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Dr. Siri und seine Toten
Mit Colin Cotterill unterwegs in Laos

Geister, Tote und Parteikader - Die Klientel des Dr. Siri ist unangenehm und gern macht der Mediziner seinen Job auch nicht. Eher ungewollt ist er in Laos zum Gerichtsmediziner geworden. Eine Idee des britischen Pädagogen, Cartoonisten und Autors Colin Cotterill. Seine Dr. Siri Krimis sind ein internationaler Erfolg, nur in Laos kennt ihn keiner.

Von Regina Kusch | 11.10.2016
    Der britische Autor und Cartoonist Colin Cotterill in in Chumphon, Thailand.
    Der britische Autor und Cartoonist Colin Cotterill in in Chumphon, Thailand. (picture alliance / dpa / Peter Janssen)
    Dr. Siri und seine Toten:
    "Dr. Siri Paiboun wurde oft als Zwerg bezeichnet. Er hatte die seltsame Statur eines buckeligen Leichtgewichtsringers. Beim Gehen schien es, als hätte seine untere Körperhälfte Mühe, mit der oberen Hälfte Schritt zu halten. Sein kurzgeschnittenes Haar war schneeweiß."
    Dr. Siri ist Pathologe und ermittelt im Laos der späten 70er-Jahre. Der Vietnamkrieg ist zu Ende, die kommunistische Partei hat ihre Macht gefestigt, aber die Gewalt ist immer noch nicht aus dem Land verschwunden. So nimmt Dr. Siri immer wieder Mordermittlungen auf – in den Krimis des britischen Autors Colin Cotterill. Der reist regelmäßig für Recherchen in das kleine südostasiatische Land.
    Diesmal trifft Colin Cotterill in der Hauptstadt Vientiane Sittixai, den Generalsekretär der Laotischen Sportler-Vereinigung. Denn Dr. Siris zwölfter Fall soll den kauzigen Ex-Revolutionär zu den olympischen Spielen nach Moskau führen.
    "Sittixai war als 100-Meter-Läufer mit dabei. Ich wollte etwas über das Training in Laos erfahren, die Reise nach Moskau und das Leben im olympischen Dorf. Er hat mir verraten, dass die laotischen Athleten viel Spaß hatten, aber von der russischen Küche schon vor Beginn der Spiele zugenommen hatten. Vermutlich mit ein Grund, dass sie alle Wettkämpfe verloren."
    Jede Menge Hintergrundmaterial
    In den 80er-Jahren hatte Collin Cotterill in Australien als Sprachlehrer für Migranten viele politische Flüchtlinge aus Laos kennengelernt, die ihm von der Unfähigkeit und Brutalität der neuen kommunistischen Regierung erzählten.
    "Doch ich wollte selbst nach Laos und herausfinden, wie schrecklich die Kommunisten wirklich waren. Ich bekam einen Job in einem UNESCO-Projekt und hörte nun ihre Sicht der sozialistischen Geschichte. So hatte ich jede Menge Hintergrundmaterial, das in der Literatur keine große Beachtung fand. Ich wollte Romane schreiben mit laotischen Protagonisten: von Sozialisten und von Anhängern des abgesetzten Königs."
    In Laos angekommen landete Colin Cotterill gleich für einen Monat mit Gelbsucht im Krankenhaus. In dieser Zeit entstand die Idee zu Dr. Siri, der gegen seinen Willen und mit miserabler medizinischer Ausstattung von der Partei zum Gerichtsmediziner zwangsverpflichtet wird.
    "Es musste jemand mit einem Übersee-Hintergrund sein, der die Situation im Land aber auch im Rest der Welt einschätzen konnte. Er musste alt sein - denn in Laos werden die Leute wegen ihres Alters respektiert - und ein Mitglied der kommunistischen Partei. So kannte er alle Blickwinkel, für und gegen das System. Aufgrund seines Alters traute er sich Dinge auszusprechen, die junge Leute nicht sagen konnten."
    Cotterills erste Aufzeichnungen entstanden vor 14 Jahren, als er in Vientiane lebte, im Hai Sok Tempel, den er auch heute noch besucht.
    "Da drüben stand das Haus, in dem Dr. Siri anfangs lebte, da ist der Balkon, von dem er auf das Tempelgelände geschaut und den Mönchen zugehört hat. Tatsächlich habe ich damals dort gelebt."
    Von Laos nach Thailand
    15 Jahre lebte Colin Cotterill in Laos als Ausbilder für Lehrer.
    "Ich hatte Einfluss auf junge Lehrer und Studenten. Ich arbeitete mit ihnen an einem nationalen Curriculum für Oberschulen. Doch das System war sehr paranoid. Ausländer wurden immer verdächtigt, gegen die Regierung zu arbeiten und die jungen Leute aufzuhetzen. 1994 wurde ich rausgeworfen."
    Colin Cotterill lebt jetzt in Thailand. Den Parteibonzen, den er für seinen Rauswurf verantwortlich macht, verewigte er in seinen Krimis als Siris inkompetenten Vorgesetzten.
    Dr. Siri und seine Toten:
    "Und worauf führen Sie den Blutverlust zurück?", erkundigte sich Richter Haeng. Siri überlegte zum wiederholten Mal, ob es sich um eine Fangfrage handelte. "Nun ja. Es könnte damit zu tun haben, dass dem armen Mann die Beine oberhalb der Knie abgeschnitten wurden." "Das sagen Sie, Genosse Siri. Ich würde es begrüßen, wenn Sie künftig etwas mehr ins Detail gehen könnten. Außerdem habe ich meine Zweifel, ob tatsächlich der Blutverlust zum Tod geführt hat und nicht doch" "Herzversagen?" "Genau, als ihm die Beine abgetrennt wurden, war das ohne Frage ein fürchterlicher Schock. Da wäre es doch durchaus möglich, dass er einen Herzanfall erlitten hat."