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Drei Perspektiven auf die EU
Wie stellen sich Belgien, Griechenland und Rumänien die Zukunft der Europäischen Union vor?

Nicht erst seit Emmanuel Macron in Frankreich zum neuen Präsidenten gewählt wurde, wird über die Zukunft der Europäischen Union debattiert - aber die Diskussion hat nun wieder an Fahrt aufgenommen. Unsere Reporter haben sich in drei Mitgliedsländern umgehört, was sich die Regierungen dort von der EU wünschen.

Von Felicitas Boeselager, Michael Lehmann und Andrea Beer | 11.05.2017
    Sie sehen die Flaggen der Mitgliedsstaaten der EU, zusammen mit der EU-Flagge auf einem Tisch.
    Der Bürger müsse Europa in seinem Alltag als positiv und hilfreich empfinden, fordert die belgische Regierung. (picture-alliance / dpa / Jens Kalaene)
    Belgien, Mitglied der ersten Stunde
    Der belgischen Regierung ist bewusst, dass ihr Staat zu klein ist, um auf dem Weltmarkt ohne die Europäische Union überleben zu können. Umso wichtiger ist Ihnen eine Erneuerung der EU. Als Reaktion auch auf die Stimmung, die die Wahl Donald Trumps und den Brexit hervor gebracht haben. Der belgische Journalist Roger Pint fasst das Ziel der belgischen Regierung so zusammen: "Wenn uns Europa wichtig ist, dann müssen wir dafür sorgen, dass Europa effizienter wird, dass der Bürger Europa in seinem Alltag als positiv, als hilfreich empfindet."
    Der Lösungsvorschlag von Premier Charles Michel ist ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten. Mit einem Kerneuropa, das aus der Eurozone besteht. Für eine Erneuerung der EU hat sich Belgien mit den anderen Benelux-Staaten zusammengeschlossen, sie sehen sich dabei als Gründungsmitglieder der EU in einer besonderen Verantwortung.
    Spezifische Streitpunkte mit der EU hat Belgien nicht. Nur die Schuldenbremse sorgt bei vielen Belgiern für ziemliche Bauchschmerzen. Gerade für kleine Regionen ist es problematisch, wenn sie große Investitionen nicht über einen längeren Zeitraum abschreiben können. Sie würden deshalb aber keinen Streit mit der EU vom Zaun brechen, dafür sind die meisten zu sehr vom europäischen Projekt überzeugt.
    Griechenland, Mitglied seit 1981
    Die Regierung in Athen weiß, dass Griechenland ohne die Solidarität der anderen EU-Länder nicht im Euro-Raum überleben könnte. Zu spüren und nachzuprüfen war das in den letzten Monaten immer wieder, als die griechische Seite bei den Verhandlungen mit Gläubigern um ein neues Spar-und Reformpaket weiteren erheblichen Belastungen für Rentner und Steuerzahler zustimmen musste und dabei auch eigene Wahlversprechen über Bord warf.
    Gleichzeitig sind in der Regierungsmannschaft von Alexis Tsipras auch Europa-kritische Stimmen zu hören. Weil sich die Beziehungen zur Türkei aus Brüsseler Sicht in den vergangenen Monaten dramatisch verschlechtert haben, ist im Gegenzug in Griechenland mehr Selbstbewusstsein zu spüren. Das Land im tiefen Süden ist strategisch nochmal wichtiger geworden für die Gemeinschaft.
    Dieses neue Selbstbewusstsein ist nun schon zum zweiten Mal auf einem Gipfeltreffen der Südländer gepflegt worden. Zusammen mit Spanien, Portugal und Italien wollen die Griechen für einen gerechten Ausgleich in Europa kämpfen. Die Mehrheit in der griechischen Bevölkerung, das haben alle Umfragen der letzten Zeit ergeben, will im Euro-Raum bleiben und hat die Grexit-Debatten satt. Für die Regierung ein deutliches Zeichen, dass sie von ihrem pro-europäischen Kurs nicht abweichen darf.
    Rumänien, Mitglied seit 2007
    Die rumänische Regierung wird von den Sozialdemokraten und Premier Sorin Grindeanu angeführt. Sie steht voll und ganz hinter der Mitgliedschaft in der Europäischen Union und stellt dies auch nicht in Frage.
    Doch auch Spitzenpolitiker aus dem sozial-liberalen Lager üben immer wieder Kritik an Brüssel: Bukarest werde bevormundet, durch Defizitverfahren destabilisiert oder der Brexit sei verständlich. Das meinte etwa Liviu Dragnea, der Chef der Sozialdemokraten. Er ist wegen Wahlbetrugs vorbestraft und kann deswegen nicht Regierungschef werden. Doch er gilt als Schattenpremier, der als einflussreicher Mann im Hintergrund im Kabinett von Grindeanu die Fäden zieht.
    Gleichzeitig verweist die Regierung auf die Kooperation und die enge Zusammenarbeit mit der EU. Denn rund zehn Jahre nach der Aufnahme wird Rumänien von der EU-Kommission weiter regelmäßig kontrolliert und bewertet. Etwa im Bereich der umstrittenen Korruptionsbekämpfung oder der schleppenden Justizreform.
    Die Idee eines sogenannten Europas verschiedener Geschwindigkeiten lehnt die rumänische Regierung entschieden ab und sieht sich aufgrund niedriger Löhne als ausbaufähiger Wirtschaftsstandort in der EU, etwa für die Autoindustrie. Anfang 2019 übernimmt Rumänien den EU Vorsitz von Österreich und bei einem Besuch in Wien warb der rumänische Regierungschef Grindeanu auch bei großen Konzernen für sein Land. Die sozialdemokratisch geführte Regierung strebt außerdem so schnell wie möglich einen Beitritt in den Schengen Raum an. Ein Ziel, das der bürgerlich konservative Präsident Klaus Johannis übrigens teilt, ein ausgewiesener Kritiker der rumänischen Regierung.