Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Drei Bände zu Andy Warhol
Mehr als King of Pop Art

Lange Zeit galt Andy Warhol als Vertreter einer oberflächlichen und konsumorientierten Pop Art-Kunst. Drei neue Bücher über den Maler und Grafiker zeigen nun, dass sein Werk und sein Leben diesem Mythos nicht entsprechen.

Von Stefan Koldehoff | 16.12.2020
Buchcover: Drew Zeiba/Blake Gopnik/Michael Dayton Hermann (Hrsg.): „Andy Warhol. Love, Sex, and Desire. Drawings 1950–1962“
Drei neue Bücher zeigen den Andy Warhol hinter dem Pop Art-Künstler - zum Beispiel dieser Bildband mit frühen Zeichnungen (Buchcover: Taschen Verlag)
Seit einem halben Jahrhundert gelten Andy Warhol und seine Kunst als Inbegriff der so genannten Pop Art. Seine häufig großformatigen Bilder zeigten nicht mehr die klassischen Themen der Kunstgeschichte; Warhol flüchtete sich aber nach der Katastrophe des Krieges auch nicht, wie viele seiner Künsterkolleginnen und -kollegen, in die Unverbindlichkeit des gestischen, ungegenständlichen Malens. Als gelernter Werbegrafiker entschied sich der Sohn osteuropäischer Einwanderer, den Alltag bildwürdig zu machen – in seinen positiven, konsumorientierten Aspekten, aber auch in den negativen.
So fanden Suppendosen und Colaflaschen auf seine Leinwände, Motive aus Design, Werbung und Filmwelt – aber eben auch Verkehrsunfälle und Elektrische Stühle, abgestürzte Flugzeuge oder die trauernde Präsidentenwitwe Jackie Kennedy. Die frühe Hinwendung zur Druckgrafik trug dazu bei, dass Warhols Kunst schnell auch außerhalb der USA große Verbreitung fand.
Nicht nur oberflächliche Abziehbilder
Lange Zeit galten Warhol Bilder als oberflächliche Abziehbilder der auf Kommerz und Vergnügen ausgerichteten Pop-Zeitalters, das von den 1960er- bis in die 1980er-Jahre reichte. Warhol selbst trug bis zu seinem frühen Tod 1987 nach Kräften dazu bei, diesen Mythos durch skurrile Auftritte aufrecht zu erhalten. Drei neue Bücher über den King of Pop Art revidieren dieses Bild nun aber nachträglich. Die akribisch recherchierte, über 1000 Seiten starke Biografie des amerikanischen Kunstkritikers Blake Gopnik belegt, wie mühevoll sich Warhol seinen Erfolg erarbeitete und dass unter der ikonischen weißen Kunsthaarperücke ein politisch wie sozial engagierter Kopf steckte – der allerdings immer auch die eigenen Finanzen im Blick behielt.
Der Katalog zur durch die Pandemie noch nicht eröffneten großen Warhol-Retrospektive im Kölner Museum Ludwig legt ein besonderes Schwergewicht auf Warhols Bedeutung für die frühe LGBTQ- und Gender-Bewegung in den Vereinigten Staaten. Früh schon lebte der Künstler seine Homosexualität offen. In seinen Bildern und Filmen war sie immer wieder Thema – Warhol sorgte auf diese Weise für einen Resonanzraum, den zu geben die offizielle Gesellschaft in den 1960er-Jahren noch lange nicht bereit war.
Wie weit er dabei ging, zeigt ein bezaubernder Bildband mit homoerotischen Warhol-Zeichnungen voller Liebe und Zärtlichkeit, die noch weitgehend unbekannt sind. Sie wurden nun – 33 Jahre nach seinem Tod – aus Warhols Nachlass veröffentlicht. Dass Warhol selbst sie schon in den 1960er-Jahren für eine Buchpublikation vorgeschlagen hatte, zeigt auch seinen politischen Mut: Homosexuelle Handlungen standen damals in fast allen Bundesstaaten USA unter Strafe. In manchen änderte sich daran erst im 21. Jahrhundert etwas.
Blake Gopnik: "Warhol. Ein Leben als Kunst. Die Biografie"
aus dem Amerikanischen von Marlene Fleißig, Hans Freundl, Ursula Held, Hans-Peter Remmler, Andreas Thomsen und Violeta Topalova
C. Bertelsmann Verlag, München. 1232 Seiten, 48 Euro.
Drew Zeiba/Blake Gopnik/Michael Dayton Hermann (Hrsg.): "Andy Warhol. Love, Sex, and Desire. Drawings 1950–1962"
Mehrsprachige Ausgabe
Taschen Verlag, Köln. 392 Seiten, 75 Euro.
Yilmaz Dziewior/Gregor Muir (Hrsg.): "Andy Warhol Now"
Verlag der Buchhandlung Walter König, Köln. 224 Seiten, 38 Euro.