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Dramatischer Anstieg

Klimaforschung. – Der Weltklimagipfel auf Bali naht mit Riesenschritten und aus der Wissenschaft häufen sich die Alarmmeldungen. War der 4. Weltklimabericht des IPCC noch nicht aufrüttelnd genug, so erklärt jetzt das Globale Kohlenstoffprojekt in den Abhandlungen der US-amerikanischen Akademie der Wissenschaften, dass sich der Kohlenstoffausstoß in den vergangenen sieben Jahren stärker erhöht habe als erwartet.

Von Volker Mrasek | 23.10.2007
    Man hat immer stärker das Gefühl: 2007 ist das Jahr, in dem alle Karten offen auf den Tisch gelegt werden. Erst der neue Welt-Klimareport, aus dem hervorgeht, dass nicht mehr viel Zeit bleibt, um die Erderwärmung noch in tolerierbaren Grenzen zu halten. Jetzt die Ergebnisse aus dem Globalen Kohlenstoff-Projekt. Danach nimmt der Ausstoß von Kohlendioxid weltweit immer stärker zu. Seit 2000 stiegen die CO2–Emissionen von Jahr zu Jahr um durchschnittlich 3,3 Prozent. Im Jahrzehnt davor waren es noch 1,3 – also viel weniger. Michael Raupach, australischer Physiker und stellvertretender Leiter des Kohlenstoff-Projektes:

    "”Der CO2-Ausstoß übertrifft mittlerweile die Wachstumsraten sämtlicher Emissionsszenarien, die der Welt-Klimarat in seinem neuen Bericht abhandelt. In den letzten drei bis fünf Jahren war der Anstieg extrem stark und sogar höher als in dem pessimistischsten aller Szenarien.""

    Die Wirtschaft boomt, vor allem in Schwellenländern wie Indien und China. Entsprechend stark wächst der Energiebedarf. Gedeckt wird er überwiegend durch die fossilen Energieträger Kohle, Öl und Gas – man muss sogar sagen: in heute wieder zunehmendem Maße. Dadurch steigen auch die CO2-Emissionen überproportional. Raupach:

    "In früheren Jahrzehnten hat die Weltwirtschaft ihre Kohlenstoff-Intensität, wie wir sie nennen, ständig verringert. Diese Größe drückt aus, wie viel Kohlenstoff wir verbrennen müssen, um einen Dollar Rendite zu erwirtschaften. Seit dem Jahr 2000 aber nimmt die Kohlenstoff-Intensität nicht mehr ab. Das hat nicht nur mit dem rapiden Wachstum Indiens und Chinas zu tun. Auch viele Industrieländer sind in Sachen Energie-Effizienz heute weit davon entfernt, gut zu sein."

    Was die Forscher schließlich auch noch festgestellt haben: Die Pflanzenwelt und der Ozean halten mit dem wachsenden CO2-Ausstoß offenbar nicht mehr Schritt. Zusammen nehmen sie bisher etwa die Hälfte der industriellen Emissionen postwendend auf und mildern so die Erwärmung der Atmosphäre. Insofern sind sie unsere Alliierten im Kampf gegen den Klimawandel – als natürliche Senken für CO2, wie man sagt. Doch nach den neuen Daten nimmt der Anteil von frisch emittiertem CO2, der in der Außenluft verbleibt, mittlerweile zu. Für Corinne Le Quéré von der University of East Anglia in Großbritannien bedeutet das im Umkehrschluss: Die großen CO2-Senken der Natur arbeiten nicht mehr so effektiv. Die kanadische Physikerin beschäftigt sich vor allem mit der Rolle des Ozeans im globalen Kohlenstoff-Kreislauf:

    "”Wir haben herausgefunden, dass die Senken es nicht mehr schaffen, immer mehr Kohlenstoff zu speichern. Das kann man am südlichen Ozean sehen. Die Winde in der Südhemisphäre sind infolge der Klimaerwärmung stärker geworden. Dadurch wird auch der Ozean kräftiger durchmischt. Und Kohlenstoff, der eigentlich in tiefen Meeresschichten eingelagert war, kommt wieder an die Oberfläche. Deshalb ist nicht mehr so viel Platz im südlichen Ozean, um auch weiterhin so große CO2-Mengen aufzunehmen.”"

    Wenn dieser Trend nicht bloß vorübergehend ist - und davon muss man eigentlich ausgehen – dann könnte der Klimawandel noch schneller voranschreiten, als selbst Wissenschaftler wie Michael Raupach bisher glaubten:

    "”Es verstärkt sich der Eindruck, dass das Erdsystem empfindlicher ist, als wir gehofft hatten. Durch unsere CO2-Emissionen haben wir den Klimawandel bis zu einem gewissen Grad in Gang gebracht, aber durch Wechselwirkungen mit dem Kohlenstoff-Kreislauf wird die Erwärmung noch zusätzlich verstärkt. Ich fürchte deshalb, dass es nicht genügt, die Treibhausgas-Emissionen bis zur Jahrhundertmitte um 50 oder 60 Prozent zu senken. Wahrscheinlich werden wir dieses Ziel in den nächsten ein, zwei Jahrzehnten verschärfen müssen.""