bekannt, zu denen der NASA-Satellit Kepler nun einen bemerkenswerten Neuzugang beisteuert: das erste Doppelsternsystem mit zwei Planeten.

Von Dirk Lorenzen | 29.08.2012
    Unsere Sonne ist ein kosmischer Einzelgänger. Sie wird nur von Planeten umgeben, hat aber keinen Sternpartner. Bisher gingen die Astronomen davon aus, dass Planetensysteme wohl nur bei Einzelsternen existieren können. Mehrere Sterne sollten den Lauf der Planeten empfindlich stören, wenn nicht unmöglich machen. Doch das Objekt Kepler-47, etwa fünftausend Lichtjahre entfernt im Sternbild Schwan, belegt das Gegenteil, erklärt William Welsh, Astronom an der San Diego State Universität in den USA.

    "Kepler-47 ist das erste System, in dem zwei Planeten einen Doppelstern umkreisen. Bisher kannten wir nur Einzelplaneten, die um Sternpaare laufen. Zwar ist es recht schwierig für Planeten, sich um einen Doppelstern herum zu bilden. Aber hier haben wir mindestens zwei - es gibt also Planetensysteme, die Sternpaare umkreisen."

    Das kosmische Doppel-Doppel muss einen kuriosen Anblick bieten: Ein recht sonnenähnlicher Stern und ein deutlich leuchtschwächerer rötlicher Zwerg drehen sich in gut sieben Tagen umeinander. Weiter draußen ziehen die beiden Planeten ihre Bahnen: Der eine ist so weit entfernt wie Merkur von der Sonne und braucht etwa fünfzig Tage für eine Runde. Der andere hat ziemlich genau die Entfernung, die auch die Erde von der Sonne hat, und braucht gut dreihundert Tage. So faszinierend dieses System auch sein mag - eine Heimstatt für Leben ist es offenbar nicht.

    "Von den beiden Planeten bei Kepler-47 ist der eine zu heiß für Leben. Aber der äußere ist genau in der bewohnbaren Zone und hat die perfekte Temperatur. Gäbe es dort eine feste Oberfläche mit Wasser, so wäre das Wasser weder gefroren noch verdampft, sondern flüssig. Doch dieser Planet ist eine Gaskugel, ähnlich den großen Gasplaneten bei uns. Er wird also nicht belebt sein. Aber würde man ihn durch ein Objekt wie die Erde ersetzen, so könnte es dort eventuell Leben geben."

    Die Entdeckung gelang mit dem NASA-Satellitenteleskop Kepler, das die Helligkeit Zigtausender Sterne präzise überwacht. Hat ein Stern Planeten, die genau vor seiner Scheibe entlang laufen, so verschlucken sie periodisch ein klein wenig Licht. Dieser regelmäßige minimale Helligkeitsrückgang eines Sterns verrät seine Begleiter. So haben die Astronomen auch Hinweise auf die Planeten von Kepler-47 bekommen. Dieser Doppelstern ist einige Milliarden Jahre alt - offenbar aber stören sich die Planeten keineswegs an der Anwesenheit der zwei Sterne.

    "Die meisten Sterne befinden sich in Mehrfachsystemen, sie kommen also zu zweit oder zu dritt vor. Unsere Sonne als Einzelstern ist fast etwas ungewöhnlich. Wenn es bei diesem Doppelstern Planeten gibt, dann kann die Mehrheit der Sterne in unserer Milchstraße prinzipiell Planeten haben - und sogar welche, die in der bewohnbaren Zone liegen. Damit steigt die Anzahl der Plätze, an denen Leben möglich ist."

    William Welsh und seine Kollegen sind seit Jahren im Planetenfieber. Neben ihrer Lehrtätigkeit an der Universität sichten sie in jeder freien Minute Messdaten auf Planetenspuren - so etwas macht bis heute das menschliche Auge viel besser als ein Computerprogramm. Doch, so zeigt sein breites Lächeln nach dem Vortrag in Peking, die Mühe lohnt sich.

    Denn diese Entdeckung sage uns, dass die Natur gerne Planeten macht. So wird der Eifer der Planetensucher weiter wachsen, zumal beim Satelliten kürzlich ein wichtiges Gerät zur Lageregelung ausgefallen ist. Noch gibt es Ersatz an Bord, doch allen ist bewusst, dass die Kepler-Party mit faszinierenden Planetensystemen auch mal ganz plötzlich vorbei sein kann.